Brüssel wird irrelevant, Berlin devot
Am Tag eins des deutschen Flüchtlingsdeals mit der Türkei hat sich die triste Realität gezeigt: Brüssel wird irrelevant, Kanzlerin Merkel hat die Regie übernommen – und zeigt sich unterwürfig!
Es fing schon damit an, dass die EU-Kommission die umstrittene Abschiebung von Flüchtlingen nicht aufgeschoben oder wenigstens mit einem Prüf-Vorbehalt versehen hat. Damit händigte sie sozusagen die Schlüssel aus.
Gegen Mittag stellte Junckers Chefsprecher M. Schinas der Türkei dann auch noch einen juristischen Blankoscheck aus: Die Abschiebungen seien streng nach EU- und Völkerrecht verlaufen, sagte er.
Dabei wußte Schinas nicht einmal genau zu sagen, wie viele Flüchtlinge an die Türkei ausgeliefert worden waren, und von welcher Nationalität. Waren Syrer darunter, Frauen und Kinder?
Angeblich nicht, so Schinas. Doch Zahlen nannte er keine. Wenn tatsächlich keine Syrer abgeschoben worden sind, dann hätte es allerdings auch keine Umsiedlung von Syrern in die EU geben dürfen.
Denn das war ja der Deal: für jeden “illegalen” Syrer geht ein “legaler” nach EUropa. Doch gleich am ersten Tag scheint das nicht mehr zu gelten, die Brüsseler EU-Kommission hat die Kontrolle verloren!
Derweil hat Kanzlerin Merkel in Berlin längst Fakten geschaffen: In einem Telefonat mit dem türkischen Regierungschef Davutoglu hat sie schon am Sonntagabend (!) bekräftigt, dass der Deal umgesetzt werden müsse.
Nebenbei distanzierte sie sich auch noch vom umstrittenen Böhmermann-Gedicht über Sultan Erdogan – ein in der Geschichte der EU und Deutschlands einmaliger Akt unterwürfiger Diplomatie.
Damit ist auch schon alles zum Thema Pressefreiheit in der Türkei gesagt: Berlin wird diese so schnell nicht mehr einfordern, Brüssel ist es ohnehin egal. So wird man devot – und irrelevant…
S.B.
5. April 2016 @ 10:53
@ebo: Wenn Sie keine neuen Galgen wollen, wird es Zeit, die Wahrheit ungeschminkt zu benennen. Dann gelingt vielleicht noch die Wende hin zur Normalität im Sinne von gesundem Menschenverstand. Andernfalls ist zu befürchten, dass es wieder zum Exzess kommt, den Merkel übrigens politisch schon jetzt exerziert.
Peter Nemschak
5. April 2016 @ 16:06
Weg von einer weiteren Integration Europas ist kurzsichtig, kleinkariert und provinziell so wie der gesamte politische rechte Rand. Nur ein integriertes Europa, idealerweise in Form eines föderalen Bundesstaates mit einer starken liberalen Mitte hat weltpolitisch Gewicht.
ebo
5. April 2016 @ 16:08
Sagen Sie das mal den Briten, den Niederländern, den Polen – und den Deutschen, die die nötigen Integrationsschritte beim Euro verweigern!
S.B.
5. April 2016 @ 16:40
@Peter Nemschak: Das ist doch reines Wunschdenken. Eine Gemeinschaft, in der keine Einigkeit besteht, hat weder als Staatenbündnis, noch als Bundesstaat ein weltpolitisches Gewicht. Man sieht es in jeder Krise an der EU als Staatenbündnis, das sich von Brüssel aus schon am liebsten als Bundesstaat gibt. Ihnen noch schöne Träume! 😉
S.B.
5. April 2016 @ 08:50
Merkel ist schlicht eine (ganz üble) Hochverräterin, die nach Diktatorenart handelt. In erster Linie betrifft es das Land, das sie regiert, also D. In zweiter Linie betrifft es Europa.
ebo
5. April 2016 @ 08:56
Bitte nicht immer diese Begriffe. Hochverrat ist vorbelastet, würde es Wortbruch nicht auch tun?
S.B.
5. April 2016 @ 09:39
@ebo: Nein, es ist genau dieses politisch korrekte Relativieren, das D und Europa in diese Situation gebracht hat und weiterhin bringt. Es ist beim Namen zu nennen, was beim Namen zu nennen ist! Hochverrat ist Hochverrat und schon von der Schwere des Vorwurfs etwas ganz anderes als Wortbruch. Wir brauchen nicht nur ein Zurück von EU und Euro zu EWG und Ecu, sondern auch ein Weg von dieser fürchterlichen Political Correctness. Es wird ja hoffentlich auch niemand auf die Idee kommen, eine Vergewaltigung nur eine Nötigung nennen zu wollen. Obwohl, von linksgrüner Seite, also den neuen sozialistischen Blockparteien aus, haben wir genau das in Sachen “Silvester in Köln” erlebt. Wo sind wir nur gelandet?
S.B.
5. April 2016 @ 09:51
@ebo: Noch ein Nachtrag: Sie haben selbstverständlich das Hausrecht in Ihrem Blog. Von meiner Seite werde ich mich daran halten, wenn Sie eine ausdrückliche “Anweisung” geben. Grundsätzlich sollte der Meinungsstand aber frei diskutiert werden können, denke ich.
ebo
5. April 2016 @ 09:55
@S.B. Ich gebe keine Anweisungen. Ich habe nur die unsäglichen Bilder mit den Galgen vor Augen, und das hat hier keinen Platz!
blackhero68
5. April 2016 @ 10:37
@ebo
Es IST Hochverrat – die Galgenbilder sind zwar weder besonders schön, noch geschmackvoll, die umgekehrte Titulierung als ‘völkisch’, ‘braun’, ‘rechtpopulistisch’ oder gar ‘Pack aus Dunkeldeutschland’ allerdings auch nicht.
Peter Nemschak
5. April 2016 @ 10:39
Auch ich bin kein Freund von political correctness oder von Relativieren. Selbst Hochverrat führt heute in Deutschland nicht zum Galgen sondern ins Gefängnis. Nur, weil Merkel nicht das tut, was sich manche wünschen, ist das noch kein Hochverrat, nicht einmal Wortbruch. Die politische Lage ist in Fluss, Richtungsänderungen dürfen einen nicht besonders aufregen. Merkel hat anfangs die Bereitschaft der Europäer Flüchtlinge aufzunehmen überschätzt und musste nun gegensteuern. Sie tut das in einer Weise, welche von der breiten Mehrheit akzeptiert wird. Den Rechtsradikalen ist das zu wenig, den Links-Grünen und humanitären NGOs zu viel. Bei den nächsten Bundestagswahlen wird man sehen, ob und wie sich die Kräfteverhältnisse geändert haben. Die meisten anderen EU-Mitglieder scheinen das Regieren in Sachen Flüchtlinge aufgegeben zu haben. Bleibt zu hoffen, dass Versuche, eine einheitliche Asylpolitik für Europa zu entwickeln, nicht aufgegeben werden. Allein der Prozentsatz an abgelehnten Asylanträgen schwankt derzeit von Staat zu Staat.
Peter Nemschak
5. April 2016 @ 08:10
Am ersten Tag wurden Leute abgeschoben, die ohnehin keine Chance auf Asyl gehabt hätten (Pakistanis, Nordafrikaner, Afghanen). Die Syrer haben mittlerweile in Griechenland um Asyl angesucht, um ihre mögliche Abschiebung hinauszuzögern. Ob ihnen das auf Dauer nützen wird, sei dahingestellt. Dass die EU wegschaut, hat damit zu tun, dass eine großzügige Flüchtlingspolitik in keinem EU-Land mehrheitsfähig ist.