Ukraine: EU-Beitrittsgespräche erst nach der Europawahl
Hat die Ukraine ihre Hausaufgaben nicht gemacht – oder hat die EU plötzlich Angst vor den Wählern? Die groß angekündigten Beitrittsgespräche sollen nun erst nach der Europawahl im Juni beginnen.
Ursprünglich war der Startschuß noch im März erwartet worden, etwa zum EU-Gipfel nächste Woche. Präsident Selenskyj wollte die Verhandlungen sogar schon im vergangenen Jahr starten.
Doch erst jetzt hat die EU-Kommission den sog. Verhandlungsrahmen fertiggestellt. Darin werden Leitlinien und Grundsätze für die Beitrittsgespräche festgelegt – auch die Verhandlungsthemen.
Warum es so lange dauerte, wurde nicht bekannt gegeben. Vermutlich hat die Ukraine immer noch nicht alle Kriterien der Kommission erfüllt – dabei waren sie eigenes für Kiew aufgeweicht worden.
Denkbar ist aber auch, dass die EU-Chefs plötzlich kalte Füsse bekommen haben. So kurz vor der Europawahl will man womöglich keinen Streit riskieren, den Verhandlungen zwangläufig mit sich bringen…
Vielleicht soll das Wahlvolk auch einfach nicht merken, dass zur Ukraine schon alle wichtigen Weichen gestellt wurden – und die Bürger nichts mehr zu melden haben?
Siehe auch “Für die Ukraine ist die Europawahl schon gelaufen”
Ute Plass
13. März 2024 @ 12:11
“Stimmen aus der Ukraine: Noch glaubt Selenskyj an Revanche”
“Die Moral der ukrainischen Armee ist durch die Niederlagen geschwächt, aber von einem Zusammenbruch ist nicht die Rede. Die ukrainische Gesellschaft glaubt immer weniger an einen Sieg, würde aber Verhandlungen als Kapitulation ansehen. Einige in der politischen Elite wären zu Kompromissen bereit, aber Wolodymyr Selenskyj glaubt noch immer an eine Revanche und würde bis zum Ende durchhalten. Der Westen hat es nicht eilig, Kiew zum Verhandeln zu bewegen, ebenso wenig wie Moskau, das auf die Zermürbung setzt.
Zwei Jahre nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine sprach der Chefredakteur des ungarischen Fachportals #Moszkvatér, Gábor Stier, mit dem ukrainischen Politikwissenschaftler Konstantin Bondarenko, Leiter der Stiftung Ukrainskaya Politika, über die vergangenen zwei Jahre, die Lage in der Ukraine und die Aussichten. Den Text hat Éva Péli ins Deutsche übersetzt.”
https://www.nachdenkseiten.de/?p=112337
Monika
13. März 2024 @ 10:18
…Vielleicht soll das Wahlvolk auch einfach nicht merken, dass zur Ukraine schon alle wichtigen Weichen gestellt wurden…
Dass in der “Operation Pax Americana” sich unter dem Decknamen FREIHEIT (ein in den sozialen Arbeiterbewegungen fußender Begriff) ein völlig entgrenzter Kapitalismus verbirgt, der eher Abwesenheit jeglicher ethischer Grundsätze meint, hat sich in den vergangenen 100 Jahren doch hundertfach bewiesen. Die USA selbst sind mittlerweile eine “failed democracy”, die Elite dort schert sich – ganz standesgemäß – keinen Deut um ihre eigenen Bewohner (Leibeigenen?). Schließlich gibt es nach Hayek als notwendige “Regeln” nur Schutz des Privateigentums und “Verträge” (natürlich geschützt durch ein privates “Justiz”system samt einem “unwiderstehlichem Militär”, dafür steht der schöne Euphemismus SICHERHEIT…). Jetzt ist es Europa, das als nächste Station gerade quasi “verzehrfertig” gemacht auf den goldenen Tellern liegt. Vorsorglich wird das Feld schon weiter nach Osten verschoben, Ukraine ist so gut wie “vertraglich gesichert”, Russland wäre vorallem wegen seiner Bodenschätze noch ein Posten für Begehrlichkeiten. Eigentlich möchte man den Ukrainern zurufen: schnell, noch könnt ihr die Würgeleine des Werte-Westens abstreifen im gerade herrschenden Chaos, wehe wenn erst die die Pax Americana voll installiert ist, dann seid ihr “gezähmt” und dürft als pseudofreie Knechte in neuer Leibeigenschaft nicht unähnlich der Zeit unter den Kulaken euer Dasein fristen. Die neuen Kulaken heißen bloß anders, auch mit doppeltem K, kapitalistische Konzerne.
Mir tut es so leid um unsere Soziale Marktwirtschaft, ich könnte Tag und Nacht heulen.
KK
13. März 2024 @ 10:31
“…Russland wäre vorallem wegen seiner Bodenschätze noch ein Posten für Begehrlichkeiten.”
Alaska hatte man Russland noch abgekauft, heute macht man das in den USA anders…
Kleopatra
13. März 2024 @ 11:29
Russland wusste seinerzeit sehr wohl, dass es keine Chance gehabt hätte, Alaska bei einem Konflikt gegen Großbritannien (=Kanada!) zu verteidigen. Daher waren sie damals eher froh, von den USA wenigstens einen Scheck dafür zu bekommen.
Heute kann man auf youtube hören, wie nationalistische Knallköpfe davon singen, sich Alaska mit Gewalt “zurückzuholen”. Aber “verkauft ist verkauft – wiederholen ist gestohlen”.
KK
13. März 2024 @ 12:21
Ja, darin waren die USA schon immer ganz groß, Notlagen anderer zu ihrem Vorteil auszunutzen. Während EUropa an zwei Weltkriegen gelitten hat, haben sich die USA nicht nur dumm und dämlich dran verdient, sondern sind in der Folge auch zum “Weltherrscher” aufgestiegen.
Und weil diese Position nun ins Wanken geraten ist, sind sie bereit, diese Welt eher zu zerstören, als ihre Hegemonialstellung aufzugeben – das ist so ähnlich wie bei einem Mann, der seine Frau eher umbringen würde, als sie einem anderen zu überlassen.
Kleopatra
13. März 2024 @ 10:49
Für die Ukraine und die Ukrainer lautet die Alternative, ob sie lieber mit dem Westen (EU/NATO) verbündet sein oder von Russland besetzt, unterdrückt, ausgeraubt und vergewaltigt werden wollen. Was ist an ihrer Entscheidung für die erste Alternative schwer zu verstehen?
Monika
13. März 2024 @ 11:17
Liebe Kleopatra
nach dieser Devise haben auch die Menschen in der DDR in den “goldenen Westen” gedrängt. Dass sie weitgehend auf “Katzengold” reingefallen sind, mussten viele bitter spüren, mal sehen wie den freiheitsliebenden Ukrainern die Zwangsjacke des puren Kapitalismus bekommt, denn ihr bekommt ja nicht das “Auslaufmodell” soziale Marktwirtschaft, sondern Neoliberalismus at its best. Schauen sie doch mal unter diesem Aspekt nach Großbritannien? Da ist jetzt schon nix mehr “Groß” für die Bevölkerung
Kleopatra
13. März 2024 @ 11:55
Liebe Monika,
wie kommt es nur, dass in Ihrer Argumentation die russische Armee (und ihre Kriegsverbrechen) überhaupt nicht vorkommt? Im übrigen ist die Ukraine eine Demokratie, in der die Regierung aus Wahlen hervorgeht, was man von der russischen Putin-Monarchie nicht beuaupten kann
KK
13. März 2024 @ 15:06
@ Kleopatra:
„Im übrigen ist die Ukraine eine Demokratie, in der die Regierung aus Wahlen hervorgeht, was man von der russischen Putin-Monarchie nicht beuaupten kann“
Behaupten kann man beides von beiden – denn behaupten kann man alles. Auch die Ukraine ist keine wirkliche Demokratie (im Demokratieranking des Economist ein „Hybridregime“).
Wie auch Kriegsverbrechen auf immer nur einer Seite. Aber so kennen wir Sie ja.
Kleopatra
13. März 2024 @ 11:52
@Monika, zum Begriff “Kulaken”: Dieses Wort bezeichnete wohlhabende/erfolgreiche Einzelbauern, nachdem die Bauern Anfang des 20. Jhds. die Möglichkeite erhalten hatten, sich von der turnusmäßigen Landumteilung im Dorf abzumelden. Mit der Leibeigenschaft bis 1861 hatten sie somit nichts zu tun, damals waren sie bzw. ihre Vorfahren häufig selbst Leibeigene. Der Begriff ist aber nicht neutral, sondern ein Kampfbegriff, mit dem die Bolschewiki ärmere Bauern gegen ihre (oft nur marginal) wohlhabenderen Nachbarn aufhetzten; und natürlich waren letztlich für die Bolschewiki “Kulaken” diejenigen, die bei der Kollektivierung nicht mitmachen wollten, oder überhaupt ein Begriff für Leute, die man ins Lager stecken wollte. Wer “Kulak” war bestimmte im Zweifel der Parteisekretär.
Karl
13. März 2024 @ 09:02
Preisfrage: Gibt es ein Kriterium, das die Ukraine bereits erfüllt oder zumindest auf ihrem Weg (welchem?) nahe dran ist?
Gemessen an den Kopenhagener Kriterien und denen, die bisherige Beitrittsländer zu erfüllen hatten? Darunter auch im Rahmen der OSZE: gelöste Grenzkonflikte für die Beitrittskandidaten Litauen, Lettland und Ungarn/Rumänien (soweit mir in Erinnerung).
KK
13. März 2024 @ 10:37
“Gibt es ein Kriterium, das die Ukraine bereits erfüllt oder zumindest auf ihrem Weg (welchem?) nahe dran ist?”
Merke: Kriterien, Regeln… das ist alles von gestern. Frei nach Egon Bahr geht es nur noch um Interessen.
Kleopatra
13. März 2024 @ 10:45
Die Aufnahme eines neuen Mitglieds in die EU ist eine politische Entscheidung; die Prüfung von “Kriterien” durch die Kommission ist dafür nur technische Zuarbeit. Wenn die Mitgliedstaaten wollen, können sie eine Aufnahme jederzeit beschließen; und wenn sie nicht wollen, kann die Kommission ein noch so gutes Zeugnis ausstellen, es reicht doch nicht aus. Die Mitgliedstaaten sind die “souveränen Herren der Verträge”, und die Aufnahme eines neuen Mitglieds erfolgt durch Vertrag.
KK
13. März 2024 @ 12:24
Zu allererst gelten die Regeln der EUropäischen Verträge, und die Voraussetzungen – allen voran solche Petitessen wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Religionsfreiheit, Minderheitenschutz etc – müssen erfüllt sein. Das sind sie in der Ukraine bei weitem nicht, im Gegenteil.
Erst dann kommt die politische Entscheidung!
Kleopatra
13. März 2024 @ 17:20
@KK: nein, der Beitrittsvertrag steht suf derselben Stufe wie alle anderen Verträge der EU, und daher kann eine Aufnahme eines Staates nicht durch die Verträge verhindert werden.
KK
13. März 2024 @ 18:48
Verhindern vielleicht nicht, allerdings wäre eine solche Aufnahme vertrags- und damit rechtswidrig – und deligitimierte die EU und ihre Institutionen vollständig, indem offenbar würde, dass die Verträge das Papier nicht wert sind, auf dem man sie einst unterzeichnet hatte.
Kleopatra
13. März 2024 @ 08:16
Die Aufnahme oder Nichtaufnahme wird im Wesentlichen von den Mitgliedstaaten entschieden. Daher kann die Europawahl daran kaum etwas ändern.