Sturm auf die Bastille
Während Deutschland mit dem ewigen SPD-Spitzenkandidaten Schulz auf eine zweite GroKo zusteuert (natürlich unter Schulz’ Führung), hat Frankreich gerade seine Polit-Elite abgewählt.
Präsident Hollande, Ex-Präsident Sarkozy, Ex-Premier Juppé, Ex-Premier Valls: Alle sind sie nun weg vom Fenster. Bei der Präsidentschaftswahl im April bleiben nur Außenseiter – und FN-Führerin Le Pen.
Möglich machen es die Vorwahlen, an denen sich alle Citoyens beteiligen konnten. Im angeblich so verkrusteten Frankreich hat man nämlich mehr Demokratie gewagt und die Parteien kräftig durchgeschüttelt.
Nun haben auch die Sozialisten und ihre (nicht mehr sehr zahlreichen) Sympathisanten gewählt. Und siehe da: Der Partei-“Rebell” Hamon hat sich klar gegen Ex-Premier Valls durchgesetzt.
Damit bleibt von der Führungsriege der (noch) regierenden Sozialisten nichts übrig. Es ist ein wenig wie bei Labour in UK und den Demokraten in den USA: Der Anti-System-Kandidat gewinnt!
Hamon möchte nicht nur das bedingungslose Grundeinkommen für alle, sondern auch endlich aus dem Gefängnis der europäischen (deutschen) “Stabilitäts-Kriterien ausbrechen.
Der frühere Bildungsminister will sich vom Drei-Prozent-Defizitziel lossagen – er will wegen Haushaltszwängen nicht auf Investitionen verzichten. Es ist ein Sturm auf die Bastille in Brüssel.
Allerdings hat Hamon kaum Chancen, auch Präsident zu werden. Denn er hat zwei linke bzw. liberale Herausforderer, darunter Merkels Liebling Macron. Die bürgerliche Rechte hingegen tritt geschlossen auf – noch.
Denn deren Präsidentschaftskandidat F. Fillon ist wegen des “Penelope Gate”, einer Affäre um Vetternwirtschaft und Vertuschung, in die Defensive geraten. Gewinnen könnte am Ende – Le Pen!
Dabei gehört die Verbündete von AfD-Chefin Petry mittlerweile mehr zum System als ihre neuen, per Vorwahl legitimierten Gegner in den demokratischen Parteien…
Peter Nemschak
30. Januar 2017 @ 09:48
Demokratie mag eine notwendige Voraussetzung für den Wohlstand einer Nation sein. Hinreichend dafür ist sie nicht. Vom Glück aller und Gerechtigkeit zu schwadronieren ist einfacher als jene Maßnahmen durchzusetzen, welche langfristig der Steigerung des Wohlstands dienen. Eine ökologisch inspirierte Kursänderung der europäischen Wirtschaften in Kombination mit wirtschaftsfreundlichen Maßnahmen könnte Arbeitsplätze schaffen und damit die Ungleichheit der Einkommensverteilung mildern. Europa darf nicht zum Klein-Amerika à la Trump werden, will es in Zukunft auf Augenhöhe mit den anderen großen Mächten bestehen. Mit den Rezepten von Hamon und Trump würde das nicht gelingen. Die totgeglaubten mittelalterlichen Rattenfänger von Hameln sind wieder auferstanden. An der Naivität vieler Bürger haben weder die Aufklärung noch der technische Fortschritt etwas ändern können.
S.B.
30. Januar 2017 @ 11:59
@Peter Nemschak: “Die totgeglaubten mittelalterlichen Rattenfänger von Hameln sind wieder auferstanden.” – Ja, aber nicht erst seit eben, sondern schon seit Jahrzehnten, spätestens seit 1989. So lange pfeifen die linken Rattenfänger schon ihr immer gleiches Lied und so lange laufen ihnen die naiven Bürger in der Mehrzahl hinterher (ich sage ausdrücklich nicht Ratten, denn diese sind viel intelligenter und würden den selben Fehler nicht zweimal machen).
“An der Naivität vieler Bürger haben weder die Aufklärung noch der technische Fortschritt etwas ändern können.” – Da haben Sie völlig recht. Das sieht man in D seit mindestens 25 Jahren und im Herbst 2017 werden wir es wieder erleben.
Anonym
30. Januar 2017 @ 09:44
Schulz als ewigen Spitzenkandidaten zu bezeichnen ist unlauter. Er war lediglich 2x Spitzenkandidat für die Europawahlen und ist – wenn man so will – wie Trump oder Le Pen eben kein Vertreter der politischen Elite, die den Karren in den Dreck gefahren haben, sondern unschuldig und neu und daher ideal geeignet als Hoffnungsträger.
Claus
30. Januar 2017 @ 10:20
Der Vollständigkeit halber: Mit den SPD-Spitzenkandidaturen für das Bürgermeisteramt in Würselen sind es dann schon 4 oder 5. Und dass er kein Vertreter der (wenn auch
EU-) politischen Elite sein soll, erschließt sich mir nicht. Bei vielen ehemaligen SPD-Stammwählern zählt er inzwischen sogar zum personifizierten EU- und Politik-Verdruss. Es bleibt spanned, wie sich die nächste GroKo formiert.
ebo
30. Januar 2017 @ 10:42
Stimmt. Zudem saß Schulz seit 1999 im SPD-Präsidium. In Brüssel bzw. Straßburg war er der Statthalter der deutschen GroKo.
Oudejans
30. Januar 2017 @ 13:12
Wer es in Würselen macht, macht es überall.
Bonse
Statthalter ist ein treffendes Wort.
Athanasios Papapostolou
30. Januar 2017 @ 09:21
Es mag sein, das ist noch nicht ausgemacht, dass Le Pen die 2. Runde erreicht. Aber wie realistisch ist ein Sieg bei den Präsidentschaftswahlen? Wenn beispielsweise Fillon oder Macron in die zweite Runde ziehen, werden die Wähler von den jeweils unterlegenen Kandidaten kaum und sehr überschaubar Le Pen wählen. In allen mir bekannten Umfragen oder Reportagen, die dazu Stellung nehmen, ist Le Pen chancenlos. Und bitte argumentieren Sie nicht mit Trump oder dem Brexit als Gegenbeispiel. Beim Brexit waren die Umfragen immer knapp und bei Trump gab es durchweg eine ca. 45% Zustimmung der Amerikaner. Davon ist Le Pen Lichtjahre entfernt.