Fluchtursachen, Terror? Es gibt Wichtigeres!
Nie war die außenpolitische Lage so ernst wie heute. Türkei, Syrien, Libyen, IS-Terror: Europa ist bedroht, auch in Deutschland wächst die Gefahr. Doch die Außenminister sind hilflos.
Bei ihrem Treffen am Montag kam die Türkei erst gar nicht zur Sprache. Der Durchmarsch des Sultans Erdogan und der drohende Bürgerkrieg standen nicht einmal auf der Tagesordnung.
Stattdessen ging es um Syrien. Doch auch dort nur ein maues Bekenntnis zur “Abwehr des IS”. Der IS-Terror in Paris, in Brüssel: kein Thema. Der “Friedensprozess” in Syrien? Muss weitergehen.
Dass die EU-Strategie in der Region gescheitert ist, wollte niemand zugeben. Dass der IS nun auch Assads Hochburgen terrorisiert, verschwiegen die Minister. Dabei gab es fast 150 Tote.
Einziges Ergebnis: die Marinemission “Sophia” wird verlängert. Die EU will nun auch die Küstenwache in Libyen ausbilden, dabei kontrolliert die “Regierung” nicht mal die Küste – im Gegensatz zum IS.
Aber das ist offenbar nicht so wichtig. Es geht nicht wirklich um “Kampf gegen Terror”, auch nicht um die “Fluchtursachen”. Nein, es geht darum, EUropa weiter abzuschotten…
Peter Nemschak
24. Mai 2016 @ 17:48
@ebo In Libyen bietet sich die Besetzung eines Küstenstreifens durch Truppen von EU-Mitgliedern an. Dieser wäre von der EU zu verwalten. Failed states haben das Recht auf ihre Souveränität verloren und werden zum Gegenstand internationaler Polizeieinsätze von Geheimdiensten anderer Nationen. Die Drohneneinsätze der Amerikaner im Graubereich des Völkerrechts gehören dazu. Was die USA können, sollte auch die EU zusammenbringen.
Peter Nemschak
24. Mai 2016 @ 13:52
@S.B. Der Terror in Frankreich und Belgien war “Inlandsware”. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass es in unserer globalen Welt absolute Sicherheit geben kann.Folgen Sie der Empfehlung des Politikwissenschaftlers H.Münkler: mürrische Gelassenheit an den Tag legen.
ebo
24. Mai 2016 @ 14:24
Falsch, Inlandsware war es auch nicht. Ohne das Transitland Türkei und den IS in Syrien und Irak hätte es diese Attentate nicht gegeben.
S.B.
24. Mai 2016 @ 16:33
@Peter Nemschak: Es kann nie absolute Sicherheit geben. Man muss Gefahren aber nicht provozieren. Wenn sich die “globalisierte” Welt als unsicher herausstellt, muss das Rad eben zurückgedreht werden. Ich folge gar keinen Empfehlungen andere Leute, die ich nicht selbst überprüft habe. Wenn es nach mir ginge, würden adhoc die Grenzen geschlossen werden und die Asylbewerberleistungen auf Null gesetzt. Es gäbe nur noch Hilfe vor Ort und sonst gar nichts mehr. Die Terroristen können dann dort Terror machen, wo sie ihren Ursprung haben.
Skyjumper
24. Mai 2016 @ 10:37
Es braucht meiner Meinung nach nur eine kleine Portion Zynismus um froh über jedes Problemfeld zu sein welches von den Politikern nicht angesprochen wird. Wann immer Politiker sich mit einem Thema beschäftigen darf man fast sicher sein dass es hinterher schlimmer wird, neue Fluchtursachen geschaffen wurden, neue Terrorgruppen aufblühen wie Pilze nach einem Sommerregen.
Man mußte mit der Innenpolitik eines Saddam Hussein nicht glücklich gewesen sein, aber der Irak war ein stabiles Land bis sich der Westen der Sache annahm. Man mußte die politischen Grundeinstellungen Muammar al Gaddafis nicht lieben, aber Libyen hatte unter seiner Herrschaft enorme Fortschritte gemacht bis sich der Westen der Sache annahm. Afghanistan, Jemen, Syrien, oder (fast schon vergessen) Jugoslawien ……….. Fluchtursachen und Terror endstanden immer dann verstärkt wenn sich der Westen, oder seine örtlichen Statthalter, dazu “gezwungen” sahen sich mit einem Staat zu beschäftigen. Heute muss man all diese Staaten als failed States einstufen.
In diesem Sinne ist es vielleicht ein winziger Hoffnungsschimmer das sich die Aussenminister nicht mit den Themen beschäftigt haben. Die Libyenbeschlüsse der letzten Wochen sind bereits schlimm genug. Man muss wohl davon ausgehen dass die “Unterstützung” Libyens durch den Westen (für die einzige NICHT in Libyen aufgestellte Regierung wohlgemerk) mit Waffen dazu führen wird dass der IS in Nordafrika/Vorderasien auch weiterhin mit relativ modernen Kriegsgerät ausgestattet sein werden.
“Abwehr des IS”? Lächerlich! Förderung trifft es deutlich besser. Und was sollten die Aussenminister auch sinnvoll beschliessen? Auch in Deutschland den Notstand ausrufen? Wie er in Frankreich jetzt bereits 3x um je 2 Monate verlängert wurde und ähnlich viele Bürgerrechte aussetzt wie dies in der Türkei der Fall ist. Einmarschieren in der Türkei weil eine 2/3 Mehrheit des Parlaments, bestehend aus der gewählten Regierungspartei PLUS fast aller gewählten Oppsositionsparteien etwas beschlossen hat was zumindest in Einzelfällen auch in Deutschland gang und gäbe ist? Wollen wir dann, wenn wir schon mal dabei sind, auch in Österreich einmarschieren? Weil dort gerade eine Allparteienkoalition, unterstützt von den Elitekreisen des Landes, die Wahl des Hoffnungsträgers von 49,7 % der Österreicher verhindert hat.
Sicherheit für uns fängt damit an, anderen Menschen in anderen Staaten nicht ständig auf den Füssen rumzutrampeln. Drohnenangriffe, grenzüberschreitene Polizeiarbeit und was es dergleichen noch so gibt, schafft bestenfalls eine eingebildete Sicherheit bei durchaus realen Einschränkungen der Bürgerrechte.
kaush
24. Mai 2016 @ 10:32
Interessantes Interview zum Thema:
Seymour Hersh: “Im Sinn einer Antiterrorstrategie ist unsinnig, was wir tun”
…Seymour Hersh: Im Frühjahr 2013 häuften sich Geheimdienstberichte über Beweise, wonach Al-Nusra und andere syrische Rebellengruppen einschließlich des “Islamischen Staats”, auch wenn der damals noch nicht so gut organisiert war, die Gemäßigten verdrängt hatten.
Irgendwann nach Gaddafis Tod im Oktober 2011 hatten wir angefangen, über geheime Kanäle Waffen aus Libyen über die Türkei nach Nordsyrien zu liefern. Spätestens 2013 war klar, dass sie bei den falschen Leuten landeten. Es gab also Grund zur Sorge.
Der Vereinigte Generalstab hat sogar eine Studie in Auftrag gegeben, um abzuschätzen, wie viele Soldaten man bräuchte, um die in Syrien lagernden Chemiewaffen unter Kontrolle zu bringen. Die Antwort: siebzigtausend. Kurzum, der Vereinigte Generalstab hatte eine andere Sicht der Dinge als das Weiße Haus.
Dort behaupten sie heute noch, es gebe gemäßigte Rebellen. Das ist verrückt. Wir bewaffnen immer noch Leute, von denen wir irgendwie glauben, dass sie keine Islamisten sind. – derstandard.at/2000037264673/Seymour-Hersh-Im-Antiterrorsinn-ist-es-einfach-unsinnig-was-wir
In dem Interview wird auch deutlich, das sowohl von unseren “Verbündeten” als auch von Deutschland selbst, doppeltes und dreifaches Spiel getrieben wird (s. Rücktritt vom BND-Chef)
Was auch immer die einzelnen Beweggründe für Krieg, Terror und Hunger sind, den auch Deutschland nach Syrien bringt – die Abschottung EUropas ist es sich nicht.
Wie schon von S.B. erwähnt, sind bis April diesen Jahres schon mehr Menschen nach Deutschland eingewandert, als im gesamten Jahr 2014.
Unsere System-Medien unterstützen seit 2011 die Hungerblockade gegen Syrien und drücken gleichzeitig auf die Tränendrüse mit Kinder-Kulleraugen-Kampagnen. Schizophrener und menschenverachtender geht es nicht mehr!
Peter Nemschak
24. Mai 2016 @ 09:27
Der Kampf gegen den Terror ist eine mühsame und langwierige grenzüberschreitende Polizeitätigkeit. Was erwarten Sie? Dass in dysfunktionalen Staaten Verbrecher nicht mit Hilfe der Rechtsordnung zur Strecke gebracht werden können, wird jeder denkende Mensch einsehen. Immerhin ist es gelungen, kürzlich den Anführer der Taliban Mansur mittels Drohnenangriff zu töten, und das ohne Kollateralschaden. Drohnen werden in Zukunft die Führung des Terrors unter Dauerstress bringen, ohne dass es die Öffentlichkeit in Europa besonders wahrnimmt. Trotz aller Sicherheitsbemühungen wird es immer wieder zu Terroranschlägen in Europa kommen, unvermeidbar wie Unfälle im Straßenverkehr – trotz ausgefeilter Verkehrsvorschriften. Was soll die Aufregung?
ebo
24. Mai 2016 @ 10:04
Sie haben gut reden. Hier in Brüssel sind zwei Dutzend Menschen in genau jener Metrostation umgebracht worden, die die Mitarbeiterd er EU-Kommission, der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU und viele Journalisten – auch ich – regelmäßig nutzen. Das war kein Verkehrsunfall!
Peter Nemschak
24. Mai 2016 @ 10:36
Und wie viele Menschen sterben monatlich im belgische Straßenverkehr? Jedem von uns kann es passieren. Trotzdem kein Grund nicht vor das Haustor zu gehen. Da hilft kein Klagen, das Leben ist nun einmal lebensgefährlich.
Skyjumper
24. Mai 2016 @ 11:08
@ ebo
Es tut mir leid so brutal das sagen zu müssen was offenbar nicht so offenkundig ist wie es mir scheint: Sie und ich, und mit uns unsere Familien und Bekannten, wir sind diejenigen die eine Regierung gewählt haben die den IS faktisch den Krieg erklärt haben. Wir sind diejenigen die dieser Regierung mit unseren Steuergeldnern ihr Handeln erst ermöglichen.
Für den IS sind wir Kriegsgegner und sie versuchen uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf möglichst effektvolle Weise zu töten. Wie unsere Regierung das umgekehrt auch versucht. So läuft das nun einmal im Krieg. Worüber beschweren Sie sich? Darüber dass der Krieg auf diesen Wege auch zu uns kommt?
ebo
24. Mai 2016 @ 11:14
@Skyjumper So einfach ist das nicht. Die Attentäter in Paris und Brüssel kamen fast alle aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek, in dem sie auch groß geworden sind. Sie waren Klein- oder Schwerkriminelle und sind – offenbar aus Angst vor Strafe – über die Türkei in syrische IS-Terrorcamps gereist, von wo aus sie ihre Attacken vorbereitet haben. Es sind weder “foreign fighter” noch syrische Widerstandskämpfer, ihr Terror ist durch nichts zu rechtfertigen. Das sagen sogar ihre Eltern, Brüder, Nachbarn… alles nachzulesen in der belgischen und französischen Presse!
Skyjumper
24. Mai 2016 @ 11:33
@ ebo
“So einfach ist das nicht.”
Nein, natürlich ist es das nicht, das ist es ja fast nie. Und schon gar nicht wenn man so naheliegend bedroht ist wie Sie, als jemand der diese Metrostation regelmässig benutzt.
Diese Kleinkriminellen sind ein Werkzeug. Sie können die nicht anders bewerten als eine Drohne die eine Rakete abfeuert. Gelenkt werden die Drohnen, wie auch die Terroristen, an anderen Orten und von anderen Personen.
Was die Einstufung durch Eltern, Brüder und Schwestern anbelangt: Ich habe da ein Interview gesehen. Interviewt wurde die Familie eines der erschossenen Attentäter von Paris. Schwester und Bruder reckten stolz die Faust in den Himmel und verkündeten dass sie sich gleich am Tag nachdem sie vom Tod ihres Bruders erfahren hatten bei der örtlichen Rekrutierungsstelle des IS gemeldet haben und sich nun ausbilden lassen wollten als Gotteskämpfer. Ich meine das Interview wurde in Tunesien geführt, bin mir da aber nicht mehr sicher.
S.B.
24. Mai 2016 @ 10:24
@Peter Nemschak: “Trotz aller Sicherheitsbemühungen wird es immer wieder zu Terroranschlägen in Europa kommen, unvermeidbar wie Unfälle im Straßenverkehr – trotz ausgefeilter Verkehrsvorschriften. Was soll die Aufregung?”
Unvermeidbar…Soll das ein Witz sein? Es gibt keinerlei Grund, Terror von außerhalb bewusst zu importieren. Zeigt sich diese Gefahr, sind die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten: Grenzen zu und Tiefenprüfung der Zuwandernden. Im Zweifel sofortige Ablehnung. Andere Gesichtspunkte haben hinter diesem legitimen Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zurückzutreten.
Wie wir an den Fakten sehen können und müssen, ist dies aber nicht gewollt. Der Terror SOLL importiert werden.
S.B.
24. Mai 2016 @ 08:49
“Aber das ist offenbar nicht so wichtig. Es geht nicht wirklich um „Kampf gegen Terror“, auch nicht um die „Fluchtursachen“. Nein, es geht darum, EUropa weiter abzuschotten… ”
Die Abschottung EUropas ist doch eine Mär. Wenn in diesem Jahr bisher gut 200.000 Migranten allein nach D eingewandert sind, wo ist das die Abschottung?
Natürlich geht es vor dem Hintergrund der nach wie vor gewaltigen Wanderungsbewegungen auch nicht um den Kampf gegen den Terror. Denn wenn so viele Migranten unkontrolliert einwandern und dann zu einem ganz erheblichen Teil untertauchen, sind auch Terroristen darunter. Das ist so gewollt.
Ebenso wenig geht es um die Bekämpfung der Fluchtursachen. Diese sind von den USA und ihrem EU-Vasallen absichtlich herbeigeführt worden. Warum sollten diese jetzt bekämpft werden? Das wäre unlogisch.
S.B.
24. Mai 2016 @ 10:18
Nachtrag: Hohe Gefahrenstufe in Europa Über 1000 Terrorverdächtige festgenommen: http://www.n-tv.de/politik/Ueber-1000-Terrorverdaechtige-festgenommen-article17760731.html
Man kann sich vorstellen, wie viele dann tatsächlich hier sind. Es wird ein Zigfaches sein. Wie schon gesagt: Das ist so gewollt.
S.B.
24. Mai 2016 @ 13:12
Nachtrag 2: Von Libyen nach Italien 2600 Bootsflüchtlinge an nur einem Tag: http://www.welt.de/politik/ausland/article155627425/2600-Bootsfluechtlinge-an-nur-einem-Tag.html
Also wenn das Abschottung ist, möchte ich nicht wissen, wie es ohne Schotten aussieht.
Man sieht: Die Invasion von kulturfremden Armutsmigranten ist eindeutig gewollt.
ebo
24. Mai 2016 @ 13:22
Genau das wollen die EU-Außenminister doch unterbinden. Sie wollen EUropa abschotten, es klappt nur noch nicht so recht…
S.B.
24. Mai 2016 @ 16:37
@ebo: Die EU-Außenminister wollen gar nichts unterbinden. Genau deshalb klappt es auch nicht. Nehmen Sie als Parallele mal die Bankenrettung: Die funktioniert bestens. Deshalb gilt: Wenn etwas funktioniert oder nicht, sollte auf keinen Fall von Zufall ausgegangen werden. Nein, es ist politisch so gewollt.
ebo
24. Mai 2016 @ 16:39
Also wenn man sich erst ein Marionettenregime in Libyen einrichtet, es mit Militäreskorte einschifft und ihm dann verspricht, eine Küstenwache aufzubauen, steckt schon eine Intention dahinter. Ob sie umgesetzt wird, ist eine andere Frage. Wie gesagt, der IS kontrolliert einen Teil der Küste, die neue “Einheitsregierung” nicht.
Pjotr56
24. Mai 2016 @ 07:51
Karin Leukefeld hat einen interessanten Artikel zur Entwicklung in Syrien, insbesondere zu Bashar al-Assad verfasst:
http://wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?dossierID=084