Der nächste Brandherd
Während sich die Lage in Syrien etwas beruhigt, spitzt sie sich in Libyen bedrohlich zu. Wenige Kilometer vor der Küste Italiens macht sich der “IS” breit, zugleich flüchten immer mehr Menschen gen EUropa.
[dropcap]E[/dropcap]s klingt wie eine gute Nachricht: Der Ministerpräsident von Libyens neuer Einheitsregierung ist in Tripolis angekommen. Fajis al-Sarradsch sei auf dem Seeweg am Marinestützpunkt in Abu Sita angekommen, meldet “dpa”.
Doch warum auf dem Seeweg? Weil ihm die Islamisten in Tripolis die Ankunft per Flugzeug verweigerten. Zur ” Begrüßung” gab es Gewehrfeuer und laute Explosionen, berichtet der Fachdienst “MiddleEastEye”.
Wie soll der von Uno und EU eingesetzte Regierungschef unter diesen Umständen regieren? Er muss nicht nur die Islamisten und die weltliche Regierung in Tobruk aussöhnen, sondern auch noch den “IS” bekämpfen.
Der hat sich nämlich schon festgesetzt im Wüstenreich. Der “IS” beherrscht sogar Sirte, die Heimatstadt des vom Westen gestürzten Ex-Diktators Gaddafi. Und der zieht jede Menge ausländische Kämpfer an.
Im Gegenzug haben die US, UK und Frankreich offenbar schon Spezialeinheiten nach Libyen geschickt, um die Terror-Gefahr zu bannen. Dies könnte das Chaos aber noch vergrößern, fürchtet man in Italien.
Mehr Flüchtlinge nach Italien
Dort kommen schon jetzt deutlich mehr Flüchtlinge an als noch vor einem Jahr. In den ersten drei Monaten waren es fast 16 100 Menschen – rund 6000 mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres.
Entwickelt sich da ein neuer, hochgefährlicher Brandherd vor den Küsten EUropas? Die EU-Chefs sind alarmiert. Beim letzten EU-Gipfel gab es sogar eine kleine vertrauliche Sonderrunde zu Libyen.
Zuvor hatte die EU-Außenbeauftragte Mogherini gewarnt, dass fast eine halbe Million Vertriebene von Libyen über das Mittelmeer nach Europa flüchten könnten…
Beate
3. April 2016 @ 18:35
Die arabische Welt glaubt nach ‘Libyen’ nur noch das sich hinter dem Menschenrechts- und Demokratiegeschwafel des Westens der Zugriff auf die Ressourcen des so jeweilig beglückten Landes verbirgt.
Mit keinem Wort wurde im heutigen Presseclub erwähnt ds Frau Merkel in Griechenland Gefangenenlager für Geflüchtete errichten ließ.
Mit keinem Wort wurde erwähnt, dass Sie mit einem Mann zusammenarbeitet, der Mörder aus ideologischen Gründen mit Waffen ausstattet.
Vorzugsweise mit in Deutschland produzierten Waffen.
Mit keinem Wort wurde erwähnt , dass Frau Merkel und Schäuble zu einem Faile State wie Lybien gemacht haben.
Merkel wendet gegen Griechenland die gleiche Erpressungspolitik an, die schon Adenauer angewandt hat. Die Gewährung von Auslandskrediten.
Dafür müssen Millionen Deutsche in Armut leben, damit Überschüsse im Aussenhandel erzielt werden können. Die letztlich der Machtpolitik dienen.
Der Ausbau der Rüstung in Deutschland dient jetzt den gleichen Zwecken. Feuchte Machtträume von durchgeknallten Politikern möglich zu machen.
alexander
31. März 2016 @ 13:41
Zitat von: http://www.heise.de/tp/artikel/47/47826/1.html
“Mit der Installierung der von der UN anerkannten Regierung kann einiges in Gang gesetzt werden: die eingefrorenen Gelder (100 Milliarden) aus der Gaddafi-Zeit werden der neuen Regierung zur Verfügung gestellt, sie soll wieder Zugriff auf die Zentralbank und die Ölgesellschaft bekommen (mittlerweile gab es Parallelgründungen) – und die Einheitsregierung kann und soll andere Staaten um Hilfe bitten. Italien wartet darauf, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die USA.”
kaush
31. März 2016 @ 09:28
Noch ein anderer Aspekt zur aktuellen Intervention in Libyen:
“Die „Angebote“ der privaten Söldnerfirmen”
“Libyen. Die geplante Übernahme der Militärgewalt in Libyen durch US-amerikanische Sicherheitsfirmen.
Ein Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Angelika Gutsche
>The InterceptKönig der Söldner<, seit 2013 versucht, an libysche Partner militärische Dienstleistungen und Ausstattungen wie Söldner, gepanzerte und bewaffnete Fahrzeuge, Helikopter, Boote und Aufklärungsflugzeuge zu verhökern. Er bietet an, libysches Personal auszubilden, die Schmugglerrouten zu überwachen, illegale Migranten zu stoppen – und dies alles mit dem Verweis, sich nicht an rechtliche Vorgaben halten zu müssen – man sei ja „privat“. Ein Plan namens „Lima“ ist so direkt auf die Flüchtlingskrise zugeschnitten worden.
(…)
Auf diese Art versuchen die USA, sich auch noch die letzten Reste der libyschen Staatsgelder unter den Nagel zu reißen: Private US-amerikanische Sicherheitsfirmen, die militärische Sicherheits- und Grenzschutzaufgaben übernehmen, sollen damit für ihre Dienste bezahlt werden. Damit Prince und andere Söldnerfirmen zum Zuge kommen, muss natürlich das Waffenembargo gegen Libyen aufrechterhalten werden, nur so wird verhindert, dass die libysche Armee den IS im Land effektiv bekämpft und Söldnerfirmen unnötig macht.
Für die USA hat der Einsatz privater Sicherheitsfirmen enorme Vorteile: Es müssen keine ausländischen Truppen auf fremdem Territorium stationiert werden, und trotzdem stehen die militärischen Kräfte im Land unter der totalen Kontrolle der USA. Die Kämpfer dieser Sicherheitsfirmen unterliegen keiner Aufsicht und keinen rechtlich-militärischen Vorgaben, keiner Kriegsgerichtsbarkeit, wie das bei „normalen“ Truppen der Fall ist. Und die Kosten dafür übernimmt auch noch das besetzte Land!…"
https://www.freitag.de/autoren/gela/die-angebote-der-privaten-soeldnerfirmen
Peter Nemschak
1. April 2016 @ 17:20
Dass die lybische Armee gegen den IS-Terror geschlossen vorgeht, ist angesichts der nach wie vor ablaufenden gewaltsamen Stammesfehden unwahrscheinlich, abgesehen davon, ob sie dafür entsprechend ausgerüstet und trainiert ist (siehe die syrische Armee Assads). So oder so müsste Libyen die Kosten übernehmen, für ein relativ schwach bevölkertes Ölland kein Problem, insbesondere wenn die eingefrorenen Gelder freigegeben werden. Für die USA ist der Einsatz von Söldnern innenpolitisch weniger sensitiv als der von US-Soldaten. Wenn US-Berufssoldaten bei Kämpfen im Ausland fallen, ist es innenpolitisch heikler als wenn private Söldner dieses Schicksal ereilt. Unklar ist, ob die privaten Sicherheitsdienste unter ziviles oder Kriegsrecht fallen. Dass solche Dienste zum Einsatz kommen, ist in jüngerer Geschichte nicht neu. Die französische Fremdenlegion hat jahrelang in Afrika gekämpft und tut es wahrscheinlich heute noch.
akademischer Realist
31. März 2016 @ 06:17
Wo ist der Brandherd und was brennt dort?
Die Situation in Libyen hat sich doch seit vielen Monaten kaum verändert. Zudem ist man dort im UN-Dialog, weshalb es keine Berichte über Kampfhandlungen gibt. Das sind nur lokale Scharmützel.
Wegen ISIS/Daesh bzw. der Spezialkräfte lest die Artikel von Wolfram Lacher (SWP) oder Frederic Wehrey, weil die sich gut auskennen und Zusammenhänge verstehen.
Geht es um die 6.000 Flüchtlinge mehr als in 2015? Warum wohl kommen mehr Flüchtlinge in Italien an? Erinnern wir uns:
Am 31/10/2014 lief die italienische Operation “Mare Nostrum” aus.
Das führte zu Toten im Mittelmeer.
17/04/2015: Mittelmeer – Ein gut bewachtes Massengrab
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/mittelmeer-fluechtlinge-schiffsunglueck-sicherheit
19/04/2015: Mehr als 700 Menschen ertrinken im Mittelmeer
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/fluechtlinge-lampedusa-unglueck
23/04/2015: EUCO beschließt “Operation Triton”
Am 18/05/2015 noch EUNAVFOR MED
Entsprechend internationaler Selbstverpflichtungen wie SOLAS müssen alle Schiffe Ertrinkende retten. Und Schiffe der Marinen und Küstenwachen der EU-Mitgliedstaaten müssen Flüchtlinge in die EU bringen, weil auf See kein Asylverfahren durchgeführt werden kann.
Es kommen mehr Flüchtlinge in Italien an, weil wir unsere Grenze mit sehr vielen Schiffen bewachen und die Flüchtlinge retten!
Diese starke Bewachung fordern doch die Populisten von AfD über FPÖ bis FN, oder?
Ab April/Mai wird sich das einpendeln, weil auch in 2015 schon gerettet wurde. Wie man an den Herkunftsländern der Flüchtlinge sieht, gibt es noch keine Verlagerung von der Ägäisroute zur zentralen Mittelmeerroute:
UNHCR-Daten zu Italien: http://data.unhcr.org/mediterranean/country.php?id=105
Selbstverständlich wird die zentrale Mittelmeerroute wieder in den Blick kommen, wenn das EU-Türkei-Abkommen funktioniert wie das EU-Marokko-Abkommen. Die Sonderrunde zu Libyen sollte eher beruhigen, weil der EUCO das offensichtlich weiß!
Ohne jegliche Panik frage ich nochmals: Wo ist der Brandherd und was brennt dort?
ebo
31. März 2016 @ 11:49
@realist Schon 2012 brannte es lichterloh, da wurde sogar der US-Botschafter in Bengasi ermordet. Im Febraur kam dann die Meldung, dass französische Spezialkräfte im Osten unterwegs sind, um den “IS” zu bekämpfen. Und nun meldet SPON, dass die neue “Einheitsregierung” auf einem Marinestützpunkt festsitzt…
kaush
30. März 2016 @ 23:55
“Im Gegenzug haben die US, UK und Frankreich offenbar schon Spezialeinheiten nach Libyen geschickt, um die Terror-Gefahr zu bannen.”
Sie haben doch dem IS den Weg frei gebombt, den libyschen Staat zerstört.
Was für einen Staat die NATO in die IS-Steinzeit gebombt hat, was sie zerstört hat, lässt sich gut an diesem Artikel ermessen:
“…Im Jahr 2010 erreichte es als einziges afrikanisches Land den Status “hohe Entwicklung” im Human Developement Index. Um zwei Positionen schlechter wurde damals Saudi-Arabien bewertet, was hauptsächlich daran lag, dass die Golf-Monarchen den gesellschaftlichen Reichtum ihres Landes nicht öffentlich verteilen. Einen kleinen Eindruck vom libyschen Alltag mag der Umstand bieten, dass auf 100 Einwohner im letzten Jahr der Gaddafi-Herrschaft etwa 180 Mobilfunkverträge kamen.
Natürlich können auch Menschen mit zwei Handys in der Tasche frühzeitig ums Leben kommen, wenn sie in einer Gesellschaft leben, in der die elementarsten öffentlichen Funktionen nicht gewährleistet sind. Dieser Fall lag in Libyen jedoch ausdrücklich nicht vor. Kriminalität existierte praktisch gar nicht, was als positiver Nebeneffekt eines manischen Kontrollstaates eingeordnet werden kann. Aber dass die durchschnittliche Lebenserwartung 74 Jahren betrug, hatte eher damit zu tun, dass sich Libyen seit 1977 als sozialistisches Land definierte. Den größten Teil der Einnahmen aus den Energieexporten investierte die libysche Regierung in Dienstleistungen, die allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen sollten.
Dass dies, im Unterschied zu vielen anderen erdölexportierenden Ländern, weitestgehend geschah, lässt sich etwa daran erkennen, dass der Alphabetisierungsgrad bei 90 Prozent liegt. Libyen verfügte über ein kostenloses Schulsystem, in dem 93 Prozent der Kinder und Jugendlichen immerhin die Sekundarstufe besuchten. Mehr als die Hälfte der libyschen Jugendlichen durchlief sogar einen dritten Ausbildungsgang, in der Regel an einer Hochschule, wobei Frauen deutlich häufiger einen entsprechenden Abschluss erreichten als Männer.
Dieses für eine konservative muslimische Gesellschaft bemerkenswert hohe Bildungsniveau von Frauen trug auch zu einer selbständigen Familienplanung bei. Im Jahr 2010 hatte eine Frau in Libyen durchschnittlich 2,4 Kinder. Der Anteil von Frauen an der im formalen Sektor erwerbstätigen Bevölkerung lag bei fast 30 Prozent – ein Wert, der für Afrikanerinnen oder Frauen in anderen muslimischen Gesellschaften völlig außerhalb des Vorstellbaren liegt.
Das gilt sicher auch für ein öffentliches und natürlich kostenloses Gesundheitssystem. Als eines der wenigen Länder hatte Libyen die WHO-Deklaration von Alma Ata aus dem Jahr 1978 umgesetzt. Für die Primärversorgung existierten 1500 kleine Kliniken, die sich um Vorsorge aller Art und Impfungen kümmerten.
Hinzu kamen etwa 100 Krankenhäuser. Obwohl Verwaltung und technische Ausstattung aus nordeuropäischer Perspektive vielerorts zu wünschen übrig ließen, konnte das Land bei allen wesentlichen Indikatoren, etwa Kindersterblichkeit oder ansteckende Erkrankungen, bessere Werte vorweisen als manches Land in der Europäischen Union.
Die WHO benannte den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen mit der einfach zu merkenden Zahl 100 Prozent. Im Jahr 1969, als die aufständischen Offiziere um Oberst Gaddafi den König stürzten, gab es im gesamten Land sieben Ärzte…”
http://www.heise.de/tp/artikel/43/43600/1.html
Peter Nemschak
1. April 2016 @ 10:22
Gaddafi als Heiliger – eine seltene nachösterliche Darstellung. Sie stammt wohl von ihm selbst aus besseren Tagen als er noch die zivilisierte Welt terrorisierte (Lockerbie) und Leitfigur für populistische Politiker in Europa war, die von seriösen Staatsmännern gemieden wurden. Libyen war zu Zeiten Gaddafis kein Staat im westfälischen Verständnis, eher eine autoritäre Stammesgesellschaft mit einem charismatischen Führer, der sich je nach Laune manchmal liberal gab und zeitweise Anziehungspunkt für naive Jugendliche war. Sein Nutzen für Europa bestand darin, Migranten aus der Sahelzone von den Küsten des Mittelmeers fernzuhalten. Ob er dies heute preisgünstiger als Erdogan tun würde, ist nicht mehr überprüfbar. Was die USA und mittlerweile Europa zuletzt von den Russen gelernt haben, dass Staatlichkeit (interne Sicherheit) Grundvoraussetzung für inneren Frieden in einem Land ist, egal ob der Staat autoritär oder demokratisch geführt wird. Auch die sogenannten “europäischen Werte” sind relativ und kontextabhängig und können nicht ohne weiteres exportiert oder absolut gültiger Maßstab für internationales Handeln sein.
winston
30. März 2016 @ 23:16
Nun drehen sie in Brüssel total durch. Ob eine Sprengung des EU Parlaments auch eine Gelegenheit ist ?
Hier werden die Toten der 2 Attentate instrumentalisiert. Bin nur noch angewidert. Der Satz stammt übrigens von Hr. Pitella, Leiter der Sozialisten im EU Parlament.
EU admits plot for FEDERAL superstate and describes Brussels attacks as an ‘opportunity
https://twitter.com/End_of_Europe/status/714857444447543297
Pique Dame
30. März 2016 @ 18:21
Soweit ich es verstanden habe, will man in Tripolis einen Regierungschef einzig und allein installieren, um sich im Schweinsgalopp formal die Rechte zum Aufenthalt in libyschen Hoheitsgewässern und damit zur Flüchtlingsabwehr zu holen. Was der sonst noch macht oder nicht machen kann, ist der EU im Moment imo völlig wurscht.
ebo
30. März 2016 @ 18:24
Interessant – davon steht natürlich nix in der dpa-Meldung!
luciérnaga rebelde
30. März 2016 @ 22:00
Und dann ist ja natürlich auch das Erdöl, das der Westen beansprucht…
Tja, so einen “blutrünstigen Diktator” zu stürzen, ist nicht ganz so einfach: siehe Syrien, Iraq, etc.
bluecrystal7
31. März 2016 @ 02:22
Ja, im gesamten mittleren und nahen Osten ging es doch seit jeher ausschließlich um Rohstoffsicherung, bzw. das Ausweiten und/oder den Erhalt der eigenen Vormachtstellung. Reine Geopolitik eben. Man erzeugt die Fluchtursachen selbst und wundert sich aber hinterher und schaut wie ein begossener Pudel, wenn die Menschen auf einmal fliehen…