Ist Deutschland (schon wieder) erpressbar?
Es ist ein déja vu. 2015 schloß Kanzlerin Merkel einen schmutzigen Deal, um die Flüchtlingskrise zu lösen. Nun scheint sie wiederum bereit, alles zu tun, um einen Handelskrieg abzuwenden. Ist Deutschland das schwächste Glied der EU – und damit erpressbar?
Der Gedanke könnte einem kommen, wenn man sich die lange Liste der Streitpunkte ansieht, über die Merkel mit US-Präsident Trump sprechen will. Es sind alles “wunde Punkte”, auf die die USA, aber auch viele EU-Staaten seit Jahren hinweisen:
- Zölle. Es geht nicht nur um Stahl und Aluminium, sondern auch um Zölle auf Automobile. Trump droht mit einem gezielten Schlag gegen Daimler & Co. – Merkel will ihm mit niedrigeren EU-Zöllen entgegenkommen.
- Der deutsche Handelsbilanz-Überschuss. Trump bezeichnet ihn als unfair – und mahnt mehr deutsche Importe oder eine andere Wirtschaftspolitik an. Merkel will ihm mit einem “TTIP light” entgegenkommen.
- Nord Stream 2. Auch hier ist Merkel in der Defensive – Trump wirft ihr vor, Osteuropa zu übergehen und Deutschland abhängig von Russland zu machen. Merkel will ihr mit einem härteren Kurs gegen Moskau entgegenkommen.
- Verteidigung: Hier geht es um das 2-Prozent-Ziel der Nato. Merkel hat es unterzeichnet, ohne politische Unterstützung und die nötigen Finanzmittel zu sichern. Dennoch will sie Trump auch hier entgegenkommen.
- Klima: Trumps ist aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen – Merkel ist im Begriff, die Klimaziele zu verfehlen. Deshalb kann sie kaum für “Paris” werben, wie Macron es tut. Also dürfte sie das Thema aussparen.
In all diesen Fragen erscheint Deutschland als “free rider”, als Trittbrettfahrer, der Wasser predigt und Wein trinkt. Merkel dürfte versuchen, diesen Eindruck mit Argumenten zu widerlegen – und mit Pädagogik.
Ob ihr das gelingt, muss sich noch zeigen. Fest steht schon jetzt, dass Deutschland nicht mehr als geborene “Führungsnation” in Europa dasteht – sondern als das schwächste (und defensivste) Glied der EU…
Diese Schwäche darf sich aber nicht in faulen Kompromissen mit Trump niederschlagen. Es darf keinen deutschen Deal unter amerikanischem Druck geben – und schon gar keinen, der zu Lasten der gesamten EU geht.
Das zumindest sollten wir aus dem Flüchtlingsdeal gelernt haben…
P.S. Die These vom “schwächsten Glied Deutschland” wird auch in der “Washington Post” vertreten, eine Zusammenfassung findet sich in der “Süddeutschen”. Dieser Blogpost erschien allerdings VOR den anderen Artikeln…
Thomas
27. April 2018 @ 20:35
Merkel gibt immer nach. Und bezahlt mit der Substanz Deutschlands. Die Deutschen scheint das nicht zu stören.
Thomas
27. April 2018 @ 20:33
Deutschland braucht die USA. Als Markt und als Schutzmacht. Die USA brauchen Deutschland nicht.
China braucht die USA. Als Markt. De USA brauchen China nicht.
Klar wie das ausgeht.
Peter Nemschak
27. April 2018 @ 22:07
Nicht Deutschland aber Europa. Die USA sind eine defending nation, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Der Westen ist in der Defensive.
Peter Nemschak
27. April 2018 @ 14:08
Was schlecht für Deutschland ist, muss auf Grund des wirtschaftlichen Gewichts Deutschlands auch schlecht für die EU sein.
ebo
27. April 2018 @ 14:44
Ein Abbau des chronischen Leistungsbilanz-Überschusses wäre nicht schlecht für Deutschland, ganz im Gegenteil. Auch eine geringere Abhängigkeit von der Autoindustrie wäre durchaus wünschenswert. Und dass Merkel den Klimaschutz schon abgeschrieben hat, ist ein Geburtsfehler ihrer neuen Regierung.
Peter Nemschak
27. April 2018 @ 19:24
Nachdem es schwierig wäre die Spargewohnheiten der Deutschen zu ändern, wäre eine von manchen Ökonomen vorgeschlagene Alternative, negative Targetsalden mit Vermögenswerten der Schuldner unterlegen zu lassen. Das würde für letztere einen Anreiz bieten, eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, welche ihre Defizite gegenüber dem deutschen Handelsüberschuss verringern würde.
Herbert Hensler
27. April 2018 @ 11:43
die bisher gezeigte Beratungsresistenz der Kanzlerin zahlt sich bestimmt nicht aus,
solange sie hier nicht ihre Hausaufgaben macht. Immer nur auf das Begehren von Banken und Großindustrie zu reagieren schadet Europa mehr als es nutzt.