Reichenbachs Milliarden-Wette

Der Chef der EU-Task Force ist optimistischer als der Währungskommissar

Griechenland kommt nicht zur Ruhe. Kaum dass das zweite Hilfsprogramm beschlossen ist, fordert EU-Währungskommissar Rehn schon wieder neue Reformen und weitere Fortschritte. Es gehe nicht schnell genug voran, kritisiert der Finne – dabei hatte der Chef der EU-Task Force, der Deutsche Reichenbach, sich gerade erst optimistisch gezeigt. Auch die Task Force untersteht der EU-Kommission – offenbar weiß die linke Hand nicht, was die rechte macht.

Er rechne in den nächsten Monaten mit einem Umschwung zum Besseren, sagte Reichenbach mir in einem Interview in Brüssel. Denn durch das zweite Bailout-Programm sei die Unsicherheit gewichen, die das Land gelähmt und Investoren verschreckt habe. Als Hauptziel nannte Reichenbach die Eintreibung von Steuerschulden. Wenn alles gut geht, sollen 2012 sogar 2 Mrd. Euro zusammenkommen – das wäre mehr als doppelt so viel wie im letzten Jahr.

Hier eine gekürzte Fassung des Interviews, das ich in der taz veröffentlicht habe:

Herr Reichenbach, Sie leiten die EU-Task Force für Griechenland. Sind Sie der Aufbaukommissar, von dem man in Berlin so oft spricht?

Nein, ich sehe meine Aufgabe als technische Unterstützung. Wir helfen der Regierung in Athen dabei, die mit den Hilfsprogrammen verbundenen Auflagen umzusetzen und die Nutzung der EU-Strukturfonds zu beschleunigen. Wir wollen nicht die politische und administrative Hoheit ersetzen, im Gegenteil: Athen muss selbst Verantwortung übernehmen.  

Wie kann die Regierung denn Verantwortung übernehmen, wenn sie keine Weichen stellen darf? Es wird doch alles von den Experten der internationalen Troika vorgegeben.

Der Weg zum Erfolg kann nicht am neuen Anpassungsprogramm vorbei führen. Es gab dafür ja auch eine sehr breite Mehrheit im Parlament. Im übrigen hat Griechenland bereits eine historische ziemlich einmalige Leistung erbracht. Das Primärdefizit wurde mitten in einer Rezession um sechs Prozent reduziert, das hat es noch nicht gegeben. Wenn das Land mit ähnlicher Verve die Strukturreformen angeht, dann ist die Zukunft gesichert.

Zunächst soll Griechenland weiter massiv sparen. Die Troika fordert neue Kürzungen in Höhe von 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie kann da überhaupt Wachstum entstehen?

Zur Troika möchte ich mich nicht äußern. Das zweite Anpassungsprogramm enthält Annahmen zum Wachstum, ab 2014 soll es wieder aufwärts gehen. Ich hoffe sehr, dass diese Schätzung übertroffen wird! 

Nun fordert ja auch die EU-Kommission ein Wachstumsprogramm. Wie viel Geld steht dafür zur Verfügung?

Insgesamt sind bis 2013 aus den Strukturfonds 20 Mrd. Euro vorgesehen. Davon wurden bereits 8 Mrd. Euro ausgezahlt, die Quote liegt über dem EU-Durchschnitt. Wir haben 181 große Projekte identifiziert, jetzt geht es um die Umsetzung.

Was heißt das konkret?

Derzeit arbeiten wir an einer EU-Mitteilung zu der Frage, wie Griechenland wieder auf die Beine kommen kann. Kommissionspräsident Barroso will sie Ende April herausgeben. Wir wollen noch vor den Wahlen in Griechenland das politische Signal geben, dass es konkrete Fortschritte gibt.

Und wie sehen diese Fortschritte aus? 

Bei der Steuererhebung wurde schon einiges erreicht. Im letzten Jahr haben wir unser Ziel übererfüllt: Statt der erwarteten 400 Millionen Euro wurden 949 Millionen an Steuerrückständen eingetrieben. 2012 sollen es sogar 2 Milliarden Euro werden. Allerdings haben wir dieses Ziel noch nicht erreicht. Einige Schuldner sind bankrott gegangen, andere außer Landes…

In Brüssel hört man oft, Griechenland sei ein „failed state“, ein gescheiterter Staat, der von Grund auf neu aufgebaut werden muss. Was sagen Sie dazu?

Griechenland muss auf breiter Front Fortschritte machen. Dazu gehören eine sehr weitreichende Reform der Verwaltung, des Steuerwesens, des Gesundheitswesens sowie Privatisierung, Liberalisierung und Bürokratieabbau. Mit den Kapazitäten des Landes ist das nur sehr schwer zu bewältigen. Das ist ein mühsamer, aber ein gangbarer Weg. Wir sind alle optimistisch, dass Fortschritte erzielt werden und dass die nächsten Monate einen wichtigen Umbruch bringen. 

Was macht Sie denn so optimistisch?

Durch die jüngsten Beschlüsse wurde die Unsicherheit der letzten Monate verringert, die in jeder Hinsicht lähmend war. Und zwar nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich – das Geld floss aus dem Land heraus…

…an den Märkten wird jetzt schon spekuliert, dass Griechenland im Herbst doch noch pleite gehen könnte. 

Das Land braucht jetzt Ruhe und Sicherheit, und keine neuen Spekulationen. Denn das richtet Schaden an, und genau das scheinen manche zu wollen.


 

 

 

 

 

 

 

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