Im Schlepptau von USA und Nato

Der EU-Gipfel markiert eine bedenkliche Wende in der Außenpolitik. Erstmals droht die EU präventiv mit Sanktionen – und offener denn je begibt sie sich ins Schlepptau von USA und Nato.

„Jede weitere militärische Aggression gegenüber der Ukraine wird massive Konsequenzen und erhebliche Kosten nach sich ziehen“, heißt es in der Erklärung, die Kanzler Olaf Scholz bei seinem ersten EU-Gipfel unterzeichnet hat.

Geplant seien auch „restriktive Maßnahmen, die mit unseren Partnern koordiniert werden“. Dieser Zusatz ist neu. Er ist offenbar auf Drängen der Osteuropäer hinzugefügt worden – und bedeutet, dass sich die EU mit den USA und UK abstimmt.

Scholz kann also nicht mehr allein bzw. mit seinen EU-Kollegen über Nord Stream 2 oder den Zugang zum Finanzdienstleister Swift entscheiden – und festlegen, ob und wie diese als Waffen gegen Russland genutzt werden.

Nein – die deutsch-russische Pipeline und das europäische Unternehmen Swift werden mit diesem Passus de facto fremder Kontrolle unterworfen. Washington und London dürfen mitentscheiden – und das kurz nach dem Brexit!

Aber es kommt noch doller. Der Gipfelbeschluß enthält nämlich auch einen Passus zur Nato. Der liest sich so, als werde die einstmal zivile Friedensunion in eine Unterabteilung des Atlantischen Bündnisses umgewandelt.

Im Lichte der Anti-Russland-Politik macht dies durchaus Sinn. Denn die Nato kann keine Sanktionen verhängen, das kann nur die EU (in Absprache mit den USA und UK, natürlich). Umgekehrt kann die EU keinen Krieg führen, das kann nur die Nato.

Die Beschlüsse zeigen, was mit der “strategischen Autonomie” und der “europäischen Souveränität” gemeint ist: Beide Buzzwords gelten nur solange, wie es gegen Russland oder China geht. Ansonsten darf man sie getrost vergessen.

Scholz hätte Nein sagen können

Mir ist schleierhaft, warum Scholz diese Beschlüsse unterschrieben hat. Bevor man mit Sanktionen droht, hätte man ja wenigstens die US-Informationen zum Truppenaufmarsch in Russland überprüfen und Inspektionen verlangen können.

Das Mindeste wäre aber gewesen, die möglichen Nebenwirkungen von Strafmaßnahmen vorab zu prüfen. Bevor man droht, sollte man doch wenigstens wissen, ob die Drohung nicht auf einen selbst zurückfällt.

Altkanzlerin Merkel hatte wenigstens noch den Mut, Nein zu sagen, wenn ihr ein Gipfelentwurf nicht passte. Scholz lässt diesen Mut vermissen. Seine Ostpolitik ist sehr westlich orientiert, sozialliberal ist sie nicht.

Mehr zum EU-Gipfel hier

P.S. Dem Europaparlament geht all das noch nicht weit genug. Vor allem die Grünen fordern noch radikalere Maßnahmen. Neben dem Aus für Nord Stream 2 fordern sie gezielte Sanktionen gegen russische Öl- und Gasfirmen. Das kann ein eiskalter Winter werden…