Ukraine: Die Gegenoffensive war ein Fehlschlag – muß nun die Nato ran?
Die ukrainische Gegenoffensive hat keine nennenswerten Erfolge gebracht, wie die “New York Times” eindrucksvoll belegt. Muß nun die Nato ran? Ein Besuch von Generalsekretär Stoltenberg in Kiew wirft Fragen auf.
Despite nine months of bloody fighting, less than 500 square miles of territory have changed hands since the start of the year. A prolonged stalemate could weaken Western support for Ukraine
New York Times
Das Zitat und die Karte sagen eigentlich alles: Die groß angekündigte Gegenoffensive der Ukraine war ein Fehlschlag. Gerade einmal 500 Quadratmeilen wechselten von einer Seite zur anderen, zehntausende Soldaten mussten sinnlos sterben.
Dabei hatte Nato-Generalsekretär Stoltenberg im Frühjahr erklärt, die Ukraine verfüge nun über alle Waffen, um Gelände gut zu machen und das Blatt zu wenden. Die Offensive war bis ins Detail mit den USA und der Nato abgesprochen.
Der Mißerfolg fällt nun auch auf die Amerikaner und ihre Militär-Allianz zurück. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass Stoltenberg am 28. September nach Kiew reiste – gleichzeitig mit den Verteidigungsministern aus UK und Frankreich.
Stoltenberg sprach von Fortschritten. Die Ukraine mache Boden gut, auch wenn es schwierig sei. Präsident Selenskyj sagte, sein Land sei ein “De-facto-Verbündeter” der Nato. Der Beitritt sei nur noch eine Frage der Zeit. Niemand widersprach.
Neue Phase im Krieg?
Was folgt daraus? Ist Stoltenbergs überraschender Besuch ein Zeichen, dass die Nato noch direkter in den Krieg eingreifen will – und dass der amerikanische Stellvertreterkrieg in eine neue Phase geht? Oder wollte er nur abwiegeln und vertrösten?
Aus russischer Sicht ist der Fall klar: Dieser Krieg ist ein Nato-Krieg, und statt auf Bodengewinne setzen die Ukraine und ihre “De-Facto”-Alliierten nunmehr vor allem auf ferngesteuerte Angriffe auf die Krim und die russische Schwarzmeerflotte.
Der jüngste Angriff auf das Hauptquartier der Schwarzmeerflotte in Sebastopol sei mithilfe westlicher Geheimdienstmittel, NATO-Satelliten und Aufklärungsflugzeugen geplant worden, heißt es in Moskau; die Befehlen hätten Amerikaner und Briten gegeben.
Man mag das für Propaganda halten. Aber für die Bürger des Nato-Gebiets wäre es schon hilfreich, zu wissen, was hier abgeht. Denn je tiefer die US-geführte Militärallianz in den Krieg verstrickt wird, desto größer wird das Risiko für die Alliierten…
Siehe auch “Das Schwarze Meer rückt (wieder) in den Mittelpunkt”
P. S. Die zweite große Frage ist, ob sich die USA und die Nato auf “forever war” in der Ukraine einstellen. Allerdings beantwortet sie sich im Grunde selbst…
Mir ist heute ein MERK-würdiges Buch (140 Seiten) in die Hände gekommen: Alexander Kluge, Kriegsfibel 2023. Ein Kunst-Werk, das durch seine intellektuelle Vielschichtigkeit besticht, nicht durch reißerischen Aktuellismus. Darin kommt auch die Geschichte vom König Krösus vor. Beispielhaft für die Irrtümer, die Kriege immer in sich tragen. Bekanntermaßen befragt Krösus das Orakel bevor er sein Glück versucht, durch einen Krieg sich das Persische Großreich einzuverleiben. Das Orakel vieldeutig wie immer, bescheidet ihm: Wenn du den Grenzfluß überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören. In seiner Verblendung ist er überzeugt, die Perser zu besiegen. Aber er irrt doppelt: zum einen zerstört der Krieg sein eigenes große Reich. Sein, oder DER grundlegende Irrtum besteht aber darin zu glauben, dass Nationen, die sich auf Kriegführen einlassen, den letztlichen Kriegsverlauf in irgendeiner Form bestimmen können. Ist der Krieg ausgebrochen, hört die Herrschaft über ihn auf. „Krieg duldet keinen Vorgesetzten“.
Auch die Kriege der jüngeren Vergangenheit, Vietnam, Korea, Iran, Irak, Syrien Afghanistan, Jemen, um nur einige zu nennen, bestätigen diese, manche sagen banale, „Weisheit“.
Drum besser wärs, wenn nichts entstünde… Krieg ist und bleibt ein Hazard-Spiel mit riesigem Blutzoll. Für am Ende völlig unbedeutende „geostrategische Veränderungen“ … die dann wiederum mit dem nächsten Krieg zurechtgerückt werden müssen … Wir müssen an die scheinheiligen Kriegsgewinnler ran.
Die ganzen Diskussionen zielen viel zuwenig auf „wen bereichern Kriege“