Außenpolitisches Debakel
Die Ukraine-Krise gerät außer Kontrolle, die G-7 haben neue Sanktionen angekündigt. Die machen zwar auch nichts besser, zeigen aber, wie es außenpolitisch um die EU steht: miserabel. Sie agiert fast nur noch im Schlepptau der USA. Und zwar nicht nur in der Ukraine.
Es ist noch gar nicht lange her, da schien die EU außenpolitisch Fuss zu fassen. Die Annäherung zwischen Serbien und Kosovo und der Atomdeal mit Iran waren große Erfolge für die Brüsseler Diplomatie.
Sie waren zwar nur mit US-Backing möglich. Anders als noch vor zehn Jahren, als die EU mitten im Irak-Krieg eine Alternative zur imperialen US-Politik formulierten, lehnt sich Brüssel wieder an Washington an.
Doch immerhin – es tat sich ‘was auf dem diplomatischen Parkett in Brüssel. Die EU-Beauftragte Ashton sonnte sich im ungewohnten Rampenlicht, Experten lobten die EU als neuen “Global player”.
Doch davon ist nichts übrig. Die dilettantische Ukraine-Politik hat EUropa international blamiert. Aus dem Friedensnobelpreisträger ist ein hoffnungslos überforderter Kalter Krieger geworden.
Nicht mal die – gegen hochkarätigen Experten-Rat – angekündigten Sanktionen kann die EU liefern. Die USA und die G7 haben sie denn auch kurzerhand abgehängt; EUropa ist nur noch Follower…
Und die Ukraine ist bei weitem nicht das einzige Dossier, in dem die EU-Außenpolitik ein Debakel erlebt. Hier eine kleine unvollständige Aufzählung aus letzter Zeit:
- Türkei: Erdogan reißt die Macht an sich, zensiert das Internet, zündelt in Syrien – doch die EU schaut weg, Einfluss hat sie eh keinen mehr;
- Ägypten: Die USA liefern Waffen für die Militärs, der Arabische Frühling wird blutig begraben – die EU spielt keine erkennbare Rolle mehr;
- Nahost: Der von den USA geführte Friedensprozess ist am Ende, da Israel nicht mit Hamas reden will – die EU steht hilflos am Rande;
- Syrien: Assad gewinnt wieder die Oberhand, gleichzeitig kommen immer mehr Dschihaddisten aus Europa – für Brüssel kein Thema.
Übrigens sind all diese Konflikte für Europa wichtiger als die Ukraine-Krise. Auch gute Beziehungen zu Russland wären wichtiger denn je, da sich die USA zunehmend auf Asien konzentrieren.
Aber das sollte man im Moment nicht zu laut sagen. Wer nicht in das aktuelle Kriegsgeschrei um die Ukraine einstimmt, wird alsbald als “Putinist” oder “Kreml-Troll” denunziert…
Siehe auch “And the winner is…”
Claus
24. Mai 2014 @ 11:53
Nicht nur dass man mit einem Totschlag Argument Putin Befürworter in die Rechte Ecke zu stellen versucht. Nein jetzt kommen noch deutsche Politiker wie Gabriel die Putin öffentlich drohen. Trotz der Zusage von Putin die Wahl in der Ukraine zu respektieren. Warum macht sich Gabriel ohne Not zum Feind Russlands und zum Kriegstreiber? Will er der USA was beweisen?
chris
29. April 2014 @ 07:57
Wird hier vergessen, was die latente Kriegshetzern Ashton von sich gab, von Estland bestätigt? Wird vergessen, dass (unser) Außenminister Steinmeier mit Faschisten verhandelte? Die EU, die Putschisten als Interimsregierung ansehen? (Unsere) Kriegsministern von der Leyen eure Kinder vielleicht oder bestimmt in den Krieg schicken wird, den sie selbst mit ihren Worten unterstützt? ….die Vorbereitung eines Angriffskrieges ist unter Strafe zu stellen….wer glaubt, dass diese Worte in unserer angeblichen Verfassung einen Zweck erfüllen sollen, …ja, den nicht “gehört” zu werden. Und die gesteuerte hiesige Staatsanwaltschaft sich in keinster weiße traut, nur das Geringste zu unternehmen. Ekel und Abscheu für diese sich selbst prostituierende Eu-Volksvertreter. Im Sinne des Wortes: Vertreten,…von einem Fettnäpfchen ins nächste…. , und WIR werden diesen Bockmist ausbaden müssen….und das nennt sich Außenpolitik der EU….. Die Völker der (Nationen) Regionen werden es ihnen Danken….
Peter Nemschak
28. April 2014 @ 17:07
@zustimmender Leser Die Idee, die Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg zu überwinden und die EU als stabilisierenden Faktor für die vom Kommunismus befreiten Staaten einzusetzen, war nicht von vornherein schlecht, aber im Nachhinein betrachtet doch naiv, ebenso wie die Idee des Euro als wirtschaftsintegrierendes und wachstumsförderndes Instrument. Beides ist, wenn schon nicht gescheitert, doch durch die Realität entzaubert worden. Vom Bundesstaat Europa sind wir weiter denn je entfernt. Fukujamas Ende der Geschichte hat nicht stattgefunden. Sie hat sich zurückgemeldet.
Tim
28. April 2014 @ 18:17
@ Peter Nemschak
Allerdings hat erst der Traum vom Bundesstaat die EU dorthin geführt, wo sie heute ist: in einer Sackgasse. Der Vertrag von Lissabon war der größte Fehler in der Geschichte der europäischen Einigung. Nur als Subsidiaritätsgemeinschaft hat Europa+x eine Chance.
fufu
28. April 2014 @ 15:14
Mir hat immer noch niemand ueberzeugend erklaeren koennen was der Nutzen der EU fuer die Buerger Europas ist. Warum einige sich so diesem unuetzen, schaedlichem Projekt festbeissen ? Der einzige rationale Grund der mir hierzu einfaellt, ist dass ihre Existenz an diesem Projekt haengt, aber ich lasse mich gerne durch ueberzeugende Argumente belehren.
Peter Nemschak
27. April 2014 @ 19:31
Die Kritik an der EU übersieht, dass Außenpolitik Sache der Mitgliedsländer ist und von diesen, mehr oder minder gut koordiniert, wahrgenommen wird. Darüber hinaus ist die Kommission de facto keine Regierung sondern das Generalsekretariat der Mitgliedsländer. Zumindest wird sie von den Großen so gesehen und behandelt.
ebo
27. April 2014 @ 20:34
Völlig richtig. Allerdings hat sich die EU bereits vor über 10 Jahren eine außenpolitische Strategie gegeben, seit Lissabon hat sie auch eine Außenbeauftragte. Es gibt eigene Budgetmittel und sogar einen diplomatischen Dienst, den EEAS. Schauen Sie mal nach, was Sie dort zu den hier genannten Ländern finden, Sie werden erstaunt sein…
Tim
28. April 2014 @ 10:42
Wenn sich die EU eine Strategie gibt oder ein Ziel setzt, das NICHT die eigene Organisation betrifft, weiß man eigentlich immer schon vorher, daß es schiefgehen wird.
Der Grund dafür liegt natürlich darin, daß das EU-Führungspersonal die EU im Prinzip für einen Bundesstaat hält und entsprechend handelt, ALLE anderen sie aber korrekt als Staatenbund betrachten und entsprechend handeln.
Diese Fehlwahrnehmung der Eliten ist für eigentlich alles verantwortlich, was in der EU schlecht läuft.
Peter Nemschak
28. April 2014 @ 11:14
Vor 10 Jahren gab es die bisher größte Erweiterung der EU durch 12 Staaten, die, wie sich mittlerweile gezeigt hat, teilweise andere Visionen und Erwartungen von der EU als ihre Gründungsmitglieder, vielleicht mit Ausnahme Großbritanniens, haben. Der Preis für die Erweiterung ist offenbar, so verstehe ich es, ein (hoffentlich vorläufiger) Verzicht auf Vertiefung. Der Nationalismus in Osteuropa ist tief verwurzelt und ein anderer als der in Westeuropa. In Wien gibt es ein Wirtschaftsforschungsinstitut, http://www.wiiw.ac.at, das sich mit diesen Fragen beschäftigt, weiters ein Institut für die Wissenschaften vom Menschen, http://www.iwm.at, das die Region aus dem politischen und historischen Blickwinkel untersucht. Die von beiden Instituten letzte Woche gemeinsam mit der Oesterreichischen Nationalbank anlässlich des 10-jährigen Beitrittsjubileums der zentral-und osteuropäischen Staaten sowie Zyperns und Maltas durchgeführte Konferenz brachte eher ernüchternde als Anlass zur Hoffnung gebende Ergebnisse, was die Vision eines zukünftigen europäischen Bundesstaates betrifft. Derzeit geht der Weg eher in Richtung Renationalisierung. Die Krise hat ihn sichtbar werden lassen, latent vorhanden war er schon früher.
zustimmender leser
28. April 2014 @ 11:54
Dieser osteuropäische Nationalismus ist in der Tat Sprengstoff für Europa. Vermutlich hatte man auf konservativer Seite die Absicherung der eigenen Mehrheiten im Blick, als man hier immer für die schnelle Ausweitung war, neben den bekannten geopolitischen US-Interessen, in die sich die EU verwickeln ließ: Man glaubte wohl, im Postsozialismus stabile konservative bis rechts-neoliberale Mehrheiten zu bekommen, die in Westeuropa, wo man diese Sorte Politik ja schon länger kennt, nicht mehr ganz so sicher sind. Nun erntet man Waffen-SS-Romantik im Baltikum, rechtsradikale Paramilitärs in der Ukraine, die nicht viel vom “dekadenten Europa” halten und die EU eher taktisch gegen Russland und für Finanzhilfen nutzen, konservativ-revanchistische Zündler in Polen, die mit der EU im Rücken glaubten, “wieder wer sein” zu können, und allgemein ein primitives Abfeiern von Ethnie, Nationen, inklusive damit verbundener Geschichtsfälschungen. Von europäischem Geist keine Spur, allein die EU-Hilfen streicht man gerne ein. Und in den EU-Gründungsländern feiern dafür EU-feindliche Rechtspopulisten Erfolge. Was für eine kurzsichtige taktische Politik. Resultat ist eine überdehnte EU, mit der sich kaum noch jemand identifizieren mag. Manchmal glaube ich, dass die/manche Konservativen hier ein doppeltes Spiel treiben: Die EU wird laut gepriesen, zugleich missbraucht, und kaputtgemacht. Die Generation konservativer Politiker, die noch ernsthaft an sie glaubte, weil sie den Weltkrieg miterlebt hatten, ist lange abgetreten. Der Generation von ideenlosen Opportunisten, die nun am Ruder ist, ist sie egal, oder eigentlich suspekt – nur darf man das (noch) nicht laut sagen. Und eine Weile will man sie ja noch national nutzen, zur Umsetzung unpopulärer Ziele zb.
Johannes
27. April 2014 @ 18:46
“Wer nicht in das aktuelle Kriegsgeschrei um die Ukraine einstimmt, wird alsbald als “Putinist” oder “Kreml-Troll” denunziert” – genau das gleiche Spiel wird aber auch hier auf dem Blog mit kritischen Äußerungen zum Euro gespielt.
Schön das dir das auffällt Ebo, aber genau so verhälst du und viele andere Polilitiker sich, wenn es um den Euro geht. Wer nicht bereit ist zu folgen wird sofort als Anti-Europäer betitelt, oder sogar noch schlimmer, als Nationalist.