Wie Merkel manipuliert

Eine Ohrfeige für die Kanzlerin – doch sie macht daraus das Gegenteil

Nach dem Rundumschlag von Standard & Poor‘s gegen die Eurozone gibt sich Kanzlerin Merkel betont gelassen. Das Downgrading für neun der 17 Euroländer sei nur eine Meinung unter vielen, die Beschlüsse zum Fiskalpakt müssten nun noch schneller umgesetzt werden. Dass S&P die von Deutschland durchgesetzte „einseitige Austeritätspolitik“ kritisiert hatte und an der Wirkung des Fiskalpakts zweifelt, verschweigt die Kanzlerin.

Man muss die Experten von S&P nicht mögen. Ihr Rundumschlag gegen die Eurozone war eine gezielte Provokation, wie ich bereits am Wochenende kommentiert habe. Manche, wie der CDU-Europaabgeordnete Brok, sprechen sogar von einem „Währungskrieg“. Dennoch sollte man sich mit den Argumenten der Amerikaner auseinandersetzen – sie sind nämlich ausgesprochen politisch.

Die Beschlüsse des letzten EU-Gipfels seien unzureichend und könnten die Krise sogar noch verschärfen, heißt es in der am Wochenende veröffentlichten Stellungnahme von S&P. Die EU konzentriere sich allzu sehr aufs Sparen und vernachlässige das Wachstum. Außerdem seien die Rettungsschirme immer noch zu klein; der Eurozone mangele es an Solidarität.

The outcomes from the EU summit on Dec. 9, 2011, and subsequent statements  from policymakers lead us to believe that the agreement reached has not produced a breakthrough of sufficient size and scope to fully address the eurozone’s financial problems. In our opinion, the political agreement does not supply sufficient additional resources or operational flexibility to bolster European rescue operations, or extend enough support for those eurozone sovereigns subjected to heightened market pressures (Hervorhebungen von mir). 

Selbst der von Merkel entworfene und gegen massiven britischen Widerstand durchgedrückte Fiskalpakt findet keine Gnade in den Augen der Amerikaner. Schon die Grundannahme, dass die Eurokrise durch eine allzu laxe Fiskalpolitik ausgelöst worden sei, sei falsch. Spanien und Irland hätten sogar besser gehaushaltet als Deutschland. Das Kernproblem sei daher nicht die Budgetpolitik (wie Merkel vorgibt), sondern das wachsende wirtschaftliche Ungleichgewicht in der Eurozone und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Südländer.

We also believe that the agreement is predicated on only a partial recognition of the source of the crisis: that the current financial turmoil stems primarily from fiscal profligacy at the periphery of the eurozone. In our view, however, the financial problems facing the eurozone are as much a consequence of rising external imbalances and divergences in competitiveness between the EMU’s core and the so-called “periphery”.

Dazu sagt der Fiskalpakt jedoch nichts. Und die geplanten strengeren Budgetregeln und härteren Sanktionen sind nach Ansicht von S&P ohnehin nicht durchsetzbar. Vermutlich werde die Fiskalunion schon bei der Ratifizierung in einigen Eurostaaten scheitern, vermuten die Amerikaner. Und selbst wenn er wie geplant Anfang 2013 in Kraft treten sollte, könnte er kaum umgesetzt werden, weil es Zweifel an der Rechtsgrundlage und methodische Probleme gibt.

Details on the exact content and operational procedures of the rules are still to emerge and — depending on the stringency of the rules — the process of passing national legislation may run into opposition in some signatory states, which in turn could lower the confidence of investors and the credibility of the agreed policies

Insgesamt kommt das Ratingurteil einem Verriss der jüngsten EU-Beschlüsse gleich – und einer Ohrfeige für Kanzlerin Merkel, die dabei Regie führte. Doch Merkel macht daraus das genaue Gegenteil: eine Aufforderung, ihren in Griechenland längst gescheiterten Kurs fortzusetzen und die so genannte Fiskalunion, die in Wahrheit eine Spar- und Sanktionsgemeinschaft ist, voranzutreiben. Das grenzt schon an Manipulation…

 

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