Der Hoffnungsträger

Er hat schon jetzt die EU-Debatte verändert

Deutschland und Frankreich wollen ihre Grenzen für illegale Einwanderer dicht machen. Kurz vor dem ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl in Frankreich präsentierten die Innenminister Friedrich und Guéant eine gemeinsame Initiative, die man getrost als Wahlkampfmanöver bezeichnen darf. Sie zeigt wieder einmal, welches Europa unter konservativer deutsch-französischer Führung zu erwarten ist. Mehr denn je ruht die Hoffnung auf einen Wandel auf dem Sozialisten Hollande.

Ist es das, was Kanzlerin Merkel meinte, als sie Präsident Sarkozy zu Beginn des Wahlkampfs uneingeschränkte Unterstützung zusicherte? Paris und Berlin wollen ihre Binnengrenzen künftig 30 Tage dicht machen können, wenn eine Flüchtlingswelle aus anderen EU-Ländern – z.B. Griechenland – anrollt. Einen entsprechenden Brief, der offenbar in Paris und auf französisch abgefasst wurde, haben beide Länder an den dänischen EU-Vorsitz gerichtet.

Die EU-Kommission bemühte sich heute, den Vorstoß zum “Debattenbeitrag” herunterzuspielen. Dabei ist klar: Wenn Sarkozy wiedergewählt wird, muss sich Brüssel auf weitere Alleingänge dieser Art einstellen. Der deutsch-französische Putsch beim Dezember-Gipfel, der im neuen Fiskalpakt neben der EU mündete, war erst der Anfang. Zu dem Spardiktat werden sich, wenn es so weiter geht, noch ein paar andere Merkozy-Zumutungen und -Ukasse gesellen.

Zum Glück gibt es eine Alternative. Sarkozys Herausforderer Hollande, der in den Umfragen weiter vorn liegt, ist mehr denn je Hoffnungsträger für ein anderes, weltoffenes Europa, in dem nicht nur das Gesetz des Stärkeren gilt. Sein Wahlprogramm reißt mich zwar nicht vom Hocker, manche Forderungen wie eine 75-Prozent-Steuer für Millionäre sind kaum mehr als linker Populismus. Doch ohne Hollande gäbe es in der EU keine Hoffnung auf Wandel.

Schon jetzt hat es der gemäßigte Sozialist geschafft, eine Debatte über den Fiskalpakt loszutreten und die Forderung nach Wachstumsinitativen populär zu machen. Sarkozy, Merkel, der britische Premier Cameron und sogar die EU-Kommission überschlagen sich plötzlich mit immer neuen Wachstums- und Beschäftigungsplänen, sogar Außenminister Westerwelle lehnt plötzlich die (von Berlin vorgegebene) einseitige Orientierung aufs Sparen und Streichen ab.

Auch für viele Leser dieses Blogs ist Hollande ein Hoffnungsträger. Auf die Frage, ob die Wahlen in Frankreich Europa verändern werden, antworteten 40 Prozent mit Ja – und weitere 30 Prozent mit Vielleicht,  wenn Hollande siegt. Die größten Erwartungen (22 Prozent) richten sich dabei auf Hollandes Forderungen zum Fiskalpakt. Nur 3,5 Prozent der Leser glauben, dass Berlin allein die EU-Agenda bestimmt, und nur 6 Prozent, dass Hollande zu schwach für einen Kurswechsel sei.

Allerdings glauben beachtliche 19 Prozent, dass die Frankreich-Wahl letztlich doch nichts ändert, weil die Finanzmärkte in Europa das Sagen haben. Die Wetten gegen Hollande laufen schon, und sie werden von Merkel & Co fleissig angefeuert…

 

 

kostenloser Counter

Twittern