So wird die Flüchtlingskrise nicht gelöst

Was ist von dem neuen Asyl- und Migrationspakt der EU zu halten? Zwei Tage nach der Einigung überwiegen die kritischen Kommentare. Nicht nur Amnesty International und andere NGO kritisieren den Deal, auch viele Experten haben ernste Zweifel. – Eine Analyse.

Für Kommissionschefin Ursula von der Leyen war die Einigung „historisch“. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sprach von einem „wegweisenden Abkommen“, auf das sie „sehr stolz“ sei.

Ähnlich überschwänglich äußerten sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock und viele andere EU-Politiker.

Mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), so der Tenor, sei rechtzeitig vor der Europawahl im Juni 2024 ein politischer Kraftakt gelungen.

Die seit der Flüchtlingskrise 2015/16 überfällige Reform soll nicht nur die irreguläre Migration bremsen und für mehr Solidarität zwischen den EU-Staaten sorgen.

Die Einigung soll auch die Wähler davon überzeugen, dass Brüssel „liefert“. Nach der Coronakrise und dem Ukraine-Krieg habe man auch eine Antwort auf die Migration gefunden, so Kommissionsvize Margaritis Schinas.

Will sagen: Nun gibt es keinen vernünftigen Grund mehr, Rechtspopulisten oder andere EU-Kritiker zu wählen.

Doch dieses wahltaktische Kalkül geht nicht auf. Die Migrationskrise wird mit dieser Reform, die erst 2026 in Kraft tritt, nicht gelöst – da sind sich alle Experten einig.

Die Grundprobleme, etwa die Überlastung der Grenzstaaten, blieben bestehen oder verschärften sich sogar, sagt der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer.

Ohne Abkommen mit Drittstaaten werde die Reform nicht viel bringen, warnt der niederländische Experte Ruud Koopmans. „Man führt zwar schnellere Verfahren durch, aber wenn die Menschen abgelehnt werden, kann man sie nicht abschieben.“

Die EU unternehme den „nächsten Versuch, Wasser den Berg hinaufzutragen“.

Weiterlesen beim “Makroskop” (Paywall) Siehe auch Eine Asylbremse, eine Schuldenbremse – und auch noch eine Spaßbremse

P.S. Eine vernichtende Kritik kommt von Bernd Kasparek von Berliner Humboldt-Universität. Der Migrationsexperte erwartet “katastrophale Zustände” in den geplanten neuen Auffanglagern. Die Asylreform sei eine „Steilvorlage für die Rechten“