Tricksen für die Ukraine, Tauziehen um VDL – und Täuschen beim EU-Beitritt
Die Watchlist EUropa vom 25. Juni – Heute mit noch mehr Geld (und noch mehr Waffen) für Kiew, wackligen Mehrheiten im Parlament und dem überstürzten Start der nächsten Erweiterungsrunde
Russland hat davor gewarnt, Ungarn hat sich dagegen gesträubt. Doch nun ist der Weg für eine neue, rund 1,4 Mrd. Euro schwere Waffenhilfe an die Ukraine frei. Sie soll mit Zinserlösen aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank finanziert werden. Dies haben die EU-Außenminister beschlossen.
Allerdings dürfte sich die EU mit dem Prinzip „russisches Geld für ukrainische Waffen“ gewaltigen Ärger einhandeln. Russland hatte schon vor der Entscheidung von „Diebstahl“ gesprochen und mit Vergeltung gedroht. Moskau könnte nun europäisches Vermögen beschlagnahmen und andere Staaten auffordern, ihr Geld aus der „unsicheren“ EU abzuziehen.
Der Beschluss trifft aber auch Ungarn. Die Außenminister wendeten nämlich einen Trick an und erklärten, Budapest könne gegen die Entscheidung kein Veto einlegen, weil es sich früher mal in derselben Sache enthalten hatte. Ungarn wurde damit de facto übergangen – und das wenige Tage, bevor das Land am 1. Juli den halbjährigen EU-Vorsitz übernimmt.
Ministerpräsident Viktor Orban sei außer sich vor Wut, hieß es in Brüsseler EU-Kreisen. Er versucht seit Monaten, die Waffenhilfen zu blockieren – mit dem Argument, die Hilfe sei nicht effizient und könne zu einer weiteren Eskalation im Krieg mit Russland beitragen. Bisher war er damit erfolgreich, nun ist er zum ersten Mal überstimmt worden.
Die Regeln werden verbogen
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Allerdings hat auch Orban noch ein Eisen im Feuer. Dabei geht es um die Rückerstattung von 6,6 Mrd. Euro für Waffenkäufe aus der sogenannten Friedensfazilität. Hier ist Einstimmigkeit gefordert. Nach dem Affront in Luxemburg könnte Orban auf stur schalten – die betroffenen EU-Staaten müssten dann weiter auf ihr Geld warten…
Außerdem ist unklar, ob Borrells “Trick” einer rechtlichen Überprüfung stand hält. Ich habe da meine Zweifel. Fest steht, dass die EU ihre eigenen Regeln immer mehr verbiegen muß, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Erst mußte Orban eine “Kaffepause'” machen, damit die EU die Beitrittsgespräche mit der Ukraine beschließen konnte.
Dann hat man ihm und seinem Land mit dem wirtschaftlichen Niedergang gedroht. Und nun erklärt Borrell einfach mal so, das Geld für die Ukraine könne “nicht gestoppt werden“. Gemeint ist wohl: Der Krieg gegen Russland – pardon: den “russischen Aggressor” – darf nicht gestoppt werden. Und das sagt der europäische “Chefdiplomat”…
Mehr zum Krieg um die Ukraine hier
News & Updates
- Von der Leyen muß um Mehrheit bangen. Die amtierende Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, muss sich nach allen Seiten strecken – denn ihre “pro-europäische” Mehrheit im neuen Europaparlament schmilzt in der Brüsseler Sommersonne. Dies liegt vor allem an den Liberalen, die nicht nur die Europawahl verloren haben (vor allem in Frankreich), sondern nun auch noch Mitglieder ihrer Parlamentsfraktion einbüssen. – Mehr im Blog
- Noch ein korrupter EU-Chef? Wegen des Vorwurfs der Korruption hat die Europäische Staatsanwaltschaft die Immunität des ehemaligen Chefs der EU-Investitionsbank, Werner Hoyer, aufgehoben. Es geht um eine Abfindungszahlung an einen ehemaligen Beschäftigten. Hoyer wies die Vorwürfe als “absurd und unbegründet” zurück. – Der FDP-Mann wurde schon mal verdächtigt, wegen seiner “merkwürdigen WG”, mehr hier
- EU-Kommission untersucht App Store von Apple. Die EU-Kommission wirft Apple vor, mit seinem App Store gegen Wettbewerbsregeln zu verstoßen. Sie leitete eine Untersuchung ein. Auf den US-Konzern könnten Strafen in Milliardenhöhe zukommen. – Hier die Erklärung der EU-Kommission. Mehr zum digitalen Europa hier.
- Borrell beschuldigt Georgien der “Desinformation”. Der EU-Außenvertreter hat die Regierung in Tiflis beschuldigt, falsche Informationen über die EU zu verbreiten und die Annäherung an die Union zu gefährden. Schuld sei das Gesetz über “Foreign agents”. Deshalb könne Brüssel auch Gelder kürzen, so Borrell. – Mehr zu Georgien hier
Das Letzte
Wie die EU mit der Ukraine “verhandelt”. Am Dienstag beginnen die Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau. Doch man sollte davon nicht allzu viel erwarten. Zum einen wurde der Termin nur deshalb gewählt, damit Ungarns Regierungschef Viktor Orban die Verhandlungen nicht verschleppen kann – am 1. Juli beginnt der ungarische EU-Vorsitz, da wollte man auf Nummer sicher gehen. Zum anderen sind beide Länder keineswegs bereit für den EU-Beitritt. Über angebliche “Fortschritte” hat die zuständige EU-Kommission nur mündlich berichtet, ein offizieller (und nachprüfbarer) Bericht liegt nicht vor. Last but not least gibt es eigentlich gar nichts zu verhandeln. Die EU übergibt den Abgesandten aus Kiew lediglich den Verhandlungsrahmen, der Prinzipien für die Beitrittsgespräche festlegt. Das war’s dann auch schon. In den nächsten sechs Monaten dürfte gar nichts mehr passieren – aus Angst vor Orban. Es sei denn, man findet einen neuen Trick (siehe oben)…
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Titi
25. Juni 2024 @ 21:39
Ich denke, dass der Umgang der EU mit Ungarn den ungarischen Nationalismus weiter fördern wird. Die finanzielle Förderung ist das, was die Ungarn am meisten davon abhält, wie die Briten aus der EU auszutreten, aber bei denen wird die Sehnsucht nach Unabhängigkeit mehr und mehr steigen.
Monika
25. Juni 2024 @ 12:10
Selbst Bundeskanzler Scholz „gesteht“ -mittlerweile im Mainstream- ein, dass viele Bürger mit der Ukrainepolitik nicht einverstanden seien und dies der SPD schädlich wäre. Um im nächsten Atemzug zu sagen, TINA !, there is no alternative… Warum? bleibt -wie alle wichtigen Fragen derzeit- offen, zu wichtigen Fragen gibt es jeweils nur diese eine Feststellung.
Welche wiederum „richtig“ ist aus der Prespektive der Oligarchie. Die Oligarchen dieses Planeten sind der neue „Adel“ und müssten, wie dieser einst durch die französische Revolution und die Aufklärung, entmachtet werden. Schade, dass gerade die Weltgegend, die darüber aus eigener geschichtlicher Erfahrung am meisten „wissen“ müsste, sich zum Vollstrecker der Allmachtsphantasien dieser Schmarotzer machen lässt.
Peter Michael
25. Juni 2024 @ 10:04
In diesem Artikel zeigt sich wieder, dass die EU dringend reformiert werden muss. Diese vielen, mutmaßlich korrupten Strukturen an der Spitze und im mittleren Management dieses Bürokratiemolochs ist untragbar. Mindestens 70 % der unnötigen Bürokraten/-innen sind nicht nötig, wenn die EU der sog. Vaterländer wieder hergestellt wird. Noch nicht einmal die EU-Grundlagenverträge werden ordentlich umgesetzt. Wenn man davon ausgehen kann, dass ca. 80 % der Gesetze, die Deutschland beschließen und umsetzen muss kommen ursprünglich aus Brüssel – sind wir dann überhaupt noch verantwortlich für unser Land. Wir sollten von dieser überbordenden Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten Abstand nehmen. Die Führungscrew ist offensichtlich unfähig, im “Konzert” der weltweiten Staatengruppen konstruktiv mitzuwirken.
WBD
25. Juni 2024 @ 09:12
Ist doch toll, wie man in der EU-Hauptstadt Brüssel die Regeln einer sogenannten ‘regelbasierten Ordnung’ nach Belieben verdreht – wenn’s denn salonfähig wäre, würde man ‘scheiss drauf’ sagen. Aber dafür hat man in Brüssel ja das ‘Manneken Pis’, gelle… ?
exKK
25. Juni 2024 @ 11:35
So langsam kann man nicht mehr übersehen, dass es sich dort in Brüssel an der EU-Spitze um eine Bande von Trickbetrügern handelt.
Michael
25. Juni 2024 @ 08:15
In besagter causa bin ich mit Orban voll einer Meinung auch wenn ich ansonsten prinzipiell anderer Meinung bin!
Und apropos Beitritt Moldau und Ukraine!? Lächerlich!
Thomas Damrau
25. Juni 2024 @ 07:09
Wenn Borrell (wie auf Foreign Affaris zitiert) ankündigt “We will increase our support to civil society and media, will counter disinformation and increase support to the electoral process.” bestätigt er die externe Einmischung über (Pseudo-)NGOs ( https://redfirefrog.wordpress.com/2023/04/28/des-lied-ich-sing/ ) in den Meinungsbildungsprozess, um den es beim kritisierten georgischen Gesetz geht ( https://www.jacobin.de/artikel/georgien-proteste-ngo-gesetz-russland-europa ).