Deutsches Powerplay
Eklat beim EU-Gipfel: Kanzlerin Merkel fordert, die Schlussfolgerungen umzuformulieren. Wie man hört, passen ihr drei Punkte des Entwurfs nicht. Damit brüskiert sie nicht nur den Zeremonienmeister Van Rompuy, sondern riskiert auch eine Verlängerung des Dinners in die tiefe Nacht hinein.
Der Streit kreist wieder einmal um die Budgetdisziplin. Merkel möchte sie unbedingt herausstreichen, Frankreichs Hollande fordert Solidarität. Der Fachdienst Euractiv stellt es so dar:
Un diplomate allemand a indiqué que la discipline budgétaire était essentiel et que Berlin pousse pour faire apparaître cette idée dans les conclusions.
Côté français, on indique chercher un “équilibre entre la ligne de la plus grande contrainte et la ligne de la plus grande solidarité.”
Difficile de dire à ce stade ce qui pourrait ressortir de concret du sommet, après la décision sur l’union bancaire de la nuit dernière.
Dahinter steckt ein deutsches Powerplay. Schon im Vorfeld des Gipfels hatte Merkel sowohl Van Rompuys Vorlage für einen Umbau der Währungsunion als auch einen ersten Entwurf der Schlussfolgerungen in der Luft zerrissen. Dass Van Rompuy sich mit allen 27 EU-Staaten abgestimmt hatte, störte Merkel wenig.
In den deutschen Medien ist von alldem wenig zu lesen. Die meisten stellen es so dar, als habe Van Rompuy Merkel “provoziert” (so die “Süddeutsche”), und als habe nun plötzlich der “Reformeifer” nachgelassen. Von diesem Gipfel sei nun wirklich nichts zu erwarten, hieß es – dabei droht nun massiver Streit.
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marty
17. Dezember 2012 @ 21:31
@Johannes: Ja, auch SPD & Grüne machen in der Euro-Krise eine schlechte Figur. Ihr größter Fehler ist, dass sie der inkompetenten Kanzlerin praktisch ohne Gegenleistung Zwei-Drittel-Mehrheiten für ihre destruktive Euro-Politik verschaffen. Der vorerst “tiefste Tiefpunkt”: die rot-grüne Zustimmung zum verfassungswidrigen Fiskalpakt. Aber um das berühmte Bertolt-Brecht-Zitat (“Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?”) abzuwandeln:
Was ist die rot-grüne Beihilfe zur verpfuschten Euro-Rettung gegen die von Kohl, Genscher und Waigel vermurkste Euro-Gründung? Nach dem schrecklichen Ur-Fehler von Maastricht kann man den Rest eigentlich “nur” noch als Folgefehler bezeichnen. −
“Wäre das mit den Bonds+automatischer Rauswurf was für dich?”
Über Euro-Bonds kann man nachdenken − aber sie bieten keine Lösung, nur eine winzige Symptom-Linderung. Es ist natürlich schlimm, dass die Südeuropäer sich nur gegen teure Zinsen refinanzieren können. Aber viel schlimmer ist doch, dass Südeuropa in einer viel zu teuren Währung gefangen ist! Die Südstaaten bluten ökonomisch aus und verlieren täglich Wettbewerbsfähigkeit und Industrie-Potential. Schau Dir z.B. mal ein paar sehr interessante (wenn auch trockene) Daten zum Kollaps Portugals an (http://www.querschuesse.de/portugal-nichts-geht-voran/ ). Ein Blick auf die Ex-DDR zeigt, was mit einem brutal deindustrialisierten Land passieren kann … −
Hmm, ist der “automatische Rauswurf” zum Schutz des Nordens oder als Bestrafung der Südis gedacht? In beiden Fällen ist “automatisch” aber das Gegenteil von “rechtsstaatlich” − ich zucke jedes Mal zusammen, wenn das Brüsseler Politbüro mit “automatischen Sanktionen” angelaufen kommt …
marty
15. Dezember 2012 @ 19:56
@Johannes: Ich beginne zu ahnen, wo Dein Groll herkommt − aber der richtige Adressat ist nicht Brüssel, sondern die anderen “B’s”: Berlin, Bonn und Braunau! −
Zur “Zähmung”: Ja, die Einbindung / Zähmung Deutschlands war einer der Hauptaspekte der europäischen Einigung − es hat keinen Sinn, das zu leugnen. Aber dafür gibt es schließlich einen guten Grund: Deutschland ist ein riesiges Land − und es hat im letzten Jahrhundert zwei Mal wütend um sich geschlagen. Die dabei angerichteten Schäden sind teils irreversibel (schau Dir mal Osteuropa an). Es geht hier NICHT darum, dass wir uns in unserer Kriegsschuld suhlen − aber wir müssen anerkennen, dass wir schon 6 (!) Jahre nach Weltkrieg & Holocaust wieder in den Schoß der europ. Familie aufgenommen wurden (Gründung der EGKS 1951). Serbien, das einen deutlich kleineren Völkermord begangen hat, steht deutlich später immer noch draußen im Regen. −
1990 war der Zweite Weltkrieg noch sehr aktuell − die damalige Politiker-Generation war von ihm geprägt (Mitterand *1916 − Kohl *1930). Die Angst war groß, dass das vereinigte Deutschland wieder “auftrumpfen” würde − was auch prompt geschah (vgl. Genschers Vorpreschen bei der Anerkennung Kroatiens 1991 sowie die Explosion des Rechtsextremismus ab 1990). Also wollten Mitterand (und andere) Deutschland noch stärker einbinden.
Helmut Kohl finanzierte die deutsche Einheit auf Pump − was bald zu einer Hochzins-Politik der Bundesbank führte (die andere Länder dann nachvollziehen mussten). Wenn Du so willst, hat also fast ganz Europa die Zeche für Kohls ökonomischen Dilettantismus (mit-)bezahlt. − Was den Euro angeht (der von der deutschen Wirtschaft massiv gefordert wurde), so haben uns Kohl & Co. eiskalt getäuscht: eine Währungsunion ist IMMER eine Haftungs- und Transferunion − “no bailout” war ein Ammenmärchen (genau wie Kohls “blühende Landschaften”). Ja, wir wurden getäuscht, aber nicht von “Brüssel”, sondern von Helmut K.
Johannes
16. Dezember 2012 @ 21:27
Genau, Kohl hat uns getäuscht, und das Schlimmste für mich, ausgrechnet SPD/Grüne haben uns AUCH getäuscht. Von der CDU erwarte ich nichts anders ,aber von den Grünen?
Und genau DIE wollen Euro-Bonds. Na toll, jetzt hab ich erst Recht vertrauen in diesen Weg.
Brüssel hat auch weggeschaut, man wurde von GR gewarnt, es gab immer wieder Experten, die auf die Konstruktionsfehler hinwiesen.
Wäre das mit den Bonds+automatischer Rauswurf was für dich?
marty
14. Dezember 2012 @ 18:45
@Johannes: Eigentlich ist diese Schuld-Debatte nicht zielführend … aber da Du (zusammen mit der deutschen Mainstream-Presse) derart insistierst, zwei kurze Gedanken dazu.
(1) In einer gesunden Solidargemeinschaft (Musterbeispiel: Familie) wird bei akuten Problemen nicht über Schuld, sondern über Lösungen gesprochen. Diese verbissene deutsche Schuld-Debatte (“wir, die anständigen und fleißigen Deutschen − die bösen & faulen Südländer”) zeigt, dass sich Deutschland mental längst aus dieser Solidargemeinschaft verabschiedet hat.
(2) Da Deine Sichtweise weit verbreitet ist, erhärtet sich ein trauriger Verdacht: eine Währungs- und/oder Fiskalunion kann nicht über ethnische Grenzen hinweg funktionieren. Siehe dazu Belgien, Kanada, Spanien, Tschechoslowakei etc. −
Auf kommunaler Ebene klappt das (Gewerbesteuern aus einem Stadtteil werden ja auch in anderen Stadtteilen ausgegeben), innerhalb von Bundesländern auch (in Oberbayern stört sich kaum jemand an der “Umverteilung” Richtung Oberfranken). Kritischer wird’s schon beim Länderfinanzausgleich (vgl. die bayerische Hetze gegen die “faulen” Ossis, die dann auch noch frech die “falsche” Partei wählen). Aber irgendwie kann man in DE immer noch sagen: “Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr.”
Auf EU-Ebene ist diese Sichtweise komplett verschwunden. Dort herrscht eiskaltes “othering” (http://de.wikipedia.org/wiki/Othering ).
Tragische Ironie bei dem Ganzen: Deutschland (in Gestalt von Frau M.) tritt in Europa genau so auf, wie Mitterande es in seinen schlimmsten Alpträumen befürchtete. Deswegen seine Idee mit dem Euro (um Deutschland “einzubinden” und zu “zähmen”) … quelle tragédie!
Johannes
14. Dezember 2012 @ 22:03
zu 1: Wir haben Rettungspakete, die dürfte es ja nicht geben, wenn du recht hättest.
zu 2: Ja, absolut, die ersten 10 Jahre Euro haben uns allen gezeigt, man kann der Politikelite der EU nicht trauen. Den Blankocheck Nummer 1 hat man missbraucht, jetzt schauen wir Bürger genau hin. Das kann ja wohl kein Vorwurf von dir sein!
Beim Länderfinanzausgleich gibt es Probleme, ist aber für mich kein Thema. Deutschland ist ein Land, alles gut, von diesen dummen Ost-West Vergleich der Presse halte ich nichts. Aber ja, beim Europa habe ich Probleme, zu Recht.
Schön das du erwähnst, dass man mit dem Euro Deutschland “zähmen” wollte.
Ich habe schon gesagt, jeder muss über seinen Schatten springen. Ich sage ja zu Euro-Bonds und ihr sagt Ja zum automatischen, unanfechtbaren Rauswurf aus der Eurozone …
Blankochecks wie 99 gibt es nicht mehr.
melina
14. Dezember 2012 @ 01:30
@Johannes
Die neoliberale Politik der Bundesregierung, angefangen von Rot/Grün (und früher)
bis heute, ist in der Tat schuld an der Verelendung der südeuropäischen Länder. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Dass sich diese Länder zu Recht endlich zur Wehr setzen, braucht einen nicht mehr zu wundern.
Wer sich diesen Einsichten beharrlich verweigert, dem wird auch Eric nicht helfen können. Ich jedenfalls bin sehr dankbar für Informationen abseits des Mainstreams.
ebo
13. Dezember 2012 @ 23:00
@ Johannes Wer redet von Schuld? Du solltest endlich mal zur Kenntnis nehmen, dass die EU aus 27 Staaten besteht, nicht nur einem. Merkel hat Van Rompuy höchstpersönlich ausgewählt. Und nun lässt sie ihn permanent auflaufen. Merkel möchte Monti in Rom an der Macht halten. doch wehe, er muckt gemeinsam mit Hollande auf, dann gibt es Kontra. Das ist die Lage, Ende offen. Ich versuche, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, den die meisten Medien in Deutschland längst nicht mehr bieten. Wenn es dir nicht passt, liest doch eine Mainstream-Zeitung. Da hat Merkel immer Recht. garantiert. Selbst wenn sie heute das Gegenteil sagt von dem, was noch gestern galt (siehe ESM, Bankenunion, Griechenland, Energiewende etc. pp). Und Deutschland setzt sich immer durch, garantiert.
Johannes
14. Dezember 2012 @ 18:17
Deutschland setzt sich immer durch? Wir müssen schon einen Teil der Schulden übernehmen, und es wird noch viel viel mehr werden. Deutschland setzt sich immer durch, ja klar.
ebo
14. Dezember 2012 @ 20:39
So melden es die deutschen Medien. Auch diesmal hat Merkel wieder alles richtig gemacht…siehe SPON: “Kanzlerin Merkel setzt sich durch”
Johannes
13. Dezember 2012 @ 22:55
Warum über sowas aufregen noch lesen, Deutschland ist doch an allem Schuld Eric, das schreibst du in fast jedem Artikel. Also was solls, wir sind doch eh der Buhmann 😉