So will Bono die EU attraktiver machen
Was lässt sich gegen den grassierenden Vertrauensverlust in die EU tun? Darüber hat der irische Popstar Bono am Mittwoch im Europaparlament in Brüssel nachgedacht. Das Ergebnis ist überraschend.
Man müsse die EU “romantischer” machen, sagte Bono nach einem Gespräch mit Parlamentspräsident Tajani. “Europa ist eine Idee, die zum Gefühl werden muss, und als Künstler fühle ich mich dem verpflichtet.”
“Europe is a thought that needs to become a feeling, and I am, as an artist, in service of that.”
So weit, so gut. Gegen positive Gefühle für Europa hat keiner etwas einzuwenden, nicht einmal die selbst ernannten Patrioten und Nationalisten. Doch wir reden über die real existierende EU – mit Brexit und vielen anderen Problemen.
Doch den Brexit nahm Boni nicht einmal in den Mund. Auch die anderen Krisen sparte er aus. Ihm geht es um die Rolle der Künstler – und da schaut er (ausgerechnet) auf Amerika und (natürlich) auf Hollywood.
If you think about the mythology of America and you think about Hollywood and how Hollywood perpetuated the idea of the American dream… when you think about artists involved in the project that is Europe, it’s not that many.
Künstler aller EU-Länder, vereinigt Euch! Doch damit das klappt, müsste man erst einmal den “europäischen Traum” erfinden. Und dann ein europäisches Hollywood schaffen. Aber ist das nicht vielleicht schon das falsche Modell?
Brauchen wir wirklich eine “romantische” Vorstellung von der EU – reicht nicht ein realistisches Projekt für Europa?
Siehe auch “Nicht Netflix-tauglich”
Stefan Frischauf
11. Oktober 2018 @ 13:06
Danke für das Schlusswort hier. “Brauchen wir wirklich eine “romantische” Vorstellung von der EU – reicht nicht ein realistisches Projekt für Europa?” Genau das ist es.
Bono als Aktivist und Musiker in allen Ehren. Aber die Zeiten, als U2 mit “Sunday, bloody Sunday” u.a. noch aus dem Keller heraus staatliche Willkür angingen sind schon lange vorbei. Dass dies mit vielen anderen, insbesondere Familienmitgliedern ja immerhin 38 Jahre später, 1972 – 2010 zur offiziellen Aufklärung der Verbrechen von britischen Paramilitärs an diesem Tag führte – das ist natürlich auch ein kleiner Verdienst dieses Songs und seiner Macher damals.
Aber ansonsten hat Bono leider in vielen Dingen eher einen nun Status-bedingten “Marie-Antoinette-Blick” auf die Dinge (“Brot? – gebt den Leuten doch Kuchen!”).
Das ist traurig genug. Aber die Komplexität der Maschinerie durchblicken ja viele der Maschinisten kaum noch.
Romantische (V)Erklärung hilft da nur zur Überwindung des ideellen Vakuums. Danach kann man dann zum Realismus erforderlicher Um- und Weiterbaumaßnahmen kommen.
Peter Nemschak
10. Oktober 2018 @ 18:17
Wäre ein europäischer Patriotismus eine “romantische” Vorstellung von Europa oder ein realistisches Projekt? Nicht nur die nationale sondern auch die supranationale Identität hat eine emotionale Komponente, die sich am besten mit “Gemeinschaftsgefühl” beschreiben lässt.
ebo
10. Oktober 2018 @ 22:25
Das klingt jedenfalls gut! Allerdings ist es auch ein Widerspruch in sich, denn Europa ist nunmal kein Heimatland (patrie). Und die EU noch weniger…
Peter Nemschak
11. Oktober 2018 @ 13:06
Wer von einem außereuropäischen Land kommend auf einem europäischen Flughafen landet, empfindet Europa als patrie. Dies gilt insbesondere für Flüge aus Entwicklungsländern.