Das Politbeben erfasst Frankreich
Auf den ersten Blick läuft alles wie erwartet: Der EU-Freund Macron und die EU-Gegnerin Le Pen gehen in den 2. Wahlgang in Frankreich. Doch dahinter verbirgt sich ein politisches Erdbeben – es erinnert an UK & USA.
“Während Deutschland mit dem ewigen SPD-Spitzenkandidaten Schulz auf eine zweite GroKo zusteuert (natürlich unter Schulz’ Führung), hat Frankreich gerade seine Polit-Elite abgewählt.”
Mit diesen Worten begann mein Blogpost vom 30. Januar. Drei Monate später haben sie sich bestätigt. Nach den Sozialisten mussten auch die Republikaner eine historische Niederlage einstecken.
Weder der sozialistische Kandidat Hamon noch der Republikaner Fillon haben es – wenn die ersten Hochrechnungen stimmen – in die Stichwahl geschafft. Sozialisten und Gaullisten liegen am Boden.
Macht nichts, dafür gibt es ja nun eine starke Mitte, freut sich Kanzleramtschef Altmaier. Doch das ist eine Illusion. Hinter Macron steht keine Partei, er hat nicht einmal genug Personal für eine Regierungsbildung.
Demgegenüber hat Le Pen offenbar nochmals zugelegt – die Rede ist von eine Million Stimmen mehr. Auch die radikale Linke hat an Bedeutung gewonnen, selbst wenn ihr Idol Mélenchon wohl gescheitert ist.
Es ist also ein politisches Erdbeben, das sich da in Frankreich ereignet hat. Es erinnert an die Ereignisse in UK und in den USA, wo das alte politische System ebenfalls zusammengebrochen ist.
Dies sollten all jene bedenken, die nun – in Brüssel oder Berlin – ein “Weiter so” fordern. Wenn man die Ergebnisse nach Anhängern für die aktuelle EU-Politik analysiert, bleibt nicht viel übrig…
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Peter Nemschak
25. April 2017 @ 08:49
@Reinard Auch in den nationalen Gesellschaften gab es einen Wertewandel, ob in Summe zum Besseren oder Schlechteren muss jeder selbst entscheiden. Ich würde meinen sowohl als auch.
kaush
24. April 2017 @ 17:29
Noch ist Frankreich nicht verloren. Es bleibt die Hoffnung, das Macron und seine Lehrerin es in 14 Tagen nicht schaffen, weil die Franzosen diesen Schrecken ohne Ende endgültig abwählen.
Winston
24. April 2017 @ 12:34
Ein Investmentbänker als neuer Präsident Frankreichs. Denke das wird lustig werden. :-)))))
Die Europäische Linke dürfte fertig haben.
Zuerst protestiert man gegen die loi travail und legt fast die gesamte Französische Wirtschaft lahm, dann wählt mann ein feuriger Befürworter der loi travail, Investmentbänker Macron. Macht Sinn. :-)))
Die Französische Linke hätte sich die Proteste sparen können.
Bleibe dabei, man kann sich nicht dauerhaft gegen Ökonomische Gesetze querstellen, die Drecksarbeit werden die Marktkräfte tun und den Euro beerdigen. My 2 cent. Bevor dies passiert wird der Euro vermutlich seine ganze Zerstörerische Wirkung entfalten. Ein drittes mal innert 100 Jahren wird Europa zerstört werden, diesmal allerdings ohne Panzer.
Mein beileid hat Europa oder die Europäer nicht, sie habens nicht anders verdient. Sorry.
Die einzigen die mit einem blauen Auge davon kommen werden, werden vermutlich die Engländer sein die sich noch rechtzeitig von diesem Irrenhaus vom Acker gemacht haben. Mein Respekt dafür.
Oudejans
23. April 2017 @ 22:37
Die Bundesregierung benötigt keine Regierung in Paris, sondern eine Telefonnummer.
Läuft!
Alexander
23. April 2017 @ 21:32
„Hinter Macron steht keine Partei, er hat nicht einmal genug Personal für eine Regierungsbildung.“
Falls es Strippenzieher gibt (auf mich wirkt dieser Macron einfach wie ein Kandidat aus dem Klon-Labor!), dann sollten die eigentlich Personal stellen können? Ein paar Leute von Goldman Sachs vielleicht?
Anonym
23. April 2017 @ 21:47
Wenn Macron dann fertig ist mit seinem Erfüllungsgehilfentum für Goldman Sachs, malt er, aus dem schönen Gefühl einer durch Bonizahlungen hochgejazzten Rente heraus, mindestens so “schöne” Bilder wie George W.
Peter Nemschak
23. April 2017 @ 21:30
Es werden sich neue Gruppierungen in der Mitte des politischen Spektrums bilden, schneller als manche befürchten. Die Fünfte Republik wird bald Geschichte sein, die Zukunft gehört einer parlamentarischen Demokratie. Die feuchten Fieberträume von Le Pen und Melanchon wurden im ersten Durchgang in die Schranken verwiesen. Der Sinn für die Realität des Machbaren wird letztlich die Oberhand gewinnen. Es war eine Protestwahl gegen die herrschende politische Klasse – so weit so gut. Die giftigsten Kombinationen Le Pen – Melanchon oder Melanchon – Fillon wurden nicht realisiert, der linke und rechte Dreck blieb in der Minderheit.
Anonym
23. April 2017 @ 21:16
Nicht „die Welt“ ist aus den Fugen, sondern „der Westen“ desintegriert bloß. Die Einwohner, Politiker, Wähler und politischen Kommentatoren des Westens bellen, die Weltgeschichte geht weiter.
ebo
24. April 2017 @ 00:09
Was ist “der WEsten” ohne Deutschland? “Bei uns” ist die Welt noch in Ordnung, die Franzosen müssen sich einfach ein Beispiel an Merkel nehmen 🙂 Im Ernst, die Kategorie “der Westen” ist ziemlich sinnlos, seit die westlichen Werte überall verfallen – nicht nur in den USA oder in der Türkei, auch “bei uns”…
Anonym
24. April 2017 @ 00:28
Die Kategorie des „Westens“ ist die wichtigste weltpolitische Kategorie der letzten 500 Jahre. Und selbstverständlich ist Deutschland in diesem Begriff mit drin. Es geht bloß jetzt zuende, das ist alles.
Peter Nemschak
24. April 2017 @ 07:27
Auch die westlichen Werte unterliegen einem natürlichen Wandel. Das ist nicht weiter schlimm. Was sich seit dem Fall des Kommunismus geändert hat, sind die Interessen der Staaten, welche den Westen ausmachen. Trotzdem gibt es zwischen pluralistischen Demokratien einen gemeinsamen Nenner, der sie von autoritären Regimen in China und Russland unterscheidet.und verbindet.
Reinard
24. April 2017 @ 09:20
@Nemschak: den “natürlichen Wandel” der “westlichen Werte” wollten Sie sicher auch in Anführungszeichen gesetzt wissen, oder?
Schreiben Sie doch “Interessen”.
paul7rear
24. April 2017 @ 13:40
Eine pluralistische Demokratie ist per Definition ein Herrschaftsmodell in der die Macht auf verschiedene elitäre Gruppen aufgeteilt ist. Wenn Sie die Interessen von Großkonzernen und Banken als die europäischen Heilsbringer ansehen, erscheint eine Lagebeurteilung mit ökonomischen klein geistigen Denkmustern unangemessen. Die repräsentative Demokratie ist übrigens die schlechteste Form zur Abbildung des Volkswillens. Es bringt schließlich nichts, wenn der Herdenbesitzer bunt lackierte Hirten der Herde vorsetzt, denn die lackierten Herren werden nur ihren Götzen huldigen, ähnliches gilt für die Ewiggestrigen.
GS
23. April 2017 @ 21:11
Die systemtragenden Kräfte, zu denen ich jetzt mal Republikaner, PS und Macron zähle, kommen auf ca. 50 % der Stimmen. Den Rest machen diverse Gruppierungen aus, die entweder gegen Euro/EU, gegen die NATO, gegen beides oder gegen die Wirtschaftsordnung des Landes sind. Das ist schon ein Statement.
Dennoch wird Macron nun mit 65-70 % gewählt werden. Auf die Parlamentswahlen bin ich dann aber auch gespannt und auf wen Macron sich dann stützen will. Meine Prognose für die nächsten 5 Jahre: Macron = Hollande 2.0 (oder auch Sarkozy 2.0), also sehr viel heiße Luft. Ohne Hilfe von außen (lies: Selbstschwächung Deutschlands) kann das dann 2022 auch Le Pen présidente heißen.