Was bringen die neuen Türkei-Gespräche?

Einen schlechteren Zeitpunkt hätte sich die EU kaum aussuchen können. Ausgerechnet in dem Moment, da die Türkei beginnt, die Grenze zu Syrien abzuriegeln und Flüchtlinge zurück zu schicken, nimmt die EU die Beitrittsgespräche wieder auf.

Bis zu 100.000 Syrern droht die Abschiebung, warnen Menschenrechts-Organisationen wie Pro Asyl. Doch statt diesen Besorgnis erregenden Vorwürfen nachzugehen, fordert EU-Erweiterungskommissar Hahn „mehr Pragmatismus“.

Pragmatismus? Gemeint ist wohl Zynismus. Schließlich ist es aus EU-Sicht durchaus gewollt, dass die Türkei härter gegen Flüchtlinge vorgeht. Das ist nämlich der Kern des schmutzigen Deals, den die EU-Kommission mit dem türkischen Sultan Erdogan ausgehandelt hat.

Du hältst mir Deine Flüchtlinge vom Leib, wir reden wieder über Beitritt – so lautet die unausgesprochene Linie der EU-Realpolitiker. Nicht nur ein, sondern gleich fünf Beitrittskapitel sollen in den nächsten Monaten geöffnet und vorangetrieben werden.

Als „Gegenleistung“ erwartet die EU, dass die Türkei die Seegrenze über die Ägäis nach Griechenland abriegelt und die Flüchtlinge im Land besser versorgt. Doch selbst dieses „pragmatische“ Vorgehen ist verlogen. Denn die Verhandlungen mit der Türkei sind nicht ernst gemeint.

In seiner Amtszeit werde es keinen weiteren EU-Beitritte geben, hat Kommissionschef Juncker schon vor einem Jahr gesagt. Die Türken können so gut verhandeln wie sie wollen – am Ende blüht ihnen doch wieder nur die „privilegierte Partnerschaft“, die Merkel fordert.

Und die Menschenrechte? Sie dürften auch auf der Strecke bleiben. Eigentlich hatte die EU versprochen, zuerst die wichtigen Beitrittskapitel zu Justiz und Menschenrechten zu öffnen. Dies hätte die Chance eröffnet, die türkischen Defizite anzusprechen. Stattdessen redet man zuerst über Wirtschaftsthemen – noch ein Wortbruch.