Dialog mit Russland, Eklat um Nord Stream 2 – und Industriepolitik à la française
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Deutschland und Frankreich bemühen sich um Dialog mit Russland. Die USA wollen Nord Stream 2 abschießen. Und die EU-Kommission betreibt mit ihrem “Chips Act” eine hemdsärmelige Industriepolitik.
Die Woche begann mit leiser Hoffnung auf Entspannung – und endete mit Warnungen vor einem “Weltkrieg”. Niemand Geringeres als US-Präsident Biden nahm das Wort in den Mund, um zu begründen, warum er keine US-Truppen in die Ukraine schickt. Zugleich forderte er alle US-Bürger auf, das Land unverzüglich zu verlassen.
Klingt widersprüchlich? Ist es auch – genau wie die Reisediplomatie der Deutschen und Franzosen. Kanzler Scholz und Präsident Macron versuchten, es allen recht zu machen und flogen nach Washington, Moskau, Kiew und Berlin, um eine diplomatische Lösung der Krise um die Ukraine bzw. der Nato zu suchen.
Macrons Dialogversuch bei Kremlchef Putin brachte zwar keinen Durchbruch. Doch immerhin reiste er mit der Hoffnung aus Moskau ab, dass es keine weitere Eskalation geben würde. Doch die ist schnell zerstoben. Ein russisches Manöver in Belarus und die Entsendung von US-Kampfbombern haben die Spannungen angeheizt.
Auch ein Treffen im “Normandie-Format” mit Russland und der Ukraine in Berlin brachte keine Fortschritte. Kiew weigert sich, mit den Separatisten im Donbass zu reden. Moskau macht jedoch genau dies zur Voraussetzung für weitere Gespräche. Die solle es zwar trotzdem geben – doch die Chancen auf eine Verständigung sinken.
Wenig zuversichtlich stimmt auch der Streit um Nord Stream 2. Dass Biden es wagte, die Ostsee-Pipeline auf einer Pressekonferenz mit Scholz öffentlich abzuschießen, ist ein bisher undenkbarer Affront. Dass Scholz es nicht wagte, zu widersprechen, sondern kleinlaut eine Gegenleistung forderte, sagt viel über die transatlantischen Beziehungen.
Sie sind nicht gut, entgegen allen öffentlichen Bekundungen. Deutsche und Franzosen sind es leid, dass die USA die Kriegshysterie anheizen und den Sanktionsdruck erhöhen – auch auf Deutschland und die EU. Immerhin wächst das Bewußtsein, dass im Ernstfall enorme Kosten auf die Europäer zukommen – und dass man sich auch mal wehren muß.
Und dann war da noch der “European Chips Act”, mit dem die EU die Produktion von Halbleitern fördern will. Auch hier steht sie in Konkurrenz zu den USA – und in Angst vor einem Krieg, nämlich um Taiwan. Um verlorenes Terrain aufzuholen, lässt die EU-Kommission alle Hemmungen fallen und macht Industriepolitik nach französischer Art…
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