Das Ende der Einheit – und der wirtschaftlichen Vernunft
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die EU beschließt das sechste Sanktionspaket gegen Russland. Es markiert das Ende der Einheit, Ungarn zieht nicht mehr mit. Das nun verhängte Ölembargo trotzt aber auch der wirtschaftlichen Vernunft.
Auf den ersten Blick ist alles wie immer. Die EU streitet ein wenig über ihren Kurs, doch am Ende findet man einen für alle akzeptablen Kompromiß. Tatsächlich trat am Freitag das sechste Sanktionspaket in Kraft – einstimmig.
Doch diesmal ging ein vierwöchiger heftiger Streit voraus, der das Ende der Einheit im Wirtschaftskrieg markiert. Nicht nur Ungarn stellte sich quer – auch Tschechien, Slowenien, Griechenland und Zypern standen auf der Bremse.
Die Blockade war nur zu lösen, indem die EU die Ölzufuhr durch die Druschba-Pipeline vom Importstopp ausnahm, den Öltransport per Tanker in Drittländer erlaubte und das russische Kirchenoberhaupt verschonte. Das sind viele und wichtige Zugeständnisse.
Sie zeigen, dass das Motiv, Kremlchef Putin zu strafen, nicht mehr zieht. Das liegt nicht nur an einer moralisch verwerflichen “Kriegs-Müdigkeit”, wie Außenministerin Baerbock meint. Dahinter steckt auch die Einsicht, dass die Sanktionen nicht richtig wirken.
Statt wie versprochen Kremlchef Putin in die Knie zu zwingen, schlagen die Strafmaßnahmen nun mehr und mehr auf die deutsche und europäische Wirtschaft zurück. Die Inflation steigt, das Risiko einer Rezession wächst.

Dass das europäische Ölembargo erst zum Jahresende kommt und noch dazu einige Länder und Sektoren ausklammert, zeigt, dass die EU am Ende ihrer wirtschaftlichen Vernunft angekommen ist.
Sogar die USA haben vor diesem Ansatz gewarnt – denn er erlaubt es Putin, sich seelenruhig nach neuen Abnehmern für sein Öl umzusehen, während die Sanktionen den Ölpreis in die Höhe treiben und sogar eine Ölkrise verursachen könnten.
Kommissare gegen von der Leyen
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Was war noch? EU-Kommissionschefin von der Leyen hat Polen bei einem Besuch in Warschau zugesichert, dass bald Geld aus dem Corona-Aufbaufonds fließen soll – und viele rechtsstaatlichen Bedenken beiseite gewischt.
Dafür kassierte sie nicht nur massive Kritik im Europaparlament. Auch mehrere wichtige EU-Kommissare distanzierten sich von diesem Vorgehen. So laut wie diesmal war der Unmut über VDL noch nie…
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P.S. Nun haben wir doch glatt das deutsche “Sondervermögen” für die Aufrüstung der Bundeswehr vergessen. Dabei ist das auch von europapolitischer Bedeutung. Immerhin hatten wir hier einen Beitrag...

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Armin Christ
5. Juni 2022 @ 08:46
Leute die ihre geistige Heimat in Washington wähnen sollten ihre EUropäischen Staatbürgerschaften aufgeben und sich dorthin verziehen. Wir brauchen Politiker und innen, die EUropäische und europäische Interessen im Blick haben und nicht Vasallen Washingtons.