20 Jahre EU-Erweiterung: Nichts dazugelernt

Die Erweiterung der EU vor zwanzig Jahren war ein voller Erfolg, ein Beitritt der Ukraine wäre ein “Sieg über Putin” : So das offizielle Narrativ in Berlin und Brüssel. Die Wahrheit sieht anders aus.

Viele osteuropäische EU-Länder (nicht nur Ungarn) sind immer noch nicht richtig in Demokratie und Rechtsstaat angekommen, fast alle hängen bis heute am Brüsseler Tropf.

Ein Beitritt der Ukraine würde die EU hoffnungslos überfordern. Was Kanzler Scholz & Co. mitten im Krieg versprochen haben, ist aus heutiger Sicht eine Mission impossible.

Das wissen die Chefs natürlich auch. Doch sie trauen sich nicht, es laut auszusprechen. Stattdessen geloben sie, die EU so zu reformieren, dass auch 30+ Mitglieder möglich sind – spätestens bis 2030.

Die Zauberformel heißt “QMV” – Qualified Majority Voting, also Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit. Doch das müssten die 27 einstimmig beschließen – ein fast unmögliches Unterfangen.

Selbst wenn es gelänge, so würde es für eine Dauerkrise sorgen.

Denn die in wichtigen Fragen überstimmten Länder würden die Entscheidungen nicht mittragen und wohl auch nicht umsetzen. Polen und Ungarn haben es in der Migrationspolitik vorgemacht.

Die ohnehin schwache Legitimität der EU würde weiter beschädigt. Auch die Legalität – also Rechtmäßigkeit – würde angezweifelt. Ungarn klagt schon jetzt regelmäßig gegen die EU – und die EU gegen Ungarn. Das hilft keinem.

Warum lässt man sich in Brüssel dennoch auf dieses Abenteuer ein? Weil man meint, dies sei ein “geopolitischer Imperativ”. Wenn die EU nicht die Ukraine und den Westbalkan aufnimmt, werde Russland die Lücke füllen, heißt es.

Der zweite Grund ist, dass man aus der letzten Erweiterung nichts dazugelernt hat. Fast alle wichtigen Lektionen des “Big Bang” wurden vergessen und verdrängt.

Vergessene Lektion aus Zypern

So spricht niemand mehr von der “Vertiefung”, die die Erweiterung eigentlich begleiten wurde. Das Ergebnis: Die EU ist immer größer und mächtiger geworden, doch die Bürger haben nichts mehr zu melden.

Vergessen wurde auch, wie gefährlich es ist, Staaten mit ungelösten Gebietskonflikten aufzunehmen und auf Besserung nach dem Beitritt zu hoffen. Das hat in Zypern schon nicht funktioniert, in der Ukraine wird es noch schlimmer.

Um einen Dauerkonflikt zu vermeiden, müsste der Beitritt an ein Ende des Krieges und eine neue Sicherheitsordnung gebunden werden. [wpdiscuz-feedback id=”11503rspq8″ question=”Was halten Sie von dieser These?” opened=”0″] Das könnte sogar eine Chance für die Ukraine und ganz Europa sein – doch auch die haben die EU-Granden verschlafen. [/wpdiscuz-feedback]

2004 wollten sie mit der Erweiterung einen “Ring von Freunden” schaffen. Nun planen sie ein Bollwerk gegen nahe und ferne Feinde, wozu neuerdings sogar China gezählt wird – ein Grund zur Freude ist das nicht!

Siehe auch Verheugen, der Krieg und der unbändige Drang nach Osten

P.S. Ein Fehler war es auch, mit aller Macht in den Osten zu drängen und den Süden zu vernachlässigen. Wer weiß, was passiert wäre, wenn sich die EU auf die Mittelmeerunion konzentriert hätte, und nicht auf die Östliche Partnerschaft? Vielleicht wären uns die Flüchtlingskrise und der Krieg erspart geblieben…