Scholz merkelt sich durch, Erdgogan umwirbt Afrika – und die neue GroKo beim Boostern

Die Watchlist EUropa vom 17. Dezember 2021 –

Je größer der Druck ist, desto schweigsamer wird Olaf Scholz. In Berlin hat man sich daran gewöhnt. Doch in Brüssel, bei seinem ersten EU-Gipfel, kam der neue Kanzler damit nicht durch. Schon bei seiner Ankunft im Brüsseler Gipfelgebäude wurde er mit Fragen bombardiert.

Wird es wegen des Militäraufmarschs rund um die Ukraine neue Sanktionen gegen Russland geben? Kommt die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 auf die EU-Sanktionsliste?

Dies fordert nicht nur die Ukraine, das wollen auch Polen, Litauen und Lettland. Der Gipfel möge beschließen, “dass Nord Stream auf dem Tisch ist“, verlangte der lettische Regierungschef Krisjanis Karins, der in der Russland-Politik zu den Hardlinern zählt. „Wenn es erhöhte militärische Aktivitäten gibt, würde das Projekt abgeschaltet“.

Doch Scholz antwortet nicht. Natürlich werde man über die „schwierige Situation der Ukraine“ sprechen, sagte der SPD-Politiker. „Die Unverletzbarkeit der Grenzen ist eine der ganz wichtigen Grundlagen für Frieden in Europa.“

Scholz setzt auf Kontinuität

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Das war’s – mehr ließ sich der Amtsnachfolger von Angela Merkel nicht entlocken. Kein Wort zu Sanktionen, kein Satz zu Nord Stream. Scholz ließ die Fragen an sich abprallen, vor seiner Feuerprobe im Europäischen Rat wagte sich der SPD-Politiker nicht aus der Deckung.

Typisch Scholz – aber auch typisch Deutschland. Der neue Kanzler setzt in der Außenpolitik auf Kontinuität. Fast scheint es, als wolle er in Merkels Fußstapfen treten und deren vorsichtige, dialogbereite Linie gegenüber Russland fortsetzen.

Die Bundesregierung sei zum Dialog mit Moskau bereit, wenn dies helfen könne, aus der Eskalationsspirale auszubrechen, hatte der SPD-Politiker im Bundestag erklärt. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Scholz nun versuchen, die EU wieder ins Spiel zu bringen.

Der deutsch-französische Plan

Sein Plan: Erst soll es Dreiergespräche mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj geben. Ein erstes Treffen im sogenannten N3-Format hat bereits am Mittwoch in Brüssel stattgefunden.

Danach wollen Scholz und Macron zu Viererrunden im Normandie-Format zurückkehren – mit Kremlchef Wladimir Putin.

Das wird nicht leicht. Selbst Merkel war es am Ende nicht mehr gelungen, die verhärteten Fronten aufzubrechen. Sie wollte schon im Juni ein Treffen mit Putin organisieren. Doch die Osteuropäer waren dagegen.

Mittlerweile haben die USA die Führung übernommen. Us-Präsident Joe Biden hat die Ukraine-Krise zur Chefsache gemacht und eine Anti-Russland-Front organisiert.

Klare Ansage aus Washington

Die Nato, die G-7 und auch die EU sollen Putin von einer neuen „Aggression“ gegen die Ukraine abhalten und mit wirtschaftlichen Sanktionen drohen, lautet die Ansage aus Washington.

Wenn die EU dem folgt, dann wird sie nicht nur von der USA abhängig – “strategische Autonomie” hin und her. Sie wird auch zum verlängerten Hebel der Nato, denn die kann keine Sanktionen verhängen.

Deshalb soll sich nun Scholz die Finger schmutzig machen, mit der Merkel’schen Russland-Politik brechen – und Nord Stream endgültig auf Eis legen.

Seine grüne Außenministerin Baerbock dürfte damit keine Schwierigkeiten haben. Die deutsche Wirtschaft umso mehr…

Siehe auch “Baerbock treibt Gaspreis in die Höhe” und “Baerbock redet wie eine Amerikanerin”. Mehr zum EU-Gipfel hier

P.S. Wie erwartet, hat der EU-Gipfel Russland für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine mit “massiven” Sanktionen gedroht. Die geplanten Strafen wurden jedoch nicht offengelegt. Mehr hier

Watchlist

Macht sich die Türkei nun auch noch in Afrika breit? Dies dürfte der Türkei-Afrika-Gipfel zeigen, den Sultan Erdogan mit großem Pomp veranstaltet. Bei dem Treffen in Ankara sollen unter anderem der Gesundheits- und der Außenminister der Türkei mit ihren afrikanischen Amtskollegen zusammentreffen. Erdogan tritt damit nicht nur in Konkurrenz zu China, das sich auf dem schwarzen Kontinent erstaunlich erfoglreich engagiert. Er fordert auch Frankreich und die EU heraus. Die hatte gerade erst ihre “Global Gateway”-Initiative vorgestellt, die auch für Afrika gedacht ist und der chinesischen Seidenstraße Konkurrenz machen soll…

Was fehlt

Die heimliche GroKo beim Boostern. Auf Drängen des neuen deutschen Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) hat EU-Kommissionschefin von der Leyen (CSU) grünes Licht für die vorgezogene Lieferung von 35 Millionen Dosen des Moderna-Impfstoffs zugestimmt. Eine vorgezogene Lieferung bedürfe der Zustimmung der EU, diese habe er Donnerstagmittag erhalten, sagte Lauterbach. Er verhandele außerdem mit Rumänien, Bulgarien und Portugal über den Kauf von Biontech-Impfstoffen. Das sei völlig okay, hieß es in Brüssel. Dabei wollte von der Leyen doch noch vor Kurzem sicherstellen, dass niemand benachteiligt wird!?

Hinweis: Dies ist die letzte Watchlist EUropa vor der Weihnachtspause. Weiter geht’s am 05. Januar 2022!