Das “EU-Bashing” eines Europafreunds
Man wirft diesem Blog gelegentlich vor, er zeichne ein (allzu) negatives Bild der EU. Wer das glaubt, sollte den neuesten Beitrag der “Friends of Europe” lesen – einem der mächtigsten Fanclubs in Brüssel.
Deren Gründer und Vorsitzender G. Merritt – ein europhiler Brite (ja, das gibt es noch!) hat nämlich einen Rundumschlag verfasst, der es in sich hat. So geht es los:
If the European Union were to die, some might expect its death certificate to cite inertia. But myopia looks more likely. Short-sightedness risks becoming the European project’s terminal sickness.
Von Todesurkunde, Untätigkeit, Kurzsichtigkeit, terminaler Krankheit spricht Merritt – klingt alles verdammt düster. Auch die “Schlafwandler” werden erwähnt, die Frankreichs Macron in seiner Rede vor dem Europaparlament zitiert hat.
“Schlafwandler am Feuerring” hieß auch ‘mal ein Eintrag in diesem Blog, das ist schon vier Jahre her. Seitdem hat sich nicht viel verbessert – schon gar nicht in der Geopolitik, um die es damals schon ging.
Merritt sorgt sich hier aber nicht um die Ukraine und Syrien, sondern um Wirtschaft und Demografie. Die EU sei in Gefahr, zu überaltern und den technologischen Anschluss zu verpassen, so sein Verdikt.
Dagegen könnten nur massive Investitionen helfen – da ist er sich wieder mit Macron einig. Das laufende EU-Programm (der “Juncker-Plan”), für das sich die EU-Kommission täglich selbst lobt, könne nur als “mere pilot” betrachtet werden.
Und hier das Fazit unseres Europafreunds:
The key point is that more hospitals, schools and houses are needed to accommodate both Europe’s ageing population and also the new blood that immigration can bring. The Keynesian pump-priming effects will re-energise sluggish economies and thus ensure that the EU project recovers its ambitious forward momentum.
Bleibt nur die Frage, an wen sich dieses fulminante “EU-Bashing”, das in Wahrheit “tough love” eines überzeugten Europäers ist, wohl richtet. Ich wage es kaum, einen Namen zu nennen – denn es geht immer um dieselbe…
Kleobulos v. Lindos
26. April 2018 @ 08:36
Meine Vermutung nach wie vor: Merkel arbeitet in Wahrheit für die Amerikaner und hat den Auftrag, die Entwicklung der EU hin zu einem eigenständigen Machtfaktor zu sabotieren.
Peter Nemschak
25. April 2018 @ 21:33
Es geht immer um die Frage, ob sich ein Europa aus dem (wechselnden) Konsens seiner Mitglieder oder supranational bauen lässt. Vieles spricht dafür, dass der Heterogenität der Mitgliedsstaaten am besten intergouvernmental entsprochen werden kann. Ein europäischer Bundesstaat findet wenig Anklang bei den Menschen. In gewissem Sinn waren und sind die Europäer Individualisten. Für ein supranationales Vorgehen bedarf es stichhaltiger Gründe. Es gibt Solidarität, jedoch keine bedingungslose.
Oudejans
25. April 2018 @ 14:25
Ein verlorenes Jahrzehnt and counting.