Wo ist der Deal?

So sieht die neue Euro-Regierung aus, hinten das neue Europaparlament 🙂

Unter massivem Druck Deutschlands und Frankreichs haben sich die Euro-Staaten auf neue Budgetregeln geeinigt. Die Chefs sprechen von einem „New Deal“, der in einem „neuen Rechtsrahmen“ verankert werden soll (ihr Kommuniqué findet sich hier). Doch zu einem Deal gehören, damit er funktioniert, immer zwei. Es gab bei dem fast zehnstündigen Krisentreffen in Brüssel jedoch kein Geben und Nehmen, sondern nur einseitige Festlegungen – nun droht der EU die Spaltung und dem Euro die Dauerkrise.

Europa spricht deutsch, und der Euro wird deutscher. Das ist die klare Botschaft dieses denkwürdigen EU-Gipfels. Merkel und Sarkozy haben es zwar nicht geschafft,  den EU-Vertrag zu knacken – der britische Premier Cameron legte sein Veto ein. Sie haben aber immerhin die gesamte Eurogruppe plus neun weitere Länder um sich geschart, die nun Schuldenbremsen nach deutschem Muster einführen und ihre Budget-Souveränität beschränken sollen. 

Die Gegenleistung auf deutscher Seite? Keine. Jedenfalls kann ich auf die Schnelle keine erkennen (ähnlich geht es den Reportern der “Welt”, die einen guten Bericht des Gipfeldramas liefern). Es wird keine Eurobonds geben, keine Banklizenz für den Euro-Rettungsschirm, keine neue „Firewall“ gegen die Spekulation, und natürlich auch keine massiven Anleihekäufe durch die EZB. Allenfalls werden die IWF-Mittel für Krisenländer ein wenig aufgestockt.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies die Märkte beeindruckt. Zwar sprach EZB-Chef Draghi begeistert von einem “good fiscal compact”, der die Budgetdisziplin stärken werde. Doch die Hoffnung, dass die EZB im Gegenzug stärker in den Bondmarkt eingreifen und Länder wie Italien aggressiver stützen wird, hatte er schon am Vortag enttäuscht. Aus Sicht der Londoner City und der Wall Street ist dies bestimmt „no big deal“ – und damit keine Lösung der Krise.

Wie sieht der „New Deal“ für die Bürger aus? Erstmal die gute Nachricht für meine inflationsängstlichen deutschen Leser: Die Geldpresse wird nicht angeworfen, es gibt keine neuen Hilfen aus dem Bundesbudget, Eurobonds sind bis zum nächsten Krieg ausgeschlossen – was das betrifft, kann der deutsche Michel ruhig weiterschlafen. Wer sich hingegen vor Rezession und Arbeitslosigkeit fürchtet, muss ab sofort noch mehr zittern: künftig wird es der Eurozone per Gesetz verboten sein, fiskalpolitisch gegenzusteuern. Merkel sei Dank, endlich gibt es Hartz IV für alle Euronauten!

Wer noch an die Demokratie in Europa glaubt, dürfte auch enttäuscht sein: Merkels „New Deal“ wird am Europaparlament vorbei, ohne Referenden oder sonstige Bürgerbeteiligung, durchgedrückt. Nicht zu Unrecht spricht die Spinelli-Gruppe der EU-Föderalisten, derzahlreiche Europaabgeordnete angehören, von einem „Staatsstreich“. De facto hat Merkel alle demokratischen Fortschritte wieder einkassiert, die im Lissabon-Vertrag enthalten waren – auch dafür ein herzliches Dankeschön nach Berlin. 

Auch für die EU selbst dürfte der Gipfel gefährliche Folgen haben. Großbritannien, Ungarn, Schweden und Tschechien wurden an den Rand gedrängt, auch Eurogruppenchef Juncker und Ratspräsident Van Rompuy wurden in zentralen Punkten übergangen. Selbst von Rechtsgutachten, die vor einem Alleingang der Eurogruppe warnen, ließ sich Merkel nicht beeindrucken. Die neuen Regeln sollen nun in einer intergouvernementalen Vereinbarung neben dem EU-Vertrag verankert werden – ein Griff in die “Brüsseler Trickkiste”, den Merkel noch am Vortag vehement abgelehnt hatte.

Noch ist nicht klar, ob dies zu einer dauerhaften Spaltung, zu einer institutionellen Blockade oder „nur“ zu einem tief sitzenden Trauma führen wird. Klar ist jedoch, dass nun endgültig ein Mehrklassensystem in Europa etabliert wurde – mit Merkel als Führerin, Sarkozy als Juniorpartner, und dem Rest als Gefolgschaft. Nur Cameron bleibt außen vor – fast wird man ein bißchen neidisch auf die Briten.

Mir ist schleierhaft, wieso sich die Chefs auf Merkozys Diktat eingelassen haben. Wissen sie es wirklich nicht besser? Regiert in Europa schon die nackte Angst? Oder gibt es vielleicht doch einen geheimen, nur mündlich vereinbarten Deal, der sich erst in den nächsten Tagen und Wochen offenbart?  

Wer die Antwort weiß, möge sich bitte melden…

 

 

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