Zu abhängig von Russland – oder von neoliberalen Ideen?

Die EU will Russland mit einem Energieembargo abstrafen – und begründet dies damit, man sei zu abhängig von Russland geworden. Vor allem Deutschland sei der russischen Verführung erlegen, heißt es. Dabei galt die deutsche Politik früher als vorbildlich.

Warum hat sich Deutschland auf Gas aus Russland und Gesichtsmasken aus China verlassen?

Weil es Wladimir Putin und Xi Jinpeng liebte und der russischen und chinesischen Propaganda auf den Leim gegangen ist?

Weil man sich willen- und schutzlos in die Coranakrise und den Ukraine-Krieg ziehen lassen wollte?

Das wird neuerdings allen Ernstes behauptet – nicht nur in Kiew und Warschau, wo man es immer schon besser gewußt haben will, sondern auch in Brüssel.

Deutschland habe „Appeasement“ betrieben und sich den Sirenengesängen aus Moskau und Peking ergeben, tönt es auf allen Kanälen.

Dabei ist es historisch falsch. Weder Ex-Kanzler Schröder noch seine Amtsnachfolgerin Merkel wollten Deutschland abhängig machen.

Im Gegenteil: Sie wollten die komparativen Vorteile auf dem Weltmarkt nutzen. Und da bot sich Gas aus Russland ebenso an wie Gesichtsmasken aus China. Weil es billiger war.

Dahinter steckt die neoliberale Ideologie, die die Welt als riesigen Marktplatz betrachtet und globale Lieferketten feiert und fördert, natürlich “just in time”.

Es ist die Ideologie, die die EU bis heute trägt. Der größte Binnenmarkt der Welt setzt seit jeher auf Liberalisierung, Globalisierung und Freihandel.

Bis vor kurzem galt Deutschland den Brüsseler Ideologen noch als leuchtendes Vorbild. Und nun soll das größte EU-Land plötzlich alles falsch gemacht haben?

Fasst Euch doch erstmal an die eigene Nase. Und passt auf, dass ihr nicht gleich den nächsten Fehler begeht.

Unregulierte Energiemärkte

Jetzt wollen die Freihändler nämlich plötzlich Russland vom globalen Markt abkoppeln. Die Sanktionen werden beständig ausgeweitet, neuerdings geht es auch um Energie.

Doch dummerweise hat man „vergessen“, die Energiemärkte zu regulieren. Das Ergebnis lässt sich täglich an der Tankstelle beobachten.

Mit jeder neuen Sanktions-Ankündigung schnellen die Preise für Sprit, Gas, Kohle und andere Rohstoffe in die Höhe.

Und neben BP und Shell kassiert auch Gazprom kräftig ab…

Siehe auch „Chacun pour soi bei der Energie“

P.S. Und noch eine Ironie der Geschichte: Monatelang hat man Russland vorgeworfen, es wolle Energie als Waffe nutzen. Nun machen wir es selbst – und drehen eigenhändig den Gas- oder Ölhahn zu. Wie schlau ist das denn? Und wie weitsichtig? Wenn wir in zwei Jahren raus sind aus dem russischen Gas, dürfte der Krieg längst zuende sein, und Gas noch viel teurer…