EU-Budget: Warum diesmal alles anders ist

Bei ihrem Videogipfel am Freitag konnten sich die 27 Staats- und Regierungschefs der EU noch nicht auf ein neues Sieben-Jahres-Budget und den Wiederaufbau-Plan der Kommission einigen. Auf den ersten Blick ist dies keine Überraschung – Budgetverhandlungen dauern immer lange. Dabei ist diesmal alles anders.

Das fängt schon mit der Größenordnung an: Alles in allem feilschen die Chefs um nahezu 2 Billionen Euro – so viel stand noch nie auf dem Spiel. Neu ist auch die Tragweite: Es geht nicht nur ums Geld, sondern auch um die Glaubwürdigkeit der EU in der Krise. Wird sie nicht wiederhergestellt, könnte die Union scheitern.

Und dann sind da natürlich die Schulden: Schlappe 750 Mrd. Euro will Kommissionschefin von der Leyen aufnehmen – so viel wie nie. Und so lange wie nie – bis 2058.

Das heißt aber auch, dass das Programm “Next Generation EU” zur schweren Hypothek für die nächste Generation werden kann – wenn die Geldspritze nicht die gewünschte Wirkung zeigt und die Wirtschaft nachhaltig belebt.

Damit dies gelingt, will die EU nicht einfach die alten Strukturen neu subventionieren, sondern den Übergang in eine klimafreundliche und digitale Wirtschaft fördern – auch das ist neu. Allerdings ist unklar, ob dafür das Geld reicht.

Mindestens genauso spannend wie die interne Wiederaufbau-Debatte ist aber auch der Rahmen, in dem sie stattfindet.

Die EU ist am Ende ihrer Kräfte, die Kassen sind leer, mit dem EU-Beitrag von 1,0x Prozent lassen sich ihre beständig wachsenden Aufgaben nicht mehr finanzieren. Auch das ein Grund für die Schuldenaufnahme.

Auch Deutschland steht mit dem Rücken zur Wand. Früher hat sich das größte EU-Land bei Budgetverhandlungen gern hinter UK versteckt. Beim letztenmal hat Merkel den Haushalt sogar zusammen mit Cameron gekürzt. Das geht nun nicht mehr.

Zudem muß Deutschland – wohl zum ersten Mal in der EU-Geschichte – um seine Absatzmärkte in Europa fürchten. Wenn der Binnenmarkt zusammenbricht, ist Schluß mit lustig.

Als Konsequenz hat Kanzlerin Merkel eine 180-Grad-Wende hingelegt und in “deficit spending” eingewilligt. Auch das gab es noch nie.

Da es das noch nie gab, wissen wir aber auch nicht, ob Merkel wirklich zu ihrer neuen Politik steht – oder ob sie nur den Umständen geschuldet ist.

Rettung zu deutschen Bedingungen

Schließlich übernimmt Deutschland ja am 1. Juli für sechs Monate den EU-Vorsitz. Damit lastet auf Merkel eine große Verantwortung. Sie muß “Europa retten”, heißt es.

Doch es wird eine Rettung zu deutschen Bedingungen, sie wird EUropa noch deutscher machen. Man denke nur an die deutschen Staatsbeihilfen und Kredite, die alles in den Schatten stellen…

Merkel hat zuerst an Deutschland gedacht, nun denkt sie (auch mal) an Europa. Man darf gespannt sein, wie die EU zum Ende des Jahres aussieht. Es wird auf jeden Fall eine andere Union sein…

Siehe auch “Dieser Gipfel wird nichts bringen – dabei geht es um alles” und “Wie deutsche Corona-Hilfen der EU schaden”