Der K(r)ampf gegen die Inflation, die Wahl in Frankreich – und Streit um den Verbrenner
Die Watchlist EUropa vom 10. Juni 2022 –
Nicht zwei, nicht drei, sondern 6,1 Prozent – so hoch lag die Inflationsrate in der EU im ersten Quartal 2022. In einigen Ländern wie Estland ist sie sogar auf fast 20 Prozent hochgeschnellt – weit entfernt vom Zwei-Prozent-Ziel, das sich die Europäische Zentralbank gesetzt hat. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht, trotz der nun angekündigten Zinswende. Denn die Inflation wird vor allem von den Energiepreisen angetrieben. Und die EU tut sich schwer, etwa gegen die Preisexplosion bei Gas, Öl und Strom zu tun. Sie heizt sie sogar selbst an.
So stieg der Ölpreis nach der Ankündigung des EU-Gipfels, ein Ölembargo gegen Russland einzuführen. Die Märkte hätten den Importstopp zwar teilweise eingepreist, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. “Aber natürlich können die Preise auch deutlich nach oben gehen.“
Seit Jahresbeginn haben die Ölpreise schon um mehr als 50 Prozent angezogen. Ähnlich kritisch ist die Lage beim Gas. Auf dem Gasmarkt hat die Preisexplosion sogar schon vor dem Krieg in der Ukraine und der Sanktionspolitik begonnen. Doch die EU fand kein Gegenmittel.
Schon im Oktober 2021 befassten sich die Staats- und Regierungschefs auf einem Gipfeltreffen in Brüssel mit der Energiepreiskrise. Spanien und Frankreich verlangten einen Preisdeckel, auch die Forderung nach einer Reform des europäischen Energie- und Strommarkts wurde laut.
Der Strompreis richtet sich nämlich nach dem teuersten Energieträger, derzeit Gas. Deshalb ist der Strom selbst in jenen Ländern teuer, die ihn relativ billig selbst produzieren. Doch die EU konnte sich bis heute nicht auf durchgreifende Reformen einigen.
Angst vor der “Greenflation”
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Zu mehr als einer Ausnahmegenehmigung für Spanien und Portugal hat es nicht gereicht. Bis Ende Mai 2023 dürfen beide Länder zusammen Zuschüsse im Wert von knapp 8,5 Milliarden Euro an Stromerzeuger auszahlen und so die Energiepreise deckeln, entschied die EU-Kommission.
Für zusätzlichen Preisdruck sorgt die Klimapolitik. Mit dem „European Green Deal“ und Instrumenten wie dem Emissionshandel will die EU dafür sorgen, dass Gas und Öl teurer, grüne Energien hingegen billiger werden. Das ist gut fürs Klima, hilft jedoch nicht gegen Inflation.
In Fachkreisen geht schon die Angst von der „Greenflation“, der „grünen Inflation“, um. Die EU hat dafür zwar noch keine Beweise gefunden. Experten weisen jedoch darauf hin, dass Öl- und Gasfirmen in den USA ihre Investitionen zurückfahren, da sie keine Geldgeber mehr finden. Dadurch sinkt das Angebot, der Preis steigt.
Steigende Zinsen, höhere Spreads
Der EZB sind die Hände gebunden. Denn auf die Entwicklung am Energiemarkt hat sie keinen Einfluß, außerdem unterstützt EZB-Chefin Christine Lagarde den „Green Deal“. Wenn sie nun mit höheren Zinsen gegensteuert, so geht sie ein neues Risiko ein: Für einige EU-Länder könnte die Schuldenlast zu groß werden.
Mit steigenden Zinsen wächst nämlich auch der Schuldendienst, den hochverschuldete Staaten wie Italien oder Griechenland leisten müssen. Eine neue Eurokrise droht zwar noch nicht. Doch die „Spreads“, also die Zinsdifferenzen in der Eurozone, steigen bereits wieder.
Die EU hat zu lange gezögert und die Inflation laufen lassen. Nun klingeln alle Alarmglocken. Zentrale Politikziele wie die Preisstabilität, der Klimaschutz und die (Anti-)Russland-Politik lassen sich kaum noch miteinander vereinbaren, Europa droht ein heißer Herbst.
Siehe auch “Chacun pour soi bei der Energie”. Mehr zur Inflation hier
Watchlist
Kann die vereinigte Linke in Frankreich Präsident Macron gefährlich werden? Dies dürfte sich beim ersten Durchgang der Parlamentswahl am Sonntag zeigen. Die Umfragen zeigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Macrons Bewegung “La République en Marche” erreicht laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Harris interactive vom 7. Juni 26 Prozent und liegt damit in Führung. Mit 24 Prozent liegt das Linksbündnis NUPES auf Rang zwei. Abgerechnet wird allerdings erst anch dem 2. Wahlgang am 19. Juni.
Was fehlt
Der Streit um den Verbrenner. Nachdem sich das Europaparlament am Mittwoch knapp für ein “Aus” des Verbrennungsmotors ab 2035 ausgesprochen hat, muß nun auch die Bundesregierung Farbe bekennen. Denn das Parlament muß sich mit den 27 Eu-Staaten einigen. Die FDP begehrt jedoch auf – sie will Ausnahmen etwa für E-Fuels. Demgegenüber bestehen die Grünen in Berlin, genau wie in Brüssel, auf dem Ausstieg. Wenn man sich nicht einigt, könnte am Ende das “German Vote” stehen – eine Enthaltung… Mehr hier
european
11. Juni 2022 @ 09:02
Immer wieder erfrischend: Thomas Fricke mit dem „anderen Blick auf Boom und Krisen.“
„Wenn im Prinzip richtig ist, davor zu warnen, dass sich über stetig hochschraubende Lohnforderungen eine Lohn-Preis-Spirale entwickeln könnte, ist es mindestens so legitim, vor dem zweiten Part zu warnen: dass Unternehmen die Inflation per Gewinnexzess treiben – nur weil Verbraucher kaum Ausweichmöglichkeiten haben. Mit dem Unterschied, dass es für die Lohninflation bei uns bisher wenig Belege gibt – für die pathologische Inflation der Profite aber schon.“
So ist es!
european
11. Juni 2022 @ 09:03
Nachtrag: Es gibt auch noch einen link dazu
https://neuewirtschaftswunder.de/2022/06/10/thomas-fricke-steuern-auf-krisengewinne-die-pathologische-inflation-der-profite/#respond
european
10. Juni 2022 @ 14:59
Die EZB reagiert m. E. überwiegend auf deutschen Druck und das ist falsch. Man darf gespannt sein, wann sie die Zinsanhebungen wieder zurücknehmen muss. Gas geben und gleichzeitig auf der Bremse stehen führt nicht zum Erfolg.
Wir haben keine Inflation im Sinne der Geldpolitik. Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist immer noch hoch, sodass keine Gefahr besteht, dass Gewerkschaften ueberschnappen koennten und exorbitante Löhne fordern. Entlastungsverguetungen seitens der Regierungen wirken da auch entspannend. Die Investitionen halten sich auch noch sehr in Grenzen. Es droht wahrlich keine Überhitzung.
Dass diese planlose Sanktionitis uns auf die Füße fallen wird, war vorher bekannt. Sie ist auch nicht Putin’s Schuld. Das war die freie Entscheidung der EU Länder, bedingungslos den Anweisungen der USA zu folgen.
Aber dafür findet man in Deutschland nicht nur kein Gehör, man läuft Gefahr, Ziel einer Treibjagd zu werden. Jüngstes Beispiel Ulrike Guerot. Hörenswerter podcast der NDS.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=84676
Alexander
10. Juni 2022 @ 15:54
“man läuft Gefahr, Ziel einer Treibjagd zu werden.”
Offenbar (und wenig überraschend) gibt es weitere Betrebungen komplette Portale verschwinden zu lassen! Hier ein Artikel, in dem auch ein Name fällt, den zumindest ich als “irgendwie links” abgespeichert hatte:
https://thegrayzone.com/2022/06/07/paul-masons-covert-intelligence-grayzone/
SIE scheinen irgendwie überall ihre U-Boote zu haben?
Helmut Mueller
10. Juni 2022 @ 13:02
Der Green Deal ist ein weiterer Raubzug – nichts anderes. Die Preise haben sich verdoppelt seit 2011/12 – obwohl der Marktpreis für Öl damals noch höher war.
Wer kassiert die Kohle der Emissionen eigentlich ? – oder besser SCHAUFELT die Kohle . . . – die Eigentümer des Globus ??
Holly01
11. Juni 2022 @ 08:25
Mit der Euroeinführung hat man das Konzept bereits einmal benutzt und die 0,1% waren ausgesprochen zufrieden.
Da hieß es ja auch, das wäre alles Unsinn. Es gäbe keinen Teuro und das wäre nur “gefühlt” weil sich die Preise halbiert und die Leute das “Gefühl” für die Realität verloren hätten.
Kaum 10 Jahre weiter hat sich der Geldwert schlapp halbiert.
Das Narrativ, also was man da herumerzählt ist auch egal.
Gefühlte Inflation, Klimakrise, Fridays for Future, Corona, Ukrainekrieg das ist ja alles Kulisse.
Doch das gibt es auch alles als (teilweise sehr bedrückende) Wirklichkeit.
Aber es ist eben auch Kulisse für ein Stück, das seit 40 Jahren aufgeführt wird und dieses Stück heißt und bedeutet “Neoneoliberalismus” und besteht aus einer extremen Verarmung weiter Teile der Gesellschaft, einer Enteignung der Gesellschaft und damit verbunden einer Hand voll Gewinner aus diesem Krieg gegen die Gesellschaft.
Da kommt auch nichts mehr mit dem Tankrabatt.
Da zahlen wir jetzt alle 3 Monate den Preis wie gewünscht plus 30 Cent über die Staatskasse.
Das ist wie CumEX und CumCumEx.
Es ist “Sittengesetz” das wir Teil der US Hegemonie sind und da ist es natürlich logisch das wir alles notwendige tun, damit diese Hegemonie auch morgen noch weiter besteht.
Wer das nicht versteht und unterstützt verstößt gegen eine ethisch, logische Wirklichkeit die sich selbst erklärt und kann nur ein Spinner sein der wahlweise dumm, gefährlich oder krank ist.
Können Sie einmal ausprobieren.
Unterwerfen Sie alles der Logik des Imperiums und schon ist alles rund, funktioniert und muss so sein.
Dann kann man nur den Wünschen der USA entsprechen, weil das ja nur zum eigenen Wohl ist.
Das ist sehr entspannend so zu denken.
Holly01
10. Juni 2022 @ 09:51
” Für zusätzlichen Preisdruck sorgt die Klimapolitik. Mit dem „European Green Deal“ und Instrumenten wie dem Emissionshandel will die EU dafür sorgen, dass Gas und Öl teurer, grüne Energien hingegen billiger werden. Das ist gut fürs Klima, hilft jedoch nicht gegen Inflation. ”
Da sind ja auch Fragen nach der Finanzierung im Hintergrund.
Photovoltaik rechnet sich für Privatleute innerhalb einer kalkulierbaren Zeit nur ohne Speicher.
Der Ausbau der dezentralen Speicher Kapazitäten ist aber wichtig, weil sonst die Elektromobilität nicht funktioniert. Bei den Privathaushalten sind schlicht weg die Anschlusswerte sonst zu niedrig.
Wenn man Privatleute über den preis zwingt umzurüsten, müssen sowohl die Handwerker, wie das Material vorhanden sein und die Zinsen sollten in einem vernünftigen rahmen liegen.
Niemand investiert bei so einem Umfeld wie es jetzt gegeben ist.
Inflation (durch Spekulation und Störungen der Lieferketten) die im Volumen unberechenbar ist, bringt die Leute nicht auf Kredit vorzufinanzieren.
Diese politische Inflation kann die EZB nicht mir Zinserhöhungen bekämpfen. Das ist Schwachsinn und verzögert nur die Umrüstung.
Zinserhöhungen wären zusätzliche Inflationstreiber und würden Investitionen abwürgen.
Wer so etwas fordert ist entweder dumm oder gewinnt durch die Inflation.
Inflation enteignet Gläubiger, ist also DAS Mittel der Schuldner.
Weltweit größter Schuldner und Verursacher der Handelsprobleme sind die USA.
Die Atlantiker (also die Grünen) wollen nicht nur alles über den Preis steuern, die ruinieren mit den Zinsforderungen zusätzlich den Mittelstand (oder das was davon noch über ist).