Juncker ohne Land

Zehn Tage nach der Europawahl ist völlig unklar, wer die nächste EU-Kommission leiten soll. Wahlsieger Juncker hat zwar angeblich die Unterstützung von Kanzlerin Merkel. Doch die sieht sich längst nach Alternativen um. Eine Mehrheit im Rat gibt es nicht.

Beim EU-Gipfel vor einer Woche wäre noch eine qualifizierte Mehrheit für Juncker drin gewesen. Doch Merkel blockierte eine Abstimmung – mit Rücksicht auf ihren Buddy Cameron.

Danach geriet sie mächtig unter Druck – sogar der Philosoph Habermas protestierte. Wie üblich bei Merkel, schwenkte sie sofort um und behauptete fortan, für Juncker zu werben.

Zugleich will sie aber auch Großbritannien in der EU halten und einen „Konsens“ unter den 28-EU-Mitgliedern suchen. Wie das gehen soll, bleibt ihr Geheimnis. Es geht wohl mehr um Erwartungs-Management.

Merkel hofiert Lagarde

Wie unglaubwürdig Merkels öffentliche Beteuerungen sind, zeigen neue Berichte: Danach soll sie im Hintergrund für IWF-Chefin Lagarde werben. Zuvor hat sie Lagarde offenbar selbst in Washington hofiert.

Problematisch ist auch die Haltung Italiens. Ministerpräsident Renzi steht zwar zu Juncker. Der Sozialdemokrat fordert aber einen Kurswechsel – weg von der Austerität, hin zu Investitionen und Wachstum. Schwierig.

Frankreichs Hollande wiederum wittert im Streit um Juncker die Chance, am Ende vielleicht doch noch einen Franzosen – Lagarde oder EU-Kommissar Barnier – zu befördern. Deshalb hält er sich bedeckt.

Nur vier legen sich fest

Ohne Wenn und Aber haben sich bisher nur Österreich, Portugal und Polen hinter Juncker gestellt. Polens Premier Tusk wollte sogar schon beim EU-Gipfel letzte Woche eine Entscheidung, scheiterte aber an Merkel.

Außerdem hat Juncker die Zustimmung seiner Heimat Luxemburg. Gegen ihn stellen sich außer Großbritannien noch Ungarn und Schweden. Die Haltung der Niederlande ist unklar.

Allerdings hat sich Premier Rutte grundsätzlich gegen Spitzenkandidaten ausgesprochen: Sie seien eine „Erfindung des Europaparlaments“, er fühle sich daran nicht gebunden.

Keine klare Mehrheit

Insgesamt gibt es weder eine qualifizierte Mehrheit für Juncker noch eine Sperrminorität gegen ihn. Er ist ein König ohne Land – selbst auf die Preussin Merkel kann er sich nicht verlassen.

Immerhin das haben seine Gegner schon erreicht. Man nennt es Zermürbungs-Taktik…