Coronakrise: Willkür zerstört Vertrauen

Die belgische Regierung wollte die Kultur in den Corona-Lockdown zwingen – und ist gescheitert. Mit ihrem erfolgreichen Widerstand setzen die Kulturschaffenden ein Zeichen für ganz EUropa. Ein Kommentar.

Verbotene Weihnachtsmärkte, geschlossene Schulen, nächtliche Ausgangssperren: Immer wieder sorgen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie in der EU für Streit. Doch selten war der Widerstand so spektakulär wie in Belgien, noch nie ist eine Regierung so schnell eingeknickt.

Nur drei Tage dauerte es, bis die umstrittene Schließung von Theatern, Kinos und Konzertsälen einkassiert wurde. Die Gegner des Kultur-Lockdowns waren vor Gericht gezogen und hatten Recht bekommen. Am Mittwoch zog die belgische Regierung die Konsequenz und hob die Maßnahmen auf.

Sie hatte keine andere Wahl. Denn nicht nur die Justiz, auch die Wissenschaft hat sich gegen die Maßnahmen gestellt. Für die Schließung von Kultureinrichtungen gebe es keine epidemiologische Begründung, erklärten Experten, die die belgische Regierung beraten.

Es war eine Willkür-Maßnahme, die Premier Alexander De Croo und seine Kollegen am 22. Dezember aus dem Hut gezaubert haben. Weil sie sich nicht auf einen Teil-Lockdown der Gastronomie einigen konnten und eilig nach Alternativen suchten, vergriffen sie sich an der Kultur.

Unsinnige Maßnahmen

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Theatermacher, Kinobetreiber und Konzertveranstalter sollten die Fehler der Politik ausbaden – doch die wehrten sich. Kurz nach Weihnachten ging die Kulturszene auf die Barrikaden, mehrere Theater und Kinos in Brüssel, Lüttich und anderen Städten verweigerten die Schließung.

Mit ihrem erfolgreichen Widerstand setzen die Kulturschaffenden ein Zeichen, das weit über Belgien hinaus ausstrahlt. Auch in Deutschland, Frankreich und anderen EU-Ländern wird die Kultur immer wieder unsinnigen oder unverhältnismäßigen Corona-Maßnahmen geopfert. Damit muß Schluß sein.

Viele Kultureinrichtungen haben das Risiko von Infektionen mit kostspieligen und wirksamen Hygienekonzepten eingedämmt. Die meisten Kulturschaffenden sind keine Corona-Leugner oder Querdenker, sondern verantwortungsbewußte Bürger.

Kultur ist ein Lebenselixir

Selbst wenn sie gelegentlich über die Stränge schlagen mögen, wie zuletzt die Kabarettistin Lisa Fitz, dürfen sie nicht ins Abseits gedrängt werden. Kultur ist gerade in finsteren Corona-Zeiten ein Lebenselixier der Demokratie. Wer sie abwürgt, zerstört Vertrauen.

Genau das ist in Belgien passiert. Das Vertrauen in die belgische Regierung ist schwer beschädigt, der Epidemiologe Marius Gilbert spricht von einem „totalen Vertrauensbruch“. Nur die Justiz scheint noch in der Lage, die Gesellschaft zusammen zu halten.

Und wie sieht es in Deutschland und anderen EU-Ländern aus? Kaum besser. Auch hierzulande bröckelt das Vertrauen in die Politik. Auch in der EU häufen sich unsinnige und unverhältnismäßige Maßnahmen gegen die Coronakrise. Was in Belgien passiert, ist eine Warnung – für ganz Europa.

Gleichzeitig macht es Hoffnung – auf ein Ende der willkürlichen Maßnahmen.

Eine leicht gekürzte Fassung dieses Kommentars erschien in der “taz” unter dem Titel “The Show must go on”. Siehe auch “Eine Kultur des Widerstands”.