Stirbt der Stabilitätspakt?
Frankreich und Italien wollen ihre Budgetentwürfe nun doch noch nachbessern. Allerdings nur leicht – jedenfalls weit weniger, als es eine strikte Auslegung des Stabilitätspaktes fordert.
Nach den blauen Briefen von EU-Kommissar Katainen hat Brüssel die neuen Entwürfe in kürzester Zeit durchgewinkt. Wer hat nun gewonnen: die “Schuldensünder” aus Paris und Rom – oder die Gralshüter in Brüssel?
In Wahrheit gehe es nur um gesichtswahrende Maßnahmen, heisst es in einem lesenswerten Blogpost des Brüsseler Thinktanks Bruegel. Für den Autor A. Mody ist der Stabilitätspakt ökonomisch erledigt.
Er sei ein Zugeständnis an Deutschland gewesen und habe von Beginn an auf falschen ökonomischen Annahmen beruht. Frankreich und Italien seien nun im Begriff, ihn zu beerdigen.
Mag sein, aber der Preis könnte sehr hoch sein: Als Gegenleistung für mehr “Flexibilität” fordern Brüssel und Berlin nämlich harte Strukturreformen, die beide Länder unregierbar machen könnten…
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Johannes
31. Oktober 2014 @ 17:19
Das Signal ist eindeutig, Frankreich und Italien zerstören den europäischen Frieden weil sie zu faul und zu bequem sind die Reformen durchzuführen die Deutschland damals gemacht hat. Le Pen? Nicht das Problem von uns Deutschen, das hat Frankreich sich selbst eingebrockt.
Deutschland muss sich fit für den Euro sparen – Den Spruch haben alle Eurogroßmäuler gedrückt.
Wo sind jetzt die Großmäuler, wenn es um Frankreich und Italien geht? Wo seit ihr, ich kann euch nicht hören *ggggg
Peter Nemschak
1. November 2014 @ 09:46
Im Grunde, auch wenn es nicht offen ausgesprochen und zugegeben wird, ist die Idee des Klassenkampfs (Rechts-/Linksschema) in vielen Köpfen der italienischen und französischen Eliten nach wie vor fest verankert. Das unterscheidet sie von den Eliten in Nordeuropa und steht dem sozialen Konsens im Weg, der notwendig ist die Krise zu überwinden. Die gesellschaftliche und politische Einsicht, dass Lasten möglichst breit und als einigermaßen gerecht empfunden verteilt werden müssen, hat sich noch nicht durchgesetzt.
Peter Nemschak
30. Oktober 2014 @ 16:36
…not alone… Ich habe immer für ein umfassendes Maßnahmenpaket (angebots- und nachfrageseitig) plädiert. Nur, wenn sich die Politik Strukturreformen verweigert, begibt sie sich der Möglichkeit den Strukturwandel, den der Markt ohnedies nach seine Gesetzen herbeiführt, mitzugestalten. Das Gerede um den “Primat der Politik über den Markt” ist im globalen Dorf Wunschdenken von Nostalgikern. Es wurde im 20.Jhdt nicht nur einmal diskreditiert. Es sieht nicht danach aus, als ob ein grundlegender Paradigmenwechsel in absehbarer Zeit kommen wird. Die weltweite Entwicklung deutet nicht darauf hin.
winston
29. Oktober 2014 @ 18:43
Schweden hat während seiner Bankenkrise anfangs 1991:
1) Seine Währung um gute 20-30% abgewertet. Richtiger wäre Schwedens Währung kam wegen der Bankenkrise unter Druck und wertete 20-30% ab.
2) Die Schwedische Regierung nationalisierte sämtliche Problem Banken.
3) Die Schwedische Regierung betrieb eine extrem lockere Geldpolitik.
Fazit: Die Schwedische Bankenkrise wurde innerhalb 12-18 Monate gelöst. Die Schwedische Wirtschaft fasste schnell wieder Fuss und man ging ziemlich schnell wieder zur Tagesordnung über.
Schröders Agenda 2010 erfolgte in einem völlig anderem Ökonomischen Kontext der EZ.
Gerade die Exporte in den völlig überhitzten Volkwirtschaften Irlands, Spaniens, Portugals und Griechenlands glichen die durch die Agenda 2010 verursachten Binnenmarktverluste Deutschlands wieder aus. Die EZB hätte damals die Zinsen erhöhen müssen, so legte man damals das Fundament der heutigen Eurokrise.
Zudem ist eine Agenda 2010 auf die gesamte EZ ausgeweitet ein Ökonomischer Nonsens, der Binnenmarkt würde schlicht und einfach nicht mehr funktionieren, es käme kein Handel mehr zustande.
ebo
29. Oktober 2014 @ 22:22
Genau. Der Kontext ist völlig anders. Und was die Leier von den Strukturreformen in FR und IT betrifft, hat M. Wolf in der FT alle Nötige gesagt: http://www.ft.com/intl/cms/s/0/43276fc4-5841-11e4-a31b-00144feab7de.html?ftcamp=published_links%252Frss%252Findepth_euro-in-crisis%252Ffeed%252F%252Fproduct&siteedition=intl#axzz3HZSyScKN
Peter Nemschak
29. Oktober 2014 @ 18:21
@ebo das sollte den sozialen Konsens des main stream befördern.
ebo
29. Oktober 2014 @ 17:18
Herr Nemschak,
was meinen Sie mit “Moderne”? Wir leben im 21. Jhdt, das ist die Zeit nach der Postmoderne. Und was meinen Sie mit “kommunistisch inspirierten Gewerkschaften”? In Frankreich ist die CGT längst auf Reformkurs. Ich fürchte, Sie denken und argumentieren immer noch in Kategorien des 20. Jhdts…
Peter Nemschak
29. Oktober 2014 @ 17:49
Von sozialpartnerschaftlichen Verhaltensweisen sind die Gewerkschaften sowohl in Frankreich wie in Italien weit entfernt. Schauen Sie einmal nach Schweden und insgesamt in die nordischen Länder. Ohne ein Reformgesamtpaket, das die Lasten nach Leistungsfähigkeit auf die sozialen Gruppen verteilt, wird nichts weitergehen. Wenn Sie die beiden Länder auf Grund im Falle der Umsetzung von Strukturreformen als unregierbar bezeichnen, geben Sie mir indirekt recht. Das Wort Strukturreformen scheint für Sie ein Unwort zu sein.
ebo
29. Oktober 2014 @ 17:52
In Frankreich lauert der “Front National”, in Italien Grillo & Co. Das ist das Problem.
Peter Nemschak
29. Oktober 2014 @ 08:57
Warum sollte Frankreich und Italien nicht schaffen, was dem sozialistischen Schweden und Deutschland unter Schröder gelungen ist. Ein gesellschaftspolitisches Umdenken ist geboten, um den Anschluss an die Moderne nicht zu verpassen. Die kommunistisch inspirierten Gewerkschaften wird es zwar nicht freuen, die Alternative wäre ein Ruck zu den Rechtsextremen, was die Linke noch weniger freuen würde. N.Kaldor hat mich 1971 gefragt, warum Österreich eine hohe Wachstumsrate bei relativ moderater Inflation hatte und Großbritannien bei hoher Inflation stagnierte. Meine Antwort von damals unterscheidet sich nicht von der von heute: in Großbritannien, aber auch in Frankreich und Italien fehlt der soziale Grundkonsens. Vielleicht schaffen es die Länder im Süden in der Not diesen zu finden, wenn nicht, werden, wie immer, die Bürger die Rechnung bezahlen müssen.
winston
29. Oktober 2014 @ 08:36
Ein Mann mit Weitsicht, Nicholas Kaldor.
it is a dangerous error to believe that monetary and economic union can precede a political union or that it will act (in the words of the Werner report) “as a leaven for the evolvement of a political union which in the long run it will in any case be unable to do without”. For if the creation of a monetary union and Community control over national budgets generates pressures which lead to a breakdown of the whole system it will prevent the development of a political union, not promote it.
(Nicholas Kaldor 1971)
http://www.concertedaction.com/2012/11/06/nicholas-kaldor-on-european-political-union/
Ein Glück für UK das sie über solch hervorragende Ökonomen verfügten und vor allem auf sie hörten, im Gegensatz zu manch anderen EZ Länder.
Das ist vielleicht der Grund warum UK einen grossen Bogen um den Euro machten.
Peter Nemschak
29. Oktober 2014 @ 12:42
Kaldor hatte absolut recht: die verfrühte Einführung des Euro würde als Spaltpilz für die politische Union wirken. Auf Grund der selbst in den westeuropäischen Kernländern der EU unterschiedlichen Governance-Traditionen der Nationalstaaten erscheint eine politische Union heute als sehr weit entfernte Utopie. Die Krise hat den Hang zum Rückzug auf das Nationale wieder erweckt, nicht nur im Osten, wo er endemisch ist, sondern auch im Westen, wo er eine Zeit lang überwunden schien.