Warum diese Wahl eine Zumutung ist – und was die Chefs über VDL denken

Die Watchlist EUropa vom 06. Juni 2024 – Heute mit dem Demokratie-Defizit bei der Europawahl und dem Frust der Staats- und Regierungschefs über die “geopolitische Kommission”

Der Countdown läuft. In drei Tagen geht die Europawahl zu Ende, und damit auch einer der langweiligsten und unehrlichsten Wahlkämpfe der EU-Geschichte.

Langweilig war es, weil niemand EU-Kommissionschefin von der Leyen ernsthaft herausgefordert und ihre Bilanz infrage gestellt hat. Nicht mal ihre zahlreichen Affäre und Skandale wurden thematisiert.

Unehrlich war es, weil das Parlament die Illusion aufrecht erhalten hat, der Wähler könne über die nächste Kommission und die künftige EU-Politik mitbestimmen. Beides ist falsch.

Die Kommissionsspitze wird von den Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel Ende Juni nominiert, das Parlament darf sie nur noch absegnen. Von der Leyen ist gesetzt. Selbst wenn sie es nicht wird, entscheiden die Chefs – nicht die Wähler. Die Spitzenkandidaten spielen dabei keine Rolle.

Und die EU-Politik ist schon weitgehend festgeklopft. Ukraine, Migration, Klima – längst hat Brüssel die groben Linien abgesteckt. Beim Gipfel im Juni wird auch noch eine “strategische Agenda” beschlossen – die Wähler haben darauf keinen Einfluß. Selten war die Wahl so eingeschränkt.

Angst vor den Wählern

___STEADY_PAYWALL___

Die EU-Politiker müssen eine Heidenangst vor den Wählern haben – anders ist kaum zu erklären, warum sie alle wichtigen Entscheidungen vorweggenommen haben.

Aber es geht doch um die Verteidigung der Demokratie, um den Kampf gegen Rechts? Richtig. Eine selbstbewußte Demokratie sollte ihren Bürgern aber nicht mißtrauen – sondern sie ermächtigen, aktiv mitzubestimmen.

Davon kann diesmal keine Rede sein, die Wahl ist deshalb eine Zumutung. Das viel beschworene “demokratische Defizit” – nie war es größer als heute.

Mehr zur Europawahl hier

News & Updates

  • Grundrechteagentur: Demokratie in Europa ist bedroht. Der demokratische Spielraum werde immer kleiner, weil Behörden in die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Meinungsäußerung eingriffen, kritisiert die Agentur. Dabei weist sie auf restriktive Regeln in Ländern wie Spanien, Ungarn, Frankreich, den Niederlanden und Italien hin. Der Bericht erwähnt Deutschland im Zusammenhang mit Überwachung, Hausdurchsuchungen und Präventivgewahrsam gegen Klimaaktivisten. – Siehe auch “Liberal ist die EU auch nicht mehr”
  • Pariser Klimaziel wird verfehlt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die globale Durchschnittstemperatur in einem der Jahre von 2024 bis 2028 mehr als 1,5 Grad über dem Niveau von 1850 bis 1900 liegt, betrage 80 Prozent, warnt die Weltwetterorganisation. Für die gesamte Fünf-Jahres-Periode liege das Risiko bei 50 Prozent, dass sie über 1,5 Grad liegt. Das Pariser Klimaziel lag unter 1,5 Grad. Die EU hat ihren “Green Deal” darauf ausgerichtet- doch der ist nun schon überholt… Siehe auch mein Essay in der taz
  • Warnung vor russischer “Desinformation”: Vor der Europawahl hat es nach Brüsseler Angaben besonders viele Fälle russischer Desinformation in Deutschland gegeben. Doch wo ist sie, wo bleiben die Beweise? Die EU-Kommission tut sich schwer, ein Experte rudert sogar zurück. – Mehr im Blog

Das Letzte

Was die Chefs über VDL denken. Kurz vor der Europawahl sind in Brüssel vertrauliche Protokolle durchsickert, die EU-Ratspräsident Michel von seinen Gesprächen mit den Staats- und Regierungschefs angefertigt hat. Demnach sind die Chefs unzufrieden mit der “geopolitischen Kommission”. Von der Leyen habe sich zu viele außenpolitische Kompetenzen angeeignet und ihr Mandat überschritten. Besonders groß ist der Ärger in der Nahost-Politik. Die deutsche Politikerin habe sich einseitig auf die Seite Israels gestellt und dabei den EU-Außenbeauftragten Borrell – immerhin auch Mitglied der EU-Kommission – übergangen. Sie habe der rechtsradikalen Regierung Netanjahu einen “Blankoscheck” ausgestellt und damit einen “schweren politischen Fehler” begangen, so ein Diplomat.Über ähnliche Vorwürfe hatten wir letzte Woche in unserem Newsletter berichtet. Mehr dazu hier und hier

Mehr Newsletter hier