Von der Coronakrise in die Eurokrise?


EZB-Chefin Lagarde warnt vor “dramatischem Abstieg” der Wirtschaft, die EU-Spitzen suchen das Gespräch mit China – und Ägypten droht mit Einmarsch in Libyen, um die Türkei zu stoppen: Die Watchlist EUropa vom 22. Juni 2020.

Deutschland hui, Europa pfui: Nach dem ergebnislosen EU-Gipfel zum Wiederaufbau am Freitag gehen die Einschätzungen zur Coronakrise weit auseinander. Während die Europäische Zentralbank vor einem noch tieferen Absturz warnt, gibt sich die Bundesbank schon wieder tiefenentspannt.

Deren Präsident Jens Weidann macht in Optimismus: “Der Tiefpunkt dürfte mittlerweile hinter uns liegen, und es geht wieder aufwärts“, sagte er der FAS. Auf den scharfen Einbruch wegen der Corona-Pandemie werde eine langsame Erholung folgen, gibt sich Weidmann zuversichtlich.

Tiefschwarz sieht dagegen EZB-Präsidentin Christine Lagarde. “Die EU-Wirtschaft erlebt einen dramatischen Absturz“, sagte sie beim Videogipfel der Staats- und Regierungschefs am Freitag. Im zweiten Quartal rechne sie mit einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 13 Prozent.

So stark ist die Konjunktur in Europa noch nie eingebrochen. „Das Schlimmste steht noch bevor“, warnte die Französin. Die EU müsse daher schnell handeln und das angekündigte Wiederaufbau-Programm schnell beschließen. Sonst könne die Stimmung an den Märkten kippen.

Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, 750 Milliarden Euro an neuen Schulden aufzunehmen, um ein gigantisches Konjunkturprogramm zu finanzieren. Der Großteil – 500 Milliarden Euro – soll als nicht rückzahlbarer Transfer an die Krisenländer in Süd- und Osteuropa fließen.

Die größten Summen dürften nach Italien, Spanien und Frankreich gehen, wie der Brüsseler Thinktank „Bruegel“ berechnet hat. Im Vergleich zur Wirtschaftsleistung würden allerdings Bulgarien, Kroatien und Griechenland am meisten profitieren. Dies führt zu neuem Streit.

So zweifelte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag die „Datenbasis“ der EU-Kommission an. Tatsächlich bezieht sich die Brüsseler Behörde bei ihren Berechnungen auf Zahlen aus 2019, also der Zeit vor der Coronakrise. Die Schwere der Pandemie wird dagegen nicht berücksichtigt.

Merkel will schnell wieder raus

Streit gibt es auch über den Zeitplan. Merkel forderte, das geplante Konjunkturprogramm schnell wieder zu beenden und die neuen EU-Schulden rasch zurückzuzahlen. Demgegenüber verlangen Italien und Spanien, die Hilfen nicht vorzeitig zu kappen.

Denn dann könnte die erhoffte stimulierende Wirkung auf die Wirtschaft verfehlt werden – und am Ende stünde womöglich wieder nur Deutschland gut da. Dies wiederum, so fürchtet wohl Lagarde, könnte eine neue Eurokrise auslösen…

Siehe auch EU-Budget: Warum diesmal alles anders ist und “Offene Führungskrise in der Eurogruppe”

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Watchlist

Finden die EU und China doch noch zusammen – oder droht ein neuer kalter Krieg? Dies wollen die EU-Spitzen am Montag ausloten, wenn sie mit Präsident Xi Jinping und Premierminister Li Keqiang konferieren – per Video, natürlich. Zuletzt wurde in Brüssel eigentlich nur noch schlecht über China geredet, das Europaparlament fordert sogar Wirtschaftssanktionen wegen Hongkong. Doch die EU plant ein Investitionsabkommen mit Peking – irgendwie paßt das alles nicht zusammen… Mehr hier

Was fehlt

Der Streit um den tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis. Das EU-Parlament hatte am Freitag gefordert, dass Babis wegen möglicher Interessenkonflikte nicht mehr über den EU-Haushalt verhandeln dürfe. Babis wies dies als “Einmischung” zurück, die EU-Kommisson ermittelt – hat es aber offenbar nicht sehr eilig. Schließlich gehen die Verhandlungen über das EU-Budget gerade in die kritische Phase, Kommissionschefin von der Leyen will keinen Ärger…- Mehr hier [wpdiscuz-feedback id=”1sq3qrxh8u” question=”Was halten Sie von dem Streit um Babis? Comments welcome!” opened=”0″][/wpdiscuz-feedback]

Das Letzte

Die EU riskiert einen weiteren Krieg vor ihrer Haustür – diesmal in Libyen. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat mit einer direkten Militärintervention in dem nordafrikanischen Land gedroht. Der Vormarsch der von der Türkei unterstützten Streitkräfte der libyschen Einheitsregierung auf die Stadt Sirte sei eine “rote Linie” für Ägypten, erklärte er. Brüssel steckt in der Zwickmühle – denn die EU-Kommission will es sich weder mit dem türkischen Sultan Erdogan noch mit al-Sisi verderben… – Mehr hier


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