Vom Brexit zum Dexit? AfD eröffnet neue Front – in der “FT”
Während in Deutschland hunderttausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen, hofiert die britische “Financial Times” AfD-Chefin Weidel mit einem Interview. Sie darf sogar den Brexit loben.
Der Brexit sei ein “Modell für Deutschland”, sagte Weidel nach Angaben der “FT”. Kurz danach ruderte sie allerdings schon wieder zurück. Der “Dexit” (EU-Austritt) sei nur der “Plan B”, falls sich Brüssel nicht den Wünschen der AfD fügen sollte.
Eine von ihrer Partei geführte Regierung würde versuchen, die EU zu reformieren und den Mitgliedstaaten wieder mehr Souveränität zu geben. Falls dies nicht gelingen sollte, sollte es auch in Deutschland ein Referendum über den Verbleib in der EU geben, so wie 2016 in Großbritannien.
Das Timing ist merkwürdig. Denn in UK ist der Brexit derzeit ziemlich unpopulär. Und in Deutschland gehen hunderttausende gegen die Rechten auf die Straße, viele protestieren auch gegen die Politik der AfD.
Doch die “FT” scheint das nicht zu stören. Mit dem Interview hofiert und adelt sie die AfD – oder geht es einfach nur um Aufmerksamkeit und Auflage?
Siehe auch AfD-Spitzenkandidat will doch keinen Dexit. Mehr zur Europapolitik der AfD hier
P.S. Die “FT” bringt heute auch ein “Lob der Masseneinwanderung”. Zufall oder Absicht?
Arthur Dent
22. Januar 2024 @ 21:47
„Eine von ihrer Partei geführte Regierung würde versuchen, die EU zu reformieren und den Mitgliedstaaten wieder mehr Souveränität zu geben.“ – Das wäre durchaus wünschenswert, die Übertragung von Herrschaftsbefugnissen auf die supranationale Ebene geht mit einem erheblichen Verlust von Demokratie einher. Internationale Organisationen und supranationale Institutionen hingegen waren und sind primär dazu gemacht, die Macht demokratischer Nationalstaaten zugunsten ökonomisch starker Akteure auszuhebeln – das gilt insbesondere für die EU. Der Mensch als „Weltbürger“ ist eine „vergeistigte“ Theorie, die an den Realitäten des sozialen Lebens völlig vorbeigeht.
european
22. Januar 2024 @ 14:44
Soweit mir bekannt, sind Referenden in der Bundesrepublik nicht vorgesehen. Einige Laender haben die Moeglichkeit, unter bestimmten Bedingungen, Volksbefragungen durchzufuehren. Der Brexit war eigentlich sogar nur “advisory”, wurde aber kurzerhand als Vorgabe und “Volkes Wille” durchgesetzt. Hier in UK reicht eine einfache Mehrheit fuer ein solches Vorgehen selbst mit so einschneidender Wirkung. Ich kenne mich nicht im Verfassungsrecht aus, glaube aber kaum dass sich das so einfach in Deutschland wuerde durchsetzen lassen.
Die Intention hinter dem Artikel ist klar. Es ist Wahlkampf und der Grad der Unzufriedenheit in der Bevoelkerung ist gross. Die Probleme, die der Brexit hier im Land ausgeloest hat, werden natuerlich nicht diskutiert, sondern nur die vermeintlich gewonnene “Unabhaengigkeit” gesehen. Nun, diese gibt es in dieser Welt nicht. Es gibt sie nie. Ein gutes Beispiel ist diese planlose Sanktionitis gegen Russland, die immer mehr den Sanktionierern auf die Fuesse faellt. Russland’s Wirtschaft waechst, die Europaeer gehen in den Keller. Wir haben uns auch nicht von russischer Energie “unabhaengig” gemacht. Wir beziehen sie nur in anderer Form, auf anderen Wegen und zu sehr viel hoeheren Kosten. Flassbeck hat sehr Recht, wenn er immer wieder darauf hinweist, dass diese Welt eine geschlossene Volkswirtschaft ist.
Im Land wird gespart, gekuerzt, wichtige Infrastrukturmassnahmen auf St. Nimmerlein verschoben, Mieten und Nebenkosten steigen, die Tafeln haben Aufnahmestopp uvm. Gleichzeitig “verballert” Bruessel das Geld der Steuerzahler und will Nachschlag. Das ist Wasser auf die Muehlen der AfD, eine Partei, die meiner Ansicht nach durch diese voellig fehlgeleitete Politik erst gross gemacht wurde und wird.
Der FT ist das egal. Sie berichtet, was ihre Leser interessieren koennte. Ist Deutschland ein Land, in das man noch investieren kann, oder besser doch nicht?
Adigo
23. Januar 2024 @ 10:49
Weitgehend Zustimmung, allerdings eine Richtigstellung: auch in D sind gem. Artikel 20 (2) GG Referenden vorgesehen: “Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.”
>>UND ABSTIMMUNGEN!<<
Allerdings haben die "Organe der Gesetzgebung" bisher "vergessen", die Option Abstimmungen, also Volksentscheide, in einem Ausführungsgesetz zu konkretisieren. Kein Wunder, würde dieses Element einer direkten Demokratie die Macht der Parteien schwächen und dazu führen, dass die "Lobbykratie" abgebaut wird.
Die GemeinWohl-Lobby hat nun einen Anlauf gestartet, um auch auf Bundesebene endlich Volksentscheide durchzusetzen – durch eine Petition: https://gemeinwohl-lobby.de/petition-an-den-bundestag/