Debatte statt Diktat
Die Genossen wollen die Kanzlerin zappeln lassen
Die Debatte um Fiskalpakt und ESM wird doch noch spannend. Denn zum ersten Mal hat SPD-Chef Gabriel angedeutet, dass er vor einer Zustimmung zu Merkels Plänen zur Euro-Stützung die Wahlen in Frankreich abwarten will. Auch die Grünen in Österreich knüpfen plötzlich Bedingungen an ihr Ja zum erweiterten Euro-Rettungsschirm ESM. Erleben wir doch noch so etwas wie ein Erwachen der Opposition, vielleicht sogar einen Paradigmenwechsel in Europa?
Ich plädiere in diesem Blog schon seit einiger Zeit dafür, die Debatte über die “Rettung” des Euro zu erweitern und zu politisieren. Nachdem die europäische Rechte die Reihen um Merkozy geschlossen hat und ihre Politik als “alternativlos” verkaufen will (siehe “Angst vor Alternativen”), wird es höchste Zeit, dass Sozialdemokraten, Grüne und Liberale sich für ein Gegenmodell einsetzen und es europaweit propagieren.
Allerdings war die Position der deutschen SPD bisher nicht eindeutig; ob sie den Mut finden würde, Merkozys Herausforderer in Frankreich, den liberalen Sozialisten Hollande, zu unterstützen, war fraglich (siehe “Hollande und die drei ???”). Doch das scheint sich gerade zu ändern. Nach einem Bericht des “Spiegel” will sich Gabriel, der kürzlich auf einem Strategietreffen in Paris war, bei der Bundestags-Entscheidung über die nächsten Schritte zur Stützung des Euro Zeit bis nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich lassen.
Sollte er dies ernst meinen, könnte die deutsche SPD Merkels Fiskalpakt solange blockieren, bis die Kanzlerin den Forderungen der Genossen auf beiden Seiten des Rheins nachkommt: Also Neuverhandlung des Fiskalpakts bzw. Ergänzung um einen Wachstumsplan, Einführung einer Finanztransaktionssteuer, Ende der Begünstigung der Banken durch die EZB etc. Ähnliche Forderungen stellen nun auch die Grünen in Wien für ihre Zustimmung zum erweiterten ESM auf.
Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es wirklich so kommt. In einem bemerkenswerten gemeinsamen Interview, das Hollande und Gabriel der FAZ gegeben haben, jedenfalls ist von einer aktiven Blockadepolitik nicht die Rede. Nicht einmal beim Thema ESM und Wachstum sind sich die Genossen einig. Außerdem ist Gabriel vermutlich zu schwach, um sich gegen Fraktionschef Steinmeier durchzusetzen, der Merkel entgegenkommen möchte und offenbar auf eine neue große Koalition setzt.
Im Zweifel, so zeigt jedenfalls die Wahl im Saarland, marschiert die SPD doch lieber mit der CDU, statt ihre eigenen Ziele ernst zu nehmen (siehe Augsteins Kolummne “Lieber tot als rot”). Immerhin ist nun eine deutsch-französische und paneuropäische Debatte eröffnet – jenseits des konservativen Merkozy-Diktats. Ob daraus ein “Paradigmenwechsel” wird, wie H. Huett auf “Wiesaussieht” schreibt? Schön wär’s!
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Mac
30. März 2012 @ 14:32
Die SPD und Grüne werden einknicken, das ist meine große Angst. Die Kosten werden wir Bürger wie immer in diesem “neuen” Europa tragen. Immer gegen die eigenen Bürger, und sich dann beshweren, die Bürger würen sich von dem herlichen Europa der Politiker in Brüssel abwenden. Die Banken können schalten und walten, wie sie wollen, Brüssel schützt sie gerne, die Ausreden lauten dann “alternativlos, Krieg oder Frieden in Europa, Dominoffekt, Lehman-Brothers”. China und Russland sagen auch ständig ihren Bürgern, dass ihr handeln alternativlos ist. China kann also gar nichtmehr so böse und schlimm sein. Ist das dreist? Ja, aber dreist sind “die da” in Brüssel auch. PS: Eurogesetze dürfen gebrochen werden, aber Gesetze zur Freiheit von Kinderschänder selbstverständlich nicht. Brüssel – They don’t give a fuck about us.