Solo statt Trio
Viel Symbolik, wenig Substanz: Der Dreiergipfel in Italien hat keine “neuen Impulse” für die Rest-EU gebracht, wie dies Kanzlerin Merkel angekündigt hatte. Überraschend ist das nicht – ein Kommentar.
Der Kurztrip nach Neapel hatte nämlich vor allem den Zweck, Italiens Renzi und Frankreichs Hollande auszubremsen. Seit langem versuchen Italiener und Franzosen, eine Alternative zum neoliberalen deutschen Kurs zu formulieren.
Das will Merkel verhindern. Sie wählt die Umarmungstaktik, geht auf Renzi und Hollande zu, lässt sich aber nicht auf ihre Ideen ein. Sie legt einen flotten Dreier mit Italien und Frankreich hin, will aber kein neues Führungstrio bilden.
Warum auch? Renzi und Hollande sind zu schwach, um Europa zu neuen Ufern führen zu können. Dem Italiener steht ein Referendum, dem Franzosen eine Wahl bevor – beide könnten darüber stürzen. Merkel hingegen sitzt fest im Sattel.
Und so plant sie schon die nächsten Reisen – nach Estland, Tschechien und Polen. Auch dort wird sie versuchen, einen Kurswechsel abzuwehren und den Status Quo zu verteidigen.
Alles soll weitergehen wie bisher, als hätte es den Brexit nie gegeben. Europa bringt das nicht voran. Aber das scheint Merkel nicht zu scheren. Erst nach der Bundestagswahl in einem Jahr will sie – vielleicht – ein paar EU-Reformen wagen.
Bis dahin soll das Ancien Régime weitergehen. Schließlich ist es ihr Regime. Der Rest ist Show.
Peter Nemschak
23. August 2016 @ 12:19
Wichtig wäre, dass Polen als großes bevölkerungsreiches und entwickeltes Land Mitteleuropas zu den anderen drei Großen dazu stößt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das passieren wird. Nachdem das UK ausgefallen ist, ist Deutschland als Macht der Mitte gut beraten, zwischen den anderen Mächten ausgleichend und integrierend zu wirken. Deshalb machen die Reisen von Merkel Sinn.
Skyjumper
23. August 2016 @ 22:11
Mit rund 40 Mio. Einwohnern trifft das 1. Argument sicher zu. Bzgl. der Wirtschaftskraft ist Polen allerdings nach wie vor weit entfernt davon “groß” und/oder “entwickelt” zu sein. Polen kommt etwa auf 2/3 von Spanien, oder die Hälfte von Deutschland (pro Kopf gerechnet).
Nun ist das BIP selbstverständlich nicht der einzige Gradmesser. Aber Polen mit seiner PiS würde ich auch ansonsten nicht gerade für ein Vorbild in Sachen EU-Entwicklung halten.
Peter Nemschak
24. August 2016 @ 15:32
Es wäre falsch, ein Land nach den Zufälligkeiten seiner gerade im Amt befindlichen Regierung zu beurteilen. Wirtschaftlich ist Polen ungleich dynamischer als Südeuropa.
Skyjumper
24. August 2016 @ 21:11
Hmm, ja, da muss ich Ihnen in beiden Punkten Recht geben. Allerdings ist die PiS-Regierung in Polen nun nicht wirklich “gerade” im Amt. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer bereits seit längeren andauernden politischen Entwicklung in Polen. Eine Entwicklung die man, erst recht als Nachbarstaat, nicht unbedingt gleichgültig, und keinesfalls positiv betrachten darf. Und damit meine ich nicht ausschließlich die Regierungspartei, sondern viel mehr noch die politische Entwicklung in der Bevölkerung.