Unhaltbare Versprechen: Von der Leyens’ Populismus
Kommissionschefin von der Leyen soll die EU aus der Dauer-Krise holen. Dabei hat sie sie selbst mit verursacht. Was taugt ihr Programm für die zweite Amtszeit? – Teil zwei einer mehrteiligen Serie. Heute: Von der Leyens gefährlicher Populismus.
Früher war klar, worum es ging: Frieden, Wohlstand und Stabilität waren die Versprechen, mit denen die EU angetreten ist. Die deutsch-französische Aussöhnung stand für Frieden, der Binnenmarkt für Wohlstand und der Euro für Stabilität.
Aus, vorbei. Der Frieden ist in der Ukraine verloren gegangen, die EU sucht ihn nicht einmal mehr. Der Binnenmarkt leidet unter kontraproduktiven Sanktionen und explodierenden Energiepreisen. Die Eurozone hat die Inflation nicht im Griff; die steigenden Lebenshaltungskosten gefährden den Wohlstand.
Die EU hat alle Ziele verfehlt, die Politik ist vom Kurs abgekommen. Doch statt sich dies einzugestehen und Abhilfe zu suchen, wird die Krise verdrängt. Früher gab es wenigstens noch Krisengipfel. Heute gibt es nicht einmal mehr das.
Schließlich hat die EU von der Leyen. Die Kommissionspräsidentin sei eine erfolgreiche Krisenmanagerin, hieß es vor ihrer Wahl für die zweite Amtszeit. Dies hätten die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg gezeigt. Deshalb solle sie im Amt bleiben.
Doch in ihrem Regierungsprogramm finden sich keine Lösungen. Weder für den Ukrainekrieg noch für die Asyl- und Migrationskrise – also die beiden beherrschenden Themen rund um die Europawahl.
Von der Leyen verrät auch nicht, wohin die Reise gehen soll. Der EU-Beitritt der Ukraine und Georgiens – eine “Mission impossible” – wird ebenso zum Ziel erklärt wie der Schutz Taiwans. Dabei liegt das nicht mal in EUropa!
Wird die EU zu Tode erweitert, droht gar ein “imperialer Overstretch”? Was ist die “Finalität” (also das letzte Ziel) der EU, wie verhält sie sich zur neuen “Europäischen Politischen Gemeinschaft”?
Und wer vertritt eigentlich die Interessen der 450 Millionen West- und Mitteleuropäer? Diese Frage, die wir in diesem Blog schon vor der Europawahl gestellt haben, bleibt unbeantwortet.
Aus Wahlprogrammen abgeschrieben
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Stattdessen breitet von der Leyen einen Wünsch-Dir-Was-Katalog aus, der direkt aus den Wahlprogrammen ihrer EVP und ihrer informellen Koalition aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen abgeschrieben ist.
Sie reichen vom (halben) Aus für das Verbrenner-Aus über die (halbherzige) Fortsetzung des Green Deal bis hin zur (neuen) Förderung des Wohnungsbaus, für den die EU gar nicht zuständig ist.
In der Summe sind von der Leyens Versprechen maßlos, widersprüchlich und letztlich unhaltbar. Man könnte es “pro-europäischen” Populismus nennen – sie redet allen nach dem Mund.
Wie die Ampel, nur noch schlimmer
Dabei hatte sie vor der Europawahl den Populisten den Kampf angesagt? Doch damit waren wohl nur die linken und rechten Parteien gemeint – also jene, die ihren Kurs nicht mittragen.
Dabei könnte sich auch der “pro-europäische” Populismus als gefährlich erweisen. Die EU verfügt nämlich nicht über die Mittel, um von der Leyens Wünsch-Dir-Was-Programm umzusetzen.
Damit ist Enttäuschung programmiert. Die CDU-Politikerin wird viele Versprechen brechen (müssen) und sich in parteipolitische Widersprüche verstricken, was ihre Koalition genauso schwächen wird wie die Ampel in Berlin.
Um das Verbrenner-Aus ist schon ein erbitterter Grabenkampf entbrannt. Die FDP hat von der Leyen sogar eine Art Ultimatum gesetzt, nach 100 Tagen droht der erste große Krach…
Teil 1 der Serie steht hier
Michael
31. Juli 2024 @ 09:42
Das Problem ist nicht so sehr die EU Finalität, also das Ziel, sondern die Fähigkeit den Weg dahin vom Ende her zu durchdenken. Weber, UvdL, etc. sind dazu nicht etwa nicht willens, sondern unfähig.
Ute Plass
31. Juli 2024 @ 09:03
„Schließlich hat die EU von der Leyen. Die Kommissionspräsidentin sei eine erfolgreiche Krisenmanagerin, hieß es vor ihrer Wahl für die zweite Amtszeit. Dies hätten die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg gezeigt. Deshalb solle sie im Amt bleiben.“
Jetzt wäre nur noch „der Erfolg“ der ‚erfolgreichen Krisenmanagerin‘ zu definieren.
Zunehmend zeigt sich welches „Irrenhaus“ all diese „Krisenmanager“ uns hierzulande wie weltweit bescheren:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=118681
exKK
31. Juli 2024 @ 11:01
Sorry, muss heute wieder irgendwo drauf antworten, da eigene Beiträge zum Artikel nicht funktionieren – und hier passt es noch am besten:
„Früher gab es wenigstens noch Krisengipfel.“
Heute sind wir auf dem Gipfel aller Krisen.
„Damit ist Enttäuschung programmiert. Die CDU-Politikerin wird viele Verbrechen brechen (müssen)…“
Also wenn schon Freud, dann richtig: „Die CDU-Politikerin wird [wieder] viele Verbrechen BEGEHEN (müssen)…“
Thomas Damrau
31. Juli 2024 @ 08:28
Die Bedeutung von Realität wird maßlos überschätzt. Es lebt sich oft viel besser im Wolkenkuckucksheim.
Das trifft natürlich nicht für Menschen in prekären Lebensumständen zu – aber ab (gehobenem) Mittelstand liegt genügend Vermögen zwischen Weltbild und Realität („Mein Haus, mein Auto, meine Urlaubsreisen, …, meine eigene Realität.“)
Und der (imaginierte) Mittelstand ist das Zielpublikum der Radikalen Mitte (https://redfirefrog.wordpress.com/2024/03/02/das-glaubensbekenntnis-der-radikalen-mitte/). Daher kleistern PolitikerInnen, wie von den Laien, die häßliche Realität mit allerlei Glaubenssätzen zu:
— Wir habe eine großartige Zukunft.
— Wir sind beliebt in der Welt.
— Wir stehen für Freiheit und Fortschritt.
— Wir werden alle Umweltprobleme mit Markt und Technik lösen. (https://wordpress.com/post/redfirefrog.wordpress.com/868)
— Wir helfen dem Globalen Süden bei seiner Entwicklung.
— Wir haben ein Herz für die schlechter gestellten BürgerInnen in unserer Gesellschaft.
Das gefällt immer noch vielen WählerInnen – in Deutschland laut neusten Umfrangen noch 60% (https://dawum.de/Bundestag/Forsa/2024-07-30/).
… und wenn sie gestorben sind, regieren sie noch heute …
european
31. Juli 2024 @ 08:28
Mein Eindruck ist, dass die Laender zunehmend die Dinge selbst in die Hand nehmen werden. Irland hat schon vor Monaten einen Deal mit China abgeschlossen, der sogar vereinfachte Visa-Verfahren bzw. visa-freie Aufenthalte ermoeglichen soll. Ungarn bekommt gerade einen Milliardenkredit von China und hat seine Arbeitsvisa-Verfahren fuer russische Arbeitnehmer vereinfacht. Italien arbeitet auch wieder verstaerkt mit China zusammen und seit gestern frage ich mich, ob ein EU-Mitgliedsland auch Mitglied bei den BRICS werden kann. Fuer manche waere das ein logischer Schritt, insbesondere im Angesicht der weiter aufrecht erhaltenen Austeritaetsauflagen, die von Deutschland wieder einmal durchgepeitscht werden sollen. Irgendwoher muessen die wirtschaftlichen Impulse kommen.
Das sind nur die Dinge die mir aktuell bekannt sind. Ich vermute, dass noch sehr viel mehr laeuft, was zur Zeit noch unter der Decke gehalten wird.
Kleopatra
31. Juli 2024 @ 08:08
Wenn Sie von „450 Millionen West- und Mitteleuropäer(n)“ schreiben, wo liegt bei Ihnen dann die Grenze zwischen Mittel- und Osteuropa?
Helmut Höft
31. Juli 2024 @ 09:39
Vorschlag: Europa vom Ural bis zum Atlantik, jetzt musst Du nur noch die Mitte finden und dann den Osten – das wäre dann rechts davon, der Westen wäre links … (ich helfe gern).
Skyjumper
31. Juli 2024 @ 19:56
Die Frage ist nicht unberechtigt. Ich VERMUTE das ist ein Satz der @ebo aus Gewohnheit rausgerutscht ist. Denn bei 450 Mio. (und im Kontext gesehen) ist offenbar die EU gemeint. Die ja nun seit einigen Jahren auch Süd-, SüdOst- und Osteuropäer beinhaltet 😉
ebo
31. Juli 2024 @ 23:53
So ist es, ich meine die Bürger der EU-Staaten. Südeuropa ist natürlich mit eingeschlossen 🙂
Hans L. Schmid
31. Juli 2024 @ 07:22
„…Doch wo bleiben die Bürger, wer vertritt die Interessen der 450 Millionen West- und Mitteleuropäer?“ – Alle Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa, auch in Russland und in der Ukraine, können ihre Interesse bekunden und ihre Rechte fordern auf http://www.our-new-europe.eu!