Streit um Taurus: Merz rudert zurück
Bisher hat der Kanzlerkandidat von CDU/CSU behauptet, er würde das umstrittene Taurus-System sofort an die Ukraine liefern. Doch ausgerechnet bei einem Besuch in Kiew rudert er zurück.
Bei seinem Wahlkampf-Trip in die ukrainische Hauptstadt sagte Merz zwar erneut das deutsche Taurus-System zu – allerdings erst nach einer entsprechenden Ausbildung ukrainischer Soldaten, die mehrere Monate dauert.
In der Praxis rückt Merz damit von seiner Forderung nach einer sofortigen Taurus-Lieferung ab. Auch sein umstrittenes “Ultimatum” an Kremlchef Putin erwähnte er nicht mehr.
“Deutschland darf nicht Kriegspartei werden” – so seine Begründung. Deshalb werde man keine deutschen Instrukteure schicken.
Es klingt fast wie bei Kanzler Scholz. Der hatte sein “Nein” auch mit einer möglichen Verwicklung Deutschlands begründet.
Doch anders als Scholz kann Merz keine anderen, zusätzlichen Waffenlieferungen zusagen. Auch Geldgeschenke hatte er nicht im Gepäck.
Einziger Trost: Der Mann von Blackrock, der noch nie Minister oder Kanzler war, traf in Kiew auch den estnischen Ministerpräsidenten Kristen Michal.
So konnte er sich zumindest für einen Moment auf Augenhöhe mit Scholz fühlen…
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Beitrags, der zuerst in unserem Newsletter erschienen ist. Mehr Newsletter und Abonnement hier
Thomas Damrau
11. Dezember 2024 @ 09:02
@European: Danke für den Dünnbrettbohrer – so schätze ich Merz auch ein: Merz denkt selten etwas zu Ende und muss daher die Diskussionen, die er lostritt, immer wieder einfangen, indem er einen halben Rückzug antritt.
Dass die deutschen Medien ihn trotzdem zur Führungspersönlichkeit hochschreiben, zeigt wie wenig diese Medien noch objektiv sind.
Aber es gibt natürlich auch praktische Gründe, warum Merz so rumeiert:
— Ein nicht unerheblicher Teil der Wähler ist von einer weiteren Eskalation in der Ukraine wenig begeistert: Ein allzu nassforscher Ton könnte Stimmen kosten.
— Die Ideen von Merz, wie es in der Ukraine weitergehen sollte, könnten zu spät kommen. Nach einer Wahl Ende März wird es einige Wochen dauern, bis die nächste Regierung stehen wird. Laut neuesten Umfragen (https://dawum.de/Bundestag/) würde es für eine CDU/SPD-Koalition reichen. Je nachdem, wie viele Parteien an der 5 %-Hürde scheiter, könnte es aber auch für Schwarz-Grün reichen. Der beste Koalitionspartner muss erst einmal (mit der CSU) identifiziert werden. Um mögliche V Koalitionsverhandlungen noch weiter zu komplizieren, wird z.B. von CDU-Wadephul das Thema Wahlrechtsreform ( https://www.deutschlandfunk.de/union-macht-ruecknahme-der-wahlrechtsreform-zur-koalitionsbedingung-102.html ) zur Hürde gemacht. Also: Einen Kanzler wird irgendwann im Mai gewählt werden. Bis dahin werden selbst bei extremer Zeitdilatation Trumps 24 Stunden vorbei sein.
european
11. Dezember 2024 @ 10:18
So ist es.
Man darf auch nicht unterschaetzen, was ebo ausgefuehrt hat. Merz hat noch nie ein Ministeramt gehabt. Dieser Punkt ist wichtiger als man sich vorstellt.
Bei der letzten Wahl haben wir uns nicht fuer die Gruenen entschieden, weil Annalena Baerbock auf uns einen sehr unreifen, fast schon kindlichen, Eindruck machte mit ihrem “ich komm ja vom Voelkerrecht”, und wir das Gefuehl hatten, dass sie sich gewaltig selbst ueberschaetzt und doch erst einmal ein Ministeramt ausueben sollte.
Nachdem sie nun ein Ministeramt innehat, wuerde ich sie erst recht nicht waehlen. Habeck auch nicht. Die Gruenen scheinen ein Fundus fuer Selbstueberschaetzer zu sein, die glauben, gute Politik bestuende nur aus guten Selfies. Man muss selber nichts koennen, man braucht nur gutes Marketing. Bestes Beispiel. Baerbock schreitet im weissen Anzug vor dem Capitol ueber eine Strasse und hat zwei weisse Blatt Papier in der Hand. Was soll uns dieses Bild sagen? Absaetze zu hoch? Hosenbeine zu lang? Was ich zu sagen habe, passt auf zwei Blatt Papier? Ich hab nichts zu sagen, ich tu nur so? Seh ich nicht toll aus?
https://rp-online.de/politik/ausland/baerbock-zu-besuch-im-us-kapitol-aussenministerin-auf-diplomatischer-mission_aid-97681217
Merz scheint trotz seines vorgerueckteren Alters ebenso in diese Kategorie zu gehoeren und sollte tatsaechlich erst einmal ein Ministeramt bekommen. Moeglichst kein Finanzminister oder Wirtschaftsminister. Verkehrsminister waere nicht schlecht. Die ganze Infrastruktur wurde unter CDU-Fuehrung runtergewirtschaftet und da koennte er beweisen, wie man die ohne Geld wieder hinbekommt. 😉
Arthur Dent
11. Dezember 2024 @ 14:08
@Thomas Damrau
Erst einmal wählen, dann zählen und dann sehen wir mal, was zusammen geht.
(und nach! der Wahl guckt der Inlandsgeheimdienst, ob wir zuviel von russischer Propaganda beeinflusst wurden und nochmal wählen müssen – vorher merkt die Beeinflussung ja niemand).
🙂
ebo
11. Dezember 2024 @ 14:09
Hat jemand ein Auge auf TikTok? Da läuft bestimmt schon was 🙂
Helmut Höft
11. Dezember 2024 @ 08:33
Ach wat! Merz lässt die Ukraine hängen, schickt Selenskji hinter die Fichte? Wer hätte das gedenkt? Holt ihn jetzt das Verantwortungsbewusstsein ein? *tststs*
@Arthur
Danke für noch etwas Aufklärung zu dem Herrn aus dem Sauerland und zum potentiel finalen(?) „Gamechanger“. Zu Gamechanger sagt MoA auch interessantes: https://www.moonofalabama.org/2024/11/how-the-new-russian-missiles-are-changing-the-game.html#more Tzja, let’s face it: Russia is always one step ahead, „boiling the frog“ doesn’t work!
@european
Warum willst Du Dünnbretter beleidigen? Merz hat etwas neues erfunden: Luftlöcher bohren!
european
11. Dezember 2024 @ 10:19
“Luftloecher bohren” – sehr schoen 😀 😀 😀
So faengt mein Tag gut an.
Karl
11. Dezember 2024 @ 06:46
Immer gern in Vergessenheit geraten lassen will die CDU den Aufsichtsratsposten ihres Blackrockers beim deutschen Ableger der Hongkong Bank HSBC. Das ist die größte Bank Europas (einst Briten-Empire), die wegen Geldwäsche für die Millionäre den übelsten Ruf hat, den eine Bank haben kann (siehe Wikipedia).
„Noch brisanter ist seine Tätigkeit bei der Düsseldorfer Privatbank HSBC Trinkaus“ schrieb 2018 n-tv -> https://www.n-tv.de/wirtschaft/Die-Cum-Ex-Connections-von-Friedrich-Merz-article20713486.html
Arthur Dent
10. Dezember 2024 @ 23:37
Bis jetzt ist Merz beständig zurückgerudert – bei den “kleinen Paschas”, den “Zahnartzterminen”… Er hat in so vielen Aufsichts- und Beiräten gesessen (Axa, DBV Winterthur, Deutsche Börse AG, der Ernst & Young AG, der Commerz-Bank, HSBC Trinkaus,er ist Gründungsmitglied der Initiative Neue Marktwirtschaft, um einen Käufer für die West-LB bekam er 5000 Euro pro Tag.
Nun noch mal ein bisschen Taurus:
Schon die technische Auslegung des Taurus, die es einem Gegner fast unmöglich macht, ihn vor dem Erreichen seines Zieles abzuschießen, erklärt das Eskalationspotenzial, das mit dem Einsatz dieses Flugkörpers verbunden ist.
Auch müssen die ukrainischen Soldaten in Deutschland ausgebildet werden, desweiteren müssen die Daten für die Einsatzplanung aus/durch Deutschland zur Verfügung gestellt werden. Dafür gibt es theoretisch 3 Möglichkeiten, wie man dem im Februar 2024 abgehörten Telefongespräch zwischen dem Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhardts mit seinen Fachleuten entnehmen konnte:
– Eine Datenleitung von der Firma MBB in Schrobenhausen in die Ukraine
– Eine Datenleitung von dem deutschen Luftwaffengeschwader in Büchel in die Ukraine.
– Ein Transport per PKW von Deutschland nach Polen und dann eine Weitergabe praktisch von Hand zu Hand an die ukrainischen Empfänger.
Das alles wäre das wohl nicht geheim zu halten und aus russischer Sicht eine direkte Teilnahme Deutschlands am Kampf gegen Russland.
Zusätzlich müsste ein Weg/eine Methode gefunden werden, wie Flugzeuge in der Ukraine so umgerüstet werden, dass der Taurus am Flugzeug angebracht und von diesem auch abgeschossen werden kann.
Außerdem wäre es zwingend erforderlich, Satellitenbilder zur Verfügung zu stellen.
Zur Erinnerung: Russland hat nicht Deutschland angegriffen – ein Beschuss mit Taurus auf russische Ziele wäre eine deutsche Agression, die eventuell von Russland militärisch “beantwortet” würde. Meiner Meinung nach ist das aber kein Nato-Bündnisfall.
(Quelle: Ex-Oberst Jürgen Hübschen)
ebo
11. Dezember 2024 @ 00:03
Danke für diese kenntnisreiche Erläuterung!
european
10. Dezember 2024 @ 19:58
Merz ist einfach nur Dünnbrettbohrer erster Güte.
Mag man über Merkel denken wie man will, aber nach ihrem Rückzug hat sie eine ziemlich große Lücke in der CDU hinterlassen, in die keiner gehen wollte. Alle in der Partei hatten es sich bequem gemacht. Das Land zerfällt, das Bildungsniveau sinkt, Digitalisierung braucht eh keiner, wir haben doch irgendwo noch ein Fax rumstehen. Man hat Mutti die Karre fahren lassen und sich auf dem Rücksitz einen schlauen Lenz gemacht. Da hat Merz seine Chance gesehen. Zu groß war doch die Schmach, die sie ihm zugefügt hat, als sie ihn seinerzeit aus dem Rennen gekegelt hat. Diese Wunde war noch offen und so hat er sich in das Vakuum gewagt, das sie hinterlassen hat. Erst mit der kühnen Behauptung, die AfD zu halbieren – was nicht so wirklich gelungen ist. Nun schielt er nach schwarz-grün und Habeck darf sogar Wirtschaftsminister bleiben. Und die Wähler? Die fragen wir nicht.
Merz ist ein Netzwerker und damit ist er reich geworden. Ein Aufsichtsratsposten bei BlackRock macht aber aus ihm keinen Wirtschaftsexperten, zumal er die gleiche Melodie von der Schuldenbremse pfeift wie zuvor Lindner. Ach ja, die Sparguthaben der Bürger will er für Investitionen “mobilisieren” und mit abstrusen Zinsgarantien locken, womit absolut nicht geklärt ist, wer denn in diesem Konstrukt der Schuldner sein soll.
Und der Taurus? Von der Oppositionsbank aus kann man sich gut aufblasen. Vorm Atomkrieg hat er auch keine Angst. Na denn. Einen solchen Kanzler will bestimmt jeder haben. 😉