Der Weg der EU in den Krieg (4): Das Ende der Friedensunion

Am 9. Dezember 2012 bekam die EU den Friedensnobelpreis. Knapp elf Jahre später unterstützt sie die Ukraine im Krieg gegen Russland. Wie konnte es dazu kommen? Was waren die wichtigsten Wendepunkte? Ein kritischer Rückblick in zehn Folgen. – Teil 4: Das Ende der Diplomatie.

Mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine war der Frieden in Europa (wieder einmal) verloren. Doch die EU machte sich keine Gedanken darüber, wie es dazu hatte kommen können – oder wie man den Frieden schnell wiederherstellen könne. Stattdessen brach sie das größte Tabu: Waffenlieferungen. Zur Selbstverteidigung werde man Geld für Waffen bereitstellen, hieß es in Brüssel – nachdem Deutschland das Verbot der Lieferung von Waffen in Krisengebiete aufgehoben hatte. “Zeitenwende” hieß das damals…

Die eigentliche Abkehr von der Friedensunion kam jedoch erst später. Sie erfolgte in zwei Etappen: Erst versäumte die EU die Gelegenheit, sich einer Vermittlung unter Leitung des damaligen israelischen Regierungschefs Bennett anzuschließen.

Borrell und das Schlachtfeld

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Anfang März hatte Bennett mit Sondierungen in Kiew und Moskau begonnen, sein Friedensplan sah eine neutrale Ukraine und Garantien für Präsident Selenskyj vor. Doch EU-Chefdiplomat Borrell war nicht dabei, Deutschland und Frankreich zögerten.

Schließlich wurde der Plan von Großbritannien und den USA abgeschossen. Nach der Aufdeckung des Massakers von Butscha Anfang April brachen die Gespräche zusammen. Nun sollte auch die eigentliche Wende in der EU kommen.

Borrell erklärte nach einem Blitzbesuch in Butscha, der Krieg werde auf dem Schlachtfeld entschieden – und nicht am Verhandlungstisch. Zudem werde man noch mehr Waffen schicken. Damit hat sich die Friedensunion verabschiedet.

Wohlgemerkt, das war im April 2022. Seither sind neun Monate vergangen, doch die “maßgeschneiderten” Waffen für die Ukraine haben immer noch kein Ende des Krieges gebracht.

Neuerdings heißt es zwar, Waffenlieferungen seien der einzige Weg zu Verhandlungen und zum Frieden. Erst wenn die Ukraine militärisch überlegen sei, könne die Diplomatie zum Zuge kommen.

Doch dieses Argument ist unlogisch. Warum sollte Selenskyj mit Zar Putin verhandeln, wenn er militärisch am Drücker ist? Im Sommer 2022, als es für die Ukraine ganz gut lief, gab es keine Gespräche.

Kein Anreiz für Verhandlungen

Aufrichtig ist dieses Argument auch nicht. Denn mittlerweile hat die EU der Ukraine nichts weniger als den “Sieg” und die Rückeroberung des gesamten Territoriums versprochen, die Krim eingeschlossen.

So steht es auch in der ukrainischen “Friedensformel”, die die EU unterstützt. Damit gibt es aus Brüssel keinen Anreiz (“incentive”) mehr für Kiew, überhaupt noch Verhandlungen mit Moskau zu suchen.

Im Gegenteil – jetzt diskutiert man im Europaparlament schon über die Nach-Putin-Ära und die “Dekolonisierung” – sprich: Zerschlagung – Russlands. Das verheißt noch mehr Chaos und Krieg, sogar “Politico” warnt vor “Libya with Nukes”

Siehe auch “Die brandgefährlichen Kriegsziele von Melnyk & Co.” sowie “Der Abschied vom Frieden”

P. S. Nicht einmal der EU-Beitritt, der im Frühjahr vorbereitet wurde, wurde an Frieden geknüpft. Doch dazu mehr in der nächsten Folge…