Ukraine-Krieg: Selenskyj “droht” mit Niederlage
Dicke Luft zwischen der Ukraine und den USA: Präsident Selenskyj fordert von Washington ultimativ neue amerikanische Waffen. Andernfalls drohe die Niederlage – und die USA wären schuld.
Angesichts der schwierigen Lage seiner Armee im Osten des Landes hat der ukrainische Präsident Selenskyj vor einer Niederlage seines Landes gewarnt.
Mit Blick auf die ausbleibende Militärhilfe aus den USA sagte Selenskyj: “Wenn der Kongress der Ukraine nicht hilft, wird die Ukraine den Krieg verlieren.”
Dies ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen gibt der Ukrainer damit den USA, namentlich dem US-Kongress, die Schuld, wenn es schief geht.
Das lässt sich als Drohung lesen – denn Selenskyj bekräftigte seine Warnung, im Falle einer Niederlage seines Landes würden “andere Staaten angegriffen werden”.
Zum anderen wird nochmals klar, dass der Ausgang des Krieges nicht – wie gern behauptet – von Taurus oder anderen deutschen Waffen abhängt, sondern von den USA.
Wenn die Amerikaner wie erwartet im Herbst dauerhaft ausfallen, werden Deutschland und die EU wohl kaum noch in der Lage sein, das Blatt zu wenden…
P.S. Wie verzweifelt die militärische Lage ist, zeigen die mutmaßlich ukrainischen Drohnenangriffe an das AKW Saporischschja. Das Kraftwerk wird von Russland besetzt gehalten; die Russen werden wohl kaum auf sich selbst schießen…
Skyjumper
9. April 2024 @ 17:42
“Das lässt sich als Drohung lesen – denn Selenskyj bekräftigte seine Warnung, im Falle einer Niederlage seines Landes würden „andere Staaten angegriffen werden“.”
Das ist mir jetzt ein wenig zu dick aufgetragen. Natürlich ist es eine Drohung in dem Sinne, dass alles was nach der Niederlage kommt schlecht sein wird. Aus der Sicht von Selenskyj ist es das ja auch. Natürlich ist eine Niederlage als solches schlecht ……. für den Besiegten.
Würde man Selenskyj fragen würde er es wohl kaum als Drohung verstanden wissen wollen, sondern als Warnung.
Betrachtet man es von aussen hängt die Einordnung davon ab welche Folgen man selbst (für das eigene Land) als gut oder schlecht erachtet.
Keinesfall würde ich es aber als (unmittelbare) Drohung gegen Drittländer einstufen. Für mich ist es vielmehr Bettellei auf verzweifelten Niveau.
Ganz anders sieht es m.M.n. aus wenn man den zeitlichen Horizont deutlich über das aktuelle hinaus erstreckt. Einen Sieg Russlands / eine Niederlage der Ukraine unterstellt, wäre das dann nach 1945 die erste gewaltsame Gebietseroberung in Europa (Ex-Jugoslawien werte ich anders).
Ich erwarte zwar keinen unmittelbar anschließenden Einmarsch Russlands im Baltikum oder in Moldawien. Aber in 5-10 Jahren könnte sich Russland weitgehend erholt haben. Putin – den ich als vergleichsweise gemässigt einschätze – ist dann wohl nicht mehr Präsident. Ob ein Nachverfolger in 10 Jahren nicht versucht sein wird eine neue Expansion zu versuchen? Hat ja schon mal geklappt.
Für Europa, die EU, Deutschland, Russland, für die Ukraine sowieso, der Brunnen-Krug ist im Februar 2022 zerbrochen. Der lange Fall des Kruges begann 2014. Das Ergebnis ist (und wird noch lange bleiben) ein sehr kostspieliges, beiderseitiges Misstrauen.
Völlig losgelöst von Euro-Maidan und anderen Provokationen: Die Russen sind keine Engel, und Russland ist nicht von alleine so riesig geworden.
KK
9. April 2024 @ 18:31
“(Ex-Jugoslawien werte ich anders)”
Warum? Der Kosovo wurde doch noch gewaltsamer aus Serbien herausgelöst als die Krim aus der Ukraine…
Skyjumper
9. April 2024 @ 23:28
@KK
Weil es sich nicht um Gebietseroberungen durch einen äusseren Staat handelte. Jugoslawien ist in einzelne Teilstaaten zerfallen. Mit Unterstützung von Aussen, aber letztlich doch von innen heraus. Das trifft auch auf den Kosovo zu. Ich halte die Unterstützung von aussen gleichwohl für einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, aber eben keine Gebietseroberung durch einen Drittstaat.
Das galt natürlich auch für die Krim, und -zunächst- für Luhansk und Donezk. Aber nur bis zum Einmarsch und bis zur „Eingemeindung“ durch Russland. Und für die letzten beiden Oblaste traf es nie zu. Es sind dort eben, im Unterschied zu Jugoslawien, keine selbstständigen Staaten entstanden.
Michael Conrad
9. April 2024 @ 13:43
Trump baut mit der Verweigerung von Waffenlieferungen ein doppeltes Verhandlungspotential auf. Er könnte damit die Ukraine zu mehr Kompromissbereitschaft zwingen und gleichzeitig Russland damit drohen die Waffenlieferungen wieder aufzunehmen, wenn Russland sich nicht kompromissbereit zeigt. Die EU hat darauf keinen Einfluss, darf aber nach Kriegsende gerne den Wiederaufbau bezahlen.
ebo
9. April 2024 @ 13:46
Interessante Analyse.
Richtig ist, dass man sowohl die Waffenlieferungen als auch die Wirtschaftssanktionen gegen Russland als Hebel für Verhandlungen nutzen kann – wenn man nur will. Allein, es fehlt der Wille (in der EU)…
Robby
8. April 2024 @ 21:16
Die Stufen der Trauer:
Stufe 1: Verweigerung. …
Stufe 2: Zorn. …
Stufe 3: Verhandlung. …
Stufe 4: Depression. …
Stufe 5: Annahme.
Nun, wie es scheint ist Zee bei Stufe 2.
Die Frage ist, wie viele er noch in den Tod schickt, bis er die letzte Stufe erreicht?
Thomas Damrau
8. April 2024 @ 13:57
Wir treten offensichtlich in die nächste Phase der mentalen Bewältigung dieses Krieges ein:
— Zweifel am Sieg
— Schuldzuweisung für eine mögliche Niederlage
— Warnung vor den Folgen einer Niederlage
Kennen wir aus der deutschen Geschichte: Je klarer wurde, dass WK 2 nicht mehr zu gewinnen war, desto mehr hat sich Hitler über die Unfähigkeit der deutschen Generäle (Selenskyj feuert die Verantwortlichen im Akkord) und die enttäuschende Performance des gesamten Volkes (in unseren Fall der westlichen Verbündeten) ausgelassen. Und Goebbels hat in immer düsteren Bilder die Folgen eines Triumphs von Kommunismus und Weltjudentum gewarnt (im heutigen Fall der “Russe, der bald am Rhein stehen wird”).
Die Psychologie ist in beiden Fällen ähnlich:
— Je mehr man davon überzeugt ist, dass das Schicksal/der Weltgeist/die höhere Gerechtigkeit schon für den eigenen Sieg sorgen wird, desto größer ist die Enttäuschung, dass die höheren Mächte nicht geliefert haben.
— Da die höheren Mächte kein Formular für das Einreichen von Beschwerden ins Web gestellt haben, braucht man niedere/adressierbare Mächte, die man angemessen beschimpfen kann.
— In der Hoffnung die höheren und niedrigen Mächte doch noch zu überzeugen, muss die mögliche eigene Niederlage mit drastischen Folgen verbunden werden: Damals wie heute die “asiatischen Horden”, die das Abendland in Schutt & Asche legen werden.
Die Einsicht, dass das Pferd schon tot ist und bei noch so gutem Zureden/Beschimpfen/Drohen nicht durchs Ziel traben wird, kommt dann in der nächsten Phase.
In WK2 lagen zwischen Dünkirchen (dem historischen Äquivalent der erfolgreichen ukrainischen Offensive 2022 – damals wie heute waren die sinnvollen strategischen Optionen nach dem jeweiligen Erfolg erschöpft) und Kriegsende fast 5 Jahren. Ich hoffe, dass es heute nicht so lange dauert.
KK
8. April 2024 @ 15:16
“Zum einen gibt der Ukrainer damit den USA… die Schuld…”
Letztlich tragen die USA ja auch zumindest eine gehörige Mitschuld an den Kriegsursachen… aber letztlich kann Selenskyj nicht damit drohen, dass danach andere Länder überfallen werden, denn dazu ist seine Armee gar nicht mehr fähig. Und Russland würde sich wohl nicht mit der NAhTOd anlegen, ohne selbst angegriffen worden zu sein – dazu agiert Putin viel zu rational.
Allerdings könnten natürlich die dann wieder in ihre Heimatländer zurückkehrenden, bis an die Zähne bewaffneten faschistischen Söldner, die jetzt noch auf Seiten der Ukraine kämpfen, in der EU für allerlei Ungemach sorgen… ob er das gemeint haben könnte?
(Sorry, eigene Beiträge gehen nach wie vor bei mir nicht)