Waffenstillstand? Nicht mit der EU!
Europa verpasst auch die zweite Chance für eine Beilegung des Ukraine-Konflikts. Nach dem “Nein” zum Friedensplan des ehemaligen israelischen Premiers Bennet im März 2022 lehnen die Europäer nun auch den 12-Punkte-Plan aus China ab. Er wurde nicht einmal diskutiert.
Die Europäische Union lehnt einen Waffenstillstand in der Ukraine und eine anschließende Verhandlungslösung ab.
Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU haben sich bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel vielmehr hinter die „Friedensformel“ von Präsident Wolodymyr Selenskyj gestellt.
Eine schnelle Waffenruhe hatte China vorgeschlagen. Sie ist Teil des umstrittenen 12-Punkte-Plans, den Präsident Xi Jinping bei seinem Staatsbesuch in Moskau mit Kremlchef Wladimir Putin diskutiert hat.
Der chinesische Plan könne als Grundlage für eine Friedenslösung dienen, sagte Putin. Zugleich beschuldigte er die Ukraine und den Westen, nicht an einem Ende der Kriegs interessiert zu sein.
Das Gipfeldokument verliert kein Wort über die chinesisch-russischen Vorstöße. Stattdessen stellt es sich hinter die ukrainische „Friedensformel“, die den vollständigen Abzug der russischen Besatzer vorsieht.
Russland müsse seine Aggression beenden und die Truppen „sofort, vollständig und ohne Bedingungen“ aus dem gesamten Gebiet der Ukraine abziehen, so die EU. Einen eigenen Plan zur Beendigung des Kriegs legen die Europäer nicht vor.
Ratspräsident Charles Michel setzt vielmehr auf eine Fortsetzung des Militärkonflikts bis zum Sieg. „Eine Niederlage der Ukraine ist keine Option“, betont Michel. Er spricht sich zudem für mehr und schnellere Waffen- und Munitionslieferungen in die Ukraine aus.
Weiterlesen auf taz.de. Siehe auch Spanien und Luxemburg setzen auf China, Frankreich will Druck machen sowie “Mehr Munition für die Ukraine – doch “Sieg” bleibt eine Illusion“.
P.S. Der 12-Punkte-Plan aus China ist natürlich noch keine Friedenslösung. Doch die EU könnte Xi testen und auf die Idee eines Waffenstillstands eingehen. Stattdessen setzt sie auf Aufrüstung und Eskalation – und fragt nicht einmal Selenskyj, der den chinesischen Ideen durchaus etwas abgewinnen kann. Dabei sollte doch eigentlich Kiew entscheiden…
Hekla
24. März 2023 @ 20:38
@Kwasir: ja, eben – welche weltliche Instanz soll denn entscheiden, was als gerecht oder ungerecht zu gelten hat? Das kann nur individuell entschieden werden, denn es gibt keine fest definierbare und universell gültige “Gerechtigkeit”.
Ich halte den Begriff “gerechter Krieg” für eine manipulative rhetorische Figur und finde ihn genauso schlimm, wie sein Gegenteil “ungerechter Frieden”. Die Frage ist eben, wie Sie formuliert haben, was wäre höher zu bewerten, Leben oder Freiheit? Ganz nüchtern gedacht: ohne Leben, ohne den “Menschen” ist Freiheit eine völlig sinnlose, sinnentleerte Kategorie, die quasi frei im Weltall rumschwebt und ohne jeden Nutzen ist.
KK
24. März 2023 @ 18:39
@ Cornelia Henke:
Die Institution Kirche hat noch nie dazu getaugt, hinsichtlich Moral ein Vorbild zu sein…
Wenn, dann waren es Einzelne in den Kirchen, aber die gab es ausserhalb genauso.
Die Kirchen selbst haben sich allzu oft mit den Kriegtreibenden gemein gemacht, um ihre Pfründe nicht zu gefährden. Wenn sie nicht sogar selbst der Grund des Kriegführens waren…
Und was die Abwägung eines höheren Wertes bei der Wahl zwischen Freiheit und Leben angeht, so kann man eigentlich nur konstatieren, dass die schönste Freiheit nicht auszuleben ist, wenn man erst mal tot ist.
Cornelia Henke
24. März 2023 @ 18:21
Ich halte den Ausdruck „gerechte Kriege“ für irreführend und falsch! Es gibt Angriffs- und Verteidigungskriege. Vielleicht auch „notwendige“ Kriege. Aber gerecht kann ein Krieg nicht sein, da immer Unbeteiligte als Kollateralschaden die „Suppe“ auslöffeln müssen.
Schon durch die Mobilisierung werden Menschen gezwungen an „dem“ Krieg teilzunehmen, egal welche Weltanschauung sie haben und jeder weiß welche Konsequenz die Verweigerung mit sich bringt. Es werden Menschen verletzt und sterben, die überhaupt nichts mit dem „Anliegen des Krieges“ zu tun habe.
Also nein Kriege sind nicht gerecht. Eine genauso idiotische Formulierung wie „Waffen schaffen Frieden“ C. Henke
Cornelia Henke
24. März 2023 @ 15:48
Meine Weltanschauung hat sich innerhalb eines Jahres völlig umgekehrt und mit Entsetzen muss ich feststellen, dass ich sogar darüber nachdenke aus der Kirche auszutreten (Evangelisch), denn statt einem „Aufschrei“ gegen den Krieg, hört man nur ein Flüstern und die Protagonisten, die … „Selig sind die Friedenstiften!“ Matthäus 5/9, Wort wörtlich nehmen, werden den gleichgeschalteten Medien zum „Fraß“ vorgeworfen. Was können wir noch tun, um dieser Kriegstreiberei etwas entgegen zu setzen? (Keine rhetorische Frage!) Mir gehen zum ersten Mal im Leben die Ideen aus. Ich höre schon wieder die Worte, der Generation vor mir: „Wir haben nichts davon gewusst“ oder „wenn wir gewusst hätten, dann ..“ Auch sie wurden mit Narrativen von „Heldentum“ und „Verteidigung der Heimat“ geimpft. (Klappt immer wieder)
Auf der gesamten Welt werden ständig Menschrechtsverletzungen begangen, von den USA an vorderer Stelle. Aber mit dem Slogan „Wir sind die Guten“ und mit Worthülsen, die lange Zeit als Camouflage die wirklichen Absichten und Taten verdecken sollten, wurde die Weltbevölkerung eingenebelt. Wie kann man das Transportband anhalten, dass uns schulterklopfend, unaufhaltsam in die Apokalypse befördert? (Wirklich keine rhetorische Frage!) Cornelia Henke
„Man darf nicht die Demokratie zum Vorwand nehmen und ein Land angreifen. Die Menschenrechte kann man den Menschen gewiss nicht durch Bomben bringen. Es darf auch nicht sein, dass man den Kampf gegen eine Diktatur zum Vorwand nimmt, um die Ressourcen einer Nation zu rauben. Demokratie und Menschenrechte können nur mit dem und durch den Willen der Menschen verwirklicht werden, nicht dagegen.“ — Shirin Ebadi
(Iranische Friedensnobelpreisträgerin)
ebo
24. März 2023 @ 17:05
Wir müssen alle nochmal über die Theorie des “gerechten Krieges” bzw Friedens nachdenken, fürchte ich…
Alexander Hort
24. März 2023 @ 17:36
Ist schon länger her, aber ein Dozent an der Uni meinte mal, die Theorie des gerechten Krieges sei da wo sie hingehöre: “In der Mülltonne” der Geschichte menschlichen Denkens. Es schien mir einleuchtend, seither habe ich nicht mehr darüber nachgedacht.
ebo
24. März 2023 @ 17:39
Tja, die Ironie der Geschicht’ ist, dass die EU diese Theorie aus der Mülltonne holt und zur Staatsdoktrin erklärt – allerdings nur, wenn es gegen Russland geht 🙂
Kwasir
24. März 2023 @ 17:43
„Gerechter“ Krieg ? Ich dachte diese Diskussion wäre seit langem erschöpfend lang und breit und hin und herüberlegt worden. Die Frage war und bleibt, wer ist der ‚Gerechte‘, wer der ‚Selbstgerechte‘. Es ist letztlich eine Priorisierung, für die es auch aus kirchlicher Sicht kein Entrinnen gibt, es muss jeder selbst oder es muss von höherer (kirchlicher / staatlicher) Warte ein Urteil gefällt werden,was ist moralisch höher einzuschätzen, die Freiheit oder das Leben ? Das Recht auf Selbstverteidigung oder die Pflicht der Gewaltlosigkeit Jesu, der Wille Gottes, wonach „Krieg nicht sein soll“ (Ökumenischer Rat der Kirchen – 1948).
Aufgelöst wird das Dilemma durch die (bequeme ?) Feststellung der Kirche, dass man in beiden Fällen „schuldig“ wird, weil DIE richtige (gerechte ?) Lösung nicht gibt.
Monika
24. März 2023 @ 20:21
@kwasir
Leben ist ein „dualer“ Begriff. Man hats, oder eben nicht. Deutelungsfrei.
Freiheit ist ein schillernder, vieldeutiger Begriff. Freiheit von was? Wenn ich z.B. frei von Geld bin, kann das Leben ganz schön hässlich werden… Das ganze Gedeutel und Gerede über Kampf für DIE „Freiheit“…
Dabei hält die westliche „Werte“Gemeinschaft im neunten Jahr Julian Assange gefangen. Obwohl er doch das verkörpert und für das gekämpft hat -und immer noch kämpft- von dem die Führer des „goldenen“ Westens nur vorgeben zukämpfen.
KK
23. März 2023 @ 22:32
@ Franz:
„Das Bild von der Hälfte des Hauses ist schief!“
Das war nicht mein Bild – ich habe lediglich versucht, das Bild etwas gerader zu rücken.
Fakt ist, dass eine Brückenfunktion nur in einer Art Kommune aller Bewohner im ganzen Haus funktionieren würde; dafür ist es jetzt aber wohl zu spät. Der Ukraine steht am ehesten noch ein geteiltes Schicksal wie einst Deutschland oder immer noch Korea bevor, wenn es nicht in einen zumindest EUropa weitgehend vernichtenden Krieg münden soll.
Unsere Politiker sollten trotz hartnäckiger Verweigerung doch mal einen Apfel vom Baum der Erkenntnis kosten… bevor es zu spät ist.
Werner Wintersteiner
23. März 2023 @ 16:00
Sehr richtige Einschätzung! Traurig, wie die EU ihre historische Mission verfehlt.
Ich habe den chinesischen Plan etwas genauer studiert und finde ebenso, er muss endlich diskutiert werden:
https://walteroetsch.at/der-china-plan/
Kwasir
24. März 2023 @ 17:59
Eine einfache ‘Nagelprobe’ hätte sein können, von jeder Seite zu jedem der 12 Punkte eine schriftliche Meinung einzuholen, d.h. jeden zu einer Reaktion verpflichten :a) kann der Punkt Gegenstand in einer Verhandlung sein, b) falls ja, inwiefern…
Vom Westen wurden die 12 Punkte ja in kürzester Zeit mehrheitlich als untauglich, weil kein ‘Friedensplan’ vom Tisch gefegt.
Dabei sagte neulich selbst Herr Irschinger er sähe , dass an “dem Knochen Fleisch dran sei”, weshalb es sich empfehlen würde , sich mal Punkt für Punkt genauer anzusehen.
Was aber die ‘historische Mission’ der EU sein sollte – daran rätsele ich noch.
Im Moment tut es doch nur weh, auf Dauer zwischen beiden Stühlen sitzen zu müssen und keiner in Sicht ist, der der in die Jahre gekommenen Dame EU wieder aufhelfen könnte.
KK
23. März 2023 @ 15:47
@ Annette Hauschild:
“Na ja, wenn Ihnen jemand die Hälfte Ihres Hauses wegnimmt und Ihnen auf dieser Basis eine Lösung vorschlägt, wie würden Sie dann reagieren?”
Da Sie in Bildern sprechen:
Die Ukraine war von ihrem Anbeginn an immer ein Doppelhaus – und wie in einem solchen. wo zwei Doppelhaushälften idR von unterschiedlichen Familien bewohnt werden, gab es in der Ukraine seit der Unabhängigkeit zwei Völkerfamilien. Und ab dem Euro-Maidan hat dann die eine der beiden Familien versucht, der anderen ihre Hausordnung aufzuzwingen – nachdem man die alte gemeinsame einfach für ungültig erklärt hatte.
Wer würde da nicht als unterworfener Mitbewohner mit Hilfe von Feunden und Verwandten eine Mauer quer über das Grundstück ziehen wollen, um bei der Hausordnung für die eigene Hälfte wieder mitreden zu können?
Franz
23. März 2023 @ 20:14
Das Bild von der Hälfte des Hauses ist schief!
Gilt es für die Brückenfunktion der Ukraine zwischen Ost und West, von der ja auch Ukrainer reden? Soll dann die Brücke in der Hälfte geteilt werden? Russland darf nicht die Hälfte der Ukraine nehmen!
Oder gilt das Bild für den Donbass? Auch dann ist das Bild schief, nämlich verharmlosend: Die Hälfte der Bewohner des Donbass, 2 Millionen, sind bereits 2014 vertrieben worden. Das war ein Kriegsverbrechen und hat die Hälfte des Hauses schon damals zerstört: mit Artillerie (im Wortsinne). Bis heute unbewohnbar.
KK
23. März 2023 @ 15:37
@ Sandra Petry:
Ich hatte hier schon angeregt, eine EU-weite Petition zu starten, den Friedensnobelpreis von 2012 zurückzugeben, da sich die EU seiner als absolut unwürdig erwiesen hat.
Aber vermutlich bekommt den nächsten Selenskji… womit der Preis dann vollends pervertiert wäre.
Heindoofi
23. März 2023 @ 13:39
Na ja, wer hat eigentlich seit 2014 versucht die Hälfte des Hauses die man jetzt “wegnimmt” unbewohnbar zu machen…..?
Arthur Dent
23. März 2023 @ 12:46
Falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte: KLIMASCHUTZ FUNKTIONIERT NICHT IN EINER KRIEGERISCHEN UND WAFFENSTARRENDEN WELT!
Ziel ist es, Russland massiv zu schwächen – ist es denn schon erheblich geschwächt? Rüstungsindustrie und die Energieliferanten fossiler Energien lachen sich gerade ins Fäustchen ob der auf Jahre hinaus glänzenden Geschäfte – die haben kein Interesse daran, dass der Frieden „ausbricht“.
Hekla
23. März 2023 @ 09:31
@Annette: um bei Ihrem Beispiel zu bleiben – ich würde mir die Kräfteverhältnisse genau anschauen und dann überlegen, ob ich jene Hälfte meines Hauses weiter zerstören und ob ich die dort verbliebenen Familienmitglieder weiter sterben lassen möchte. Um der sog. “Gerechtigkeit” willen würde ich meine Familienmitglieder sicher nicht opfern.
Hekla
23. März 2023 @ 07:49
Mein weltanschauliches Problem ist zunehmend: ich muss Putin immer öfter recht geben.
Der Westen ist offensichtlich nicht an einem Ende des Kriegs interessiert, die Ukraine auch nicht.
Annette Hauschild
23. März 2023 @ 08:53
Na ja, wenn Ihnen jemand die Hälfte Ihres Hauses wegnimmt und Ihnen auf dieser Basis eine Lösung vorschlägt, wie würden Sie dann reagieren?
ebo
23. März 2023 @ 09:35
Dieses Argument hört man oft. Aber ein Waffenstillstand bedeutet ja nicht, dass die Besatzung (oder der Diesbstahl) anerkannt wird. Er bedeutet zunächst nur, dass das Haus nicht weiter zerstört wird.
Danach kann man verhandeln – ohne Erfolgsgarantie, aber auch ohne Schaden. Das Argument, dass Putin eine Verhandlungspause nur zu weiterer Aufrüstung nutzen würde, zieht nicht – denn genau das macht der Westen ja auch, sogar ohne Pause…
Sandra Petry
23. März 2023 @ 10:00
Hatte 2012 die Europäische Union nicht den Friedensnobelpreis erhalten? Jetzt scheint der EU das Wort Frieden ein Fremdwort zu sein.
ebo
23. März 2023 @ 10:03
So ist es!
european
23. März 2023 @ 10:07
Hier sollte man genau hinsehen, WER WEM etwas wegnimmt. Es waren der IWF und die EU, die die Ukraine dazu mehr oder weniger gezwungen haben, endlich ihre Ackerboeden zum Verkauf freizugeben. Schliesslich war das Land mittlerweile voellig ueberschuldet und der Geldgeber fordert seinen Tribut. Dieses Prinzip ist schon sehr alt. Erst anfixen, dann auspluendern. Alles im Namen von Demokratie, Freiheit und natuerlich Frauenbefreiung. Wer koennte das vergessen. Afrikanische und suedamerikanische Laender koennen ein Lied davon singen. Nicht zuletzt ist das ein Grund, weshalb 70% der Weltbevoelkerung entweder neutral oder ablehnend dem Westen gegenueberstehen, dessen Werte immer ein Waehrungszeichen tragen.
Es gibt keine Rechtfertigung fuer Krieg, aber manchmal sieht man ihn kommen. Diesen hat man lange kommen sehen, insbesondere wenn man sich die Botschaftsdepeschen ansieht, die Wikileaks kuerzlich veroeffentlicht hat, und haette man gleich mittels Diplomatie einen Interessensausgleich angestrebt, der allen Parteien – einschliesslich Russland – gerecht wird, haette es diesen Krieg nie gegeben. Es waren USA, die eine Verhandlung vor dem Krieg abgelehnt haben und USA/UK, die eine bereits eingestielte Verhandlung abgelehnt haben. (Mit welchem Recht eigentlich?)
Jetzt ist die Ukraine Testfeld fuer neue Waffentechnologien. Grossbritannien hat angekuendigt, Uranmunition zu liefern. Bewegen wir alle uns damit in eine bessere Zukunft?
european
23. März 2023 @ 10:27
@Sandra Petry
Auch Obama erhielt den Friedensnobelpreis und nach meinem Wissen hat kaum ein amerikanischer Praesident so viele Kriege gefuehrt wie er, einschliesslich der Drohnenmorde. Auch Obama hat uebrigens am Russland-Ukraine-Konflikt gezuendelt.
Weder die EU noch Obama haben diesen Preis verdient.