Macron sieht Frankreich im Krieg – pourquoi?
Frankreichs Staatschef setzt seine verbale Eskalation fort. Kurz vor einem Treffen mit Kanzler Scholz und Premier Tusk in Berlin (“Weimarer Dreieck”) hat er einige beunruhigende Dinge gesagt.
Weil die deutschen Medien kaum berichten, hier eine kurze Zusammenfassung seines Auftritts im französischen Fernsehen (automatische Übersetzung aus Le Monde, Hervorhebungen von mir).
Um seine zahlreichen Kritiker zu überzeugen, betonte Emmanuel Macron die “existenzielle” Bedrohung, die dieser Konflikt “für unser Europa und für Frankreich” darstelle.
Dieser Krieg “vor unserer Haustür”, sagte er, “ist das Ende der Sorglosigkeit, von der ich vor einigen Jahren gesprochen habe“.
“Wenn sich die Lage verschlechtern sollte, müssen wir bereit sein und wir werden bereit sein”, fuhr er fort, ohne seine Absichten im Einzelnen darzulegen oder irgendetwas auszuschließen, nicht einmal die Stationierung französischer Soldaten auf ukrainischem Territorium.
“Es gibt eine Eskalation seitens Russlands” und “wir müssen sagen, dass wir bereit sind, zu reagieren”, betonte er, kaum zehn Tage nachdem er am 26. Februar im Elysée-Palast gesagt hatte, dass “nichts ausgeschlossen werden darf” in dieser Angelegenheit.
Er betonte: “Wir haben in unserem Vokabular zu viele Grenzen gesetzt” – wenige Stunden bevor er nach Berlin flog, um sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz zu treffen.
Soweit die Zitate. Nun kurz zur Einordnung.
Die Opposition hat Macrons Worte erneut als “unverantwortlich” zurückgewiesen. “Will er Russland den Krieg erklären oder mit der Ukraine Wahlkampf machen”, fragte ein Politiker der ehemaligen Gaullisten.
Man muß wissen, dass Macron keine Mehrheit im Parlament hat. Das Vertrauen der Franzosen hat er spätestens seiner Rentenreform verloren. In Umfragen zur Europawahl liegen die Nationalisten weit vorn.
Ganz anders das Echo in der “internationalen Sicherheitsgemeinschaft”. Dort wird Macron für seine “strategische Amibuität” und seine “Entschlossenheit” gelobt. Manche bezeichnen ihn gar als neuen Anführer.
Das Problem ist allerdings, dass Frankreich zwar eine, wenn auch kleine, Nuklearmacht hat – aber nicht auf einen Landkrieg vorbereitet ist. Die Rhetorik passt nicht zu den Kapazitäten.
Sie passt auch nicht zu den Taten. Es sind zwar offenbar längst französische Kämpfer in der Ukraine, doch Waffen liefert Frankreich vergleichsweise wenige. Will Macron davon mit seiner grandiosen Rhetorik ablenken?
Die einen vergleichen ihn mit Churchill, andere mit Napoleon. Dessen Russlandfeldzug von 1812 endete in einer der größten militärischen Katastrophen der Geschichte…
Siehe auch Die fatale Logik der Kriegstreiber
P.S. Eine ätzende und treffende Kritik von Macrons Kriegstreiberei kommt von dem Franzosen A. Bertrand. Er schreibt auf “X”:
How on earth can a defeat of Ukraine be deemed “existential” for France? Ukraine is not in the EU, not in NATO, located 4 countries and some 2,500km away… Before the war in 2021 France only exported $1.5Bio a year to Ukraine (a ridiculously low 0.2% of its total exports) and imported an even lower $856mio from Ukraine (0.1% of its total imports). France has no particularly strong historic or cultural ties to Ukraine and Ukraine’s location is not particularly strategic for France.
Michael Conrad
16. März 2024 @ 11:32
Möglicherweise ist dieses besonders aggressive Verhalten eine Reaktion auf die Tatsache, dass Frankreich in Afrika zum Teil von Russland verdrängt wird und sich aus Mali zurückziehen musste. In der Ukraine selbst wurden wohl französische Staatsbürger und ehemalige Fremdenlegionäre bei einem russischen Raketenangriff auf ein Hotel getroffen.
Karl
16. März 2024 @ 10:06
Für was kämpft Macron? Diese Frage ist noch nicht beantwortet! – Drei Mal hintereinander Staatspräsident werden, erlaubt ihm die Verfassung nicht – weshalb er auch den Rentenklau mit Absicht an das Ende seiner Amtszeit gelegt hat.
Macron kämpft offensichtlich gegen Deutschland um die Hegemonie in der EU. Die deutsch-französische Achse hatten bereits Schröder und Merkel abgewertet. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands büßte sie für Deutschland an Bedeutung ein. Und jetzt sitzt die EU als NATO-Knecht auf einem absterbenden Ast (nur noch Cash Cow zur Selbstbedienung der EU-Kommission).
Die “strategische Autonomie” des Atomkriegs, von der Macron heute redet, ist eine Schimäre, denn es gibt keine “Autonomie” innerhalb der NATO. https://de.wiktionary.org/wiki/Chim%C3%A4re#/media/Datei:Dagon1.jpg – Diese Schimäre unterscheidet sich grundlegend von den früheren Zielen de Gaulles und der Regierungen Mitterand und Chirac.
Die Weichen wurden bereits bei Gründung der EU kurz vor dem Mauerfall falsch gestellt: “Frankreich beging noch einen zweiten Fehler. … Deutschland … durch die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik (Gasp) ‘einzubinden’.” Diese Gasp konnte “nur im Rahmen der Nato erfolgen. Statt Deutschland aus der Nato herauszulösen, konnte diese Politik letztlich nur zu einer vollständigen Reintegration Frankreichs [in die Nato] führen.” – Aus: “Wie de Gaulle lernte, Adenauer zu lieben” Von Pierre Béhar, 2004 -> https://monde-diplomatique.de/artikel/!765516
Und da haben wir das Desaster: Der Marsch in den Ausverkauf, den Dauer-Krieg und die Selbstzerstörung Europas! Macron und die Atlantikbrücken-Politiker marschieren getrennt, aber erreichen dasselbe.
ebo
16. März 2024 @ 10:45
Macron rudert schon wieder zurück, zumindest in Frankreich. Auf die Frage eines besorgten 16-Jährigen erklärte er, Frankreich sei nicht im Krieg
Kurz danach twitterte er aber, man müsse die Ukraine weiter unterstützen und dürfe Russland “niemals gewinnen lassen”.
Passt alles nicht zusammen…
KK
16. März 2024 @ 15:26
Solche Widersprüche findet man gewöhnlich bei
– kognitiven Störungen/Erkrankungen
– notorischen Lügnern
oder
– Politikern – die Quintessenz aus beidem, möchte man heutzutage mutmassen
Stef
16. März 2024 @ 07:33
Ich nehme Macron mit seinen jüngsten Aussagen eher als verwirrt und hilflos wahr. Erst spitzt er den Mund, um dann nicht zu pfeifen. Und schließlich sagt er im Interview einen extrem ungewöhnlichen und eigentlich unnötigen, aber umso entlarvenderen Satz. Ich würde ihn so übersetzen: Soweit ich informiert bin, glaube ich nicht, dass Donald Trump Präsident der USA sein wird.
Das klingt weniger nach Einschätzung als nach hartem Fakt. Wer hat Macron informiert und über was eigentlich genau? Wie kann die Information einen vor den Augen der Weltöffentlichkeit sich entfaltenden US-Wahlkampf ad absurdum führen und ein Ergebnis einer Wahl im November vorwegnehmen? Wenn der aussichtsreichste Kandidat schon jetzt keine Chance hat, wie ist der Zustand der US-Demokratie dann zu bewerten? Und vor allem: Wie kann eine Präsidentschaft Trumps so bedrohlich sein, um so etwas zur Primetime auszuplaudern?
Wer so etwas über seinen wichtigsten Verbündeten weiß, sollte es als Staatschef nicht laut aussprechen. Wer es ausspricht, stellt den demokratischen Prozess und den Rechtsstaat in den USA in Frage. Schließlich dokumentiert diese Aussage die Ratlosigkeit Macrons, wie er mit einem US Präsidenten Trump umgehen will. Abgesehen davon ist es immer plump und töricht, Wahlen in einem anderen Staat vorab zu kommentieren.
Bei so vielen Gründen zu einem Thema nichts zu sagen würde jeder Politprofi schweigen. Was Macron hier ausgeplaudert hat, ist der bisher deutlichste Hinweis darauf, dass er kurz hinter seiner smarten Fassade verzweifelt und ratlos ist.
KK
16. März 2024 @ 15:24
„Wer hat Macron informiert und über was eigentlich genau? Wie kann die Information einen vor den Augen der Weltöffentlichkeit sich entfaltenden US-Wahlkampf ad absurdum führen und ein Ergebnis einer Wahl im November vorwegnehmen?“
Eine Steilvorlage für Trump, der nach seiner Niederlage dann wieder Wahlbetrug ins Spiel bringen könnte – und dann bei solchen Äusserungen im Vorfeld wohl mit mehr Indizien als beim letzten Mal. Das könnte die USA dann letztendlich bis in einen Bürgerkrieg führen…
Arthur Dent
15. März 2024 @ 23:11
“Wenn sich die Lage verschlechtern sollte, müssen wir bereit sein und wir werden bereit sein“, – Immer, wenn Politiker von diesem ominösem “Wir” sprechen, dann meinen sie damit “uns” (das Fußvolk). Sie selbst erbringen ihre “nationalen Opfer” lieber bei Seezungenfilets auf internationalen Gipfeltreffen – dort lassen sich die geist-und herzlosen Apparatschicks als Helden feiern und bilden sich ein, eine nie vorher gekannte Stufe des Menschseins erstiegen zu haben.
KK
15. März 2024 @ 14:55
“Man muß wissen, dass Macron keine Mehrheit im Parlament hat. Das Vertrauen der Franzosen hat er spätestens seiner Rentenreform verloren.”
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Konfrontation nach aussen stärkt die Macht der Regierung im Innern – im Kriegsfall finden zudem baW keine Wahlen statt, und niemand wird Kalif…äh… Präsident anstelle des Präsidenten…
Noch Fragen?
Arthur Dent
15. März 2024 @ 14:25
“Manche bezeichnen ihn gar als neuen Anführer.” – keine drei Schritte würde ich hinter diesem Mikrozephalus hinterhermarschieren.
“Die einen vergleichen ihn mit Churchill, andere mit Napoleon.” – Napoleon ist immerhin mit 780.000 Soldaten losmarschiert.
Allerdings auch deutsche Offiziere erörterten ernsthaft die technischen und propagandistischen Mittel, um Russland mit ballistischen Langstreckenraketen anzugreifen. Kurzum: Ein NATO-Mitglied wurde auf frischer Tat ertappt, als es eine Kriegshandlung gegen Russland ausbaldowerte. Das gilt nicht als Verteidigung, denn Russland hat Deutschland ja bisher nicht angegriffen und auch nicht gedroht es anzugreifen. Da können die Kiesewetters, Hofreiters und Strack-Zimmermanns lamentieren, wie sie wollen.
KK
16. März 2024 @ 02:15
„Napoleon ist immerhin mit 780.000 Soldaten losmarschiert.“
Vor allem: Er ist mitmarschiert… wenn auch zu Pferde, aber er war immerhin dabei.