Kumpanei auf höchstem Niveau
Eigentlich sollte die Europawahl 2014 einen Bruch mit alten Praktiken in Brüssel bringen. Doch die jüngsten Pläne der EU-Granden zeigen, dass weiter Kumpanei herrscht – auf höchstem Niveau.
Erst kam die Meldung, dass Ex-Kommissionschef Barroso zu Goldman Sachs wechselt. Also zu jener US-Bank, der bereits EZB-Chef Draghi diente. Auch Ex-Nato-Chef Fogh Rasmussen ist auf der Payroll.
Begründet hat Barroso seinen Wechsel mit dem Brexit und dem Wunsch, der EU in dieser schwierigen Lage zu helfen. In der Praxis läuft es aber auf Hilfe für die City of London und Kapitalinteressen hinaus.
Ebenfalls mit “Kontinuität in der Krise” reden sich Barroso-Nachfolger Juncker und Parlamentschef Schulz heraus. Beide wollen ihr “erfolgreiches” Duo fortsetzen, Schulz will nicht wie verabredet weichen.
Damit führen beide demokratische Prinzipien und das System der Spitzenkandidaten ad absurdum. Wenn der Gewinner und der Verlierer der Europawahl sich ewig die Posten teilen, war die Wahl umsonst.
Aber genau darauf läuft es in der EU hinaus: Wahlen werden entwertet, Referenden außer Kraft gesetzt. Was bleibt, ist Kumpanei auf höchstem Niveau, eine GroKo ohne Ende (und ohne Alternative)…
Kulleraugen
12. September 2016 @ 16:39
einmal Goldmann Sachs immer Goldmann Sachs
hlschmid
10. Juli 2016 @ 16:13
„Wahlen werden entwertet, Referenden außer Kraft gesetzt“. – Kein Wunder, dass die Frustration der Bürgerinnen und Bürger steigt, dass die EU-Gegner Aufwind haben und die Union vom Zerfall bedroht ist. Eine Grundsatzdebatte drängt sich auf über die bisher nicht zugelassene Frage: Was für ein Europa wollen Sie, die Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa? Wählen Sie Ihr Europa auf http://www.our-new-europe.eu !
alex
10. Juli 2016 @ 12:38
@P. Nemschak: Banken, die mit einer Lizenz für das Geldschöpfen ausgestattet sind, bei betrügerischen Verhalten nur etwas von ihrem Geld wegzunehmen, ist keine Gerechtigkeit, sondern einfach nur dumm. Einem überführten Drogendealer nur ein wenig seiner Drogen wegzunehmen, ist genauso wenig zielführend. Beide werden mit ihren krummen Geschäften einfach weitermachen bis man härtere Sanktionen verhängt. Sie als ex-Banker müssten es eigentlich längst mitbekommen haben, dass es in der Finanzindustrie riesige strukturelle Probleme gibt. Ob diese überhaupt im Ansatz lösbar sind, wenn man in höchsten politischen Ämtern überall auf Goldmann-Sachs Typen stößt – übrigens auch der Rat der ECB ist von GS-Leuten dominiert, wage ich zu bezweifeln.
Peter Nemschak
10. Juli 2016 @ 16:27
Was wollen Sie sonst unternehmen, doch nicht die liberale Marktwirtschaft abschaffen? Sie gehört nun einmal zu einer pluralistischen liberalen Demokratie.
Peter Nemschak
10. Juli 2016 @ 08:04
@ebo Was in Brüssel läuft, ist klassische Koalitionspolitik. Es gibt nun einmal eine Mehrheit der Mitte im EU-Parlament. Darüber hinaus geht es immer um den Machterhalt, egal welche Mehrheit an der Macht ist. Auch im nationalstaatlichen Bereich sind bei einem Proportionalwahlsystem Koalitionen zwischen Gewinnern und Verlierern oder auch zwischen Verlierern durchaus gang und gäbe, manchmal recht dauerhafte Koalitionen. Auch ein Mehrheitswahlsystem, wie das britische, führt nicht dazu, dass sich alle Bevölkerungsschichten repräsentiert fühlen. UKIP hat gerade einmal einen Sitz im Unterhaus. Auf EU-Ebene gibt es wenigstens den Europäischen Rat als Korrektiv, was die handelnden Personen betrifft. Politik ist auf Kompromisse angewiesen, will sie nicht die Gesellschaft spalten.
ebo
10. Juli 2016 @ 11:16
@Nemschak Nein, ich bleibe beim Vorwurf der Kungelei. Denn in keiner Demokratie dieser Welt kann sich der Regierungschef aussuchen, wer Parlamentspräsident ist, und wie lange dessen Amtszeit dauert. In jeder normalen Demokratie wäre Schulz Oppositionsführer geworden, als solcher hätte er immer noch in eine große Koalition mit CSU-Mann Weber gehen können. Stattdessen kungelt er mit Juncker auf “Präsidentenebene”, also auf höchstem Niveau. Sie telefonieren sogar jeden Morgen, um die Agenda abzusprechen…
Peter Nemschak
10. Juli 2016 @ 16:25
Die EU ist keine klassische Nationalstaatsdemokratie sondern ein Mehrebenensystem, bei dem die Nationalstaaten einen starken institutionell abgesicherten Einfluss haben. Das europäische Parlament hat nicht dieselben Kompetenzen und Befugnisse wie die nationalen Parlamente. Das mag man bedauern, ist aber so.
alex
9. Juli 2016 @ 18:27
Dass das laut P. Nemschak ehrenwerte Unternehmen GS massgeblich die Subprime-Krise mitverursacht hat (siehe entspr. Report vom US-Untersuchungsausschuss) erwähnt der ex-österreichische Banker und Neoliberale natürlich nicht – zu der Zeit der Untersuchung war rein zufällig der US-Finanzminister übrigens ein ex-Goldmann Sachs Mann (ex GS-CEO), der im Hintergrund für die GS intervenierte (AIG Rettung). Ebenso unerwähnt bleibt weiterer Anlegerbetrug durch GS (Stichwort Faboulous Fab, Abacus 2007-AC1), für welche die GS Rekordsummen zahlte, um die Verfahren zu stoppen: GS konstruierte Schrottpapiere, die mit AAA versehen wurden, verkaufte diese an gutgläubige Kunden (auch in Deutschland gingen daran Banken zugrunde) und wettete anschliesslich dagegen – arglistische u. vorsätzliche Täuschung wird dies für Bürger im StGB genannte, für P. Nemschak alles ein NICHT unehrenwertes Verhalten – derartige unethische und amoralische Sichtweisen kann der europäische Bürger in einem demokratischen Rechtsstaat jedoch nicht tolerieren, aber ist für nicht nur österreichische Neoliberale offensichtlich alles OK, wenn nur das Geld in die richtigen Taschen fällt. Die Liste der in Europa aktiven Goldman-Sachs Typen ist ellenlang – (von Marc Carney, Chef der Bank of England – bis Boroso (Ex-Kommosionschef, gewechselt zu GS London), Mario Dragi (ECB-Chef), Mario Monti (Ex-Regierungchef Italien), Romani Prodi (Ex-Chef der EU-Kommision, derzeit int. Berater der GS), Otmar Issing, Philip D. Murphy, Robert Zoellick, Peter Sutherland und viele andere. Ein Schelm, der sich dabei was Böses denkt.
Peter Nemschak
9. Juli 2016 @ 20:53
Nicht nur GS sondern auch andere Banken, in Deutschland hervorzuheben die Deutsche Bank, die sich etwas zuschulden kommen haben lassen, sind mit Milliardenstrafen belegt worden. Was wollen Sie mehr an Gerechtigkeit?
Peter Nemschak
9. Juli 2016 @ 14:45
@reinard Ich gehe für meinen Teil davon aus, dass Kunden von Goldman Sachs erwachsen,d.h. zurechnungsfähig, und intelligent sind. Ob Griechenland oder GS oder beide unmoralisch gehandelt haben, Griechenland in den Euro “hineinzuschwindeln”, müssen Sie selbst beurteilen. Offenbar hat Griechenland damals der EU die Wahrheit über seine Finanzen verschwiegen. Heute leidet das Land darunter. Gerecht oder nicht? Auch das muss jeder für sich beantworten. Im übrigen: Unmoral ist nicht strafrechtlich relevant. Wäre sie dies, hätten wir Gesinnungsterror. Die Geschichte kennt ausreichend Beispiele dafür.
Claus
9. Juli 2016 @ 14:40
@ Peter Nemschak: Immerhin war Goldman Sucks ja schon so “ehrenwert”, Griechenland per aktiver Beihilfe zur Staatsbilanzfälschung den Beitritt in den erlauchten Club der EU zu ermöglichen, womit sie vermutlich zu den Bevorzugten gehören, die “mit Griechenland” so richtig satt Kasse gemacht haben. Da freuen wir uns doch, dass auch jetzt noch per dezenter Posten-Rochade führender EU-Figuren alles schön in der Familie bleibt!
kaush
9. Juli 2016 @ 13:57
Kumpanei trifft es nicht annähernd. Und Drehtür ist ist auch eine schöne Beschreibung für Vorgänge, die eher mafiös anmuten.
Wenn man sich die Definition von OK anschaut:
„Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
c) unter Einflussnahme auf Politik, Massenmedien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft
zusammenwirken.”
https://de.wikipedia.org/wiki/Organisierte_Kriminalit%C3%A4t
Das finde ich eine recht zutreffende Beschreibung für das, was Bankster u. Politiker da abziehen.
Reinard
9. Juli 2016 @ 12:54
»Kumpanei« darf man es derzeit noch nennen, was da abläuft. Obwohl es treffendere Bezeichnungen gäbe. Es gelten aber deren eigene Gesetze, mit denen sie sich schützen. Volk, merkst Du nicht, was da abgeht???
Andres Müller
9. Juli 2016 @ 13:25
Doch, es gibt immer mehr Menschen die vermehrt verstehen was da abläuft. Die “postkriminellen” Netzwerk -Strukturen der EU-Eliten wird sichtbarer. Es läuft darauf hinaus das die EU überall die zustimmende Mehrheit verliert. Im Moment ist das regional noch stark verschieden. Obwohl -auch die Ablehnung des Brexit durch London bis Schottland scheint nur auf (zweifelhaften) finanziellen Vorteilen zu beruhen.
Da es immer mehr Regionen gibt die unter der EU eher finanziell ausbluten scheinen oder einem rigorosen Regime unterworfen werden (wie die Griechen), könnte die EU schliesslich auch den Support von anderen politischen Kräften als nur die der Nationalisten einbüssen. Wir beobachten weiterhin einen irreversibel scheinenden sozialen Abstieg der EU- Institutionen zu Gunsten einer stark pyramidalen Vermögensstruktur innerhalb der Union auf Kosten der Mehrheit und zunehmend auch der Mittelschicht.
Peter Nemschak
9. Juli 2016 @ 12:50
Zunächst: Goldman Sachs ist kein unehrenwertes Unternehmen. Was die Politfunktionäre nach Beendigung ihrer politischen Funktion beruflich machen, ist ihre alleinige Angelegenheit. Was die Kumpanei in der EU betrifft, müssen die Mitgliedsstaaten durch personelle Neubesetzung der Kommission Ordnung schaffen. Allen voran Deutschland muss ein gewichtiges Wort mitreden.
Reinard
9. Juli 2016 @ 12:58
Nein, es ist nicht ihre Sache alleine, wem sie dienen, wenn die Allgemeinheit ihre »Ausbildung« bezahlt hat. Ihre erworbene Erfahrung muss der Gesellschaft dienen. Und das ist eben bei Goldman Sachs nicht der Fall. Und diesen Laden als ehrenwert darzustellen ist wohl ein kleiner Scherz zum Wochenende, woll?
Peter Nemschak
9. Juli 2016 @ 13:14
Weltfremd.
Reinard
9. Juli 2016 @ 13:57
Wer sich nur noch an den Fakten orientiert, ohne Urteil darüber, ob sie zurecht bestehen: wie nennt man das? Realistisch oder verantwortungslos?