Sie reden von Wachstum

Beim Euro-Sondergipfel am Montag soll es ums Wachstum gehen. Sparen allein reiche nicht mehr aus, um die Eurokrise zu überwinden, heißt es plötzlich in Brüssel. Sogar Kanzlerin Merkel springt auf den Zug auf und fordert wachstumsfreundliche Reformen. Geld will sie dafür allerdings nicht ausgeben. Ihre Strategie folgt dem altbekannten neoliberalen Mantra: Liberalisieren, privatisieren, flexibilisieren.

Die Austeritätspolitik in der Eurozone ist gescheitert. Griechenland rutscht immer tiefer in die Rezession, auch in Portugal und Irland verschlechtert sich die Lage zusehends. Der IWF fordert daher, den einseitigen Sparkurs aufzugeben und sich endlich wieder um Wirtschaftswachstum zu kümmern. Spanien solle das Spardiktat, das nicht zuletzt auf Kanzlerin Merkel zurückgeht, einfach ignorieren, forderte der IWF zuletzt. Auch Deutschland soll weniger sparen – denn wenn die Eurozone so weiter mache, könne sie die gesamte Weltwirtschaft ins Unheil stürzen (siehe auch “Was Lagarde wirklich sagte” in diesem Blog).

Zunächst stellten sich die Eurochefs taub. Man sei ja schon auf einem „wachstumsfreundlichen Konsolidierungskurs“, hieß es beschönigend in der Brüsseler EU-Kommission. Wenn der Sparkurs erst einmal wirke und das Vertrauen zurückkehre, werde es auch wie von selbst mehr Wachstum geben, hieß es in Berlin. Doch nun fordert EU-Ratspräsident Van Rompuy eine „Anti-Rezessions-Strategie“. Und Merkel will Europa „auf Wachstum trimmen“, wie “Spiegel online” meldet.

Doch das ist Augenwischerei. Beim Pressebriefing für den EU-Gipfel ließ die Bundesregierung heute die Katze aus dem Sack: Es werde keinen Cent für neue Konjunkturprogramme geben, sagten Merkels Leute. Vielmehr sollten die Krisenländer mit Strukturreformen versuchen, „Wachstumspotentiale“ freizusetzen. Also Lehrer und Krankenschwestern entlassen, Staatsbetriebe privatisieren, die Wirtschaft liberalisieren und die Arbeit flexibilisieren. Treuhand und Hartz IV für alle, von Griechenland bis Portugal. 

Das ist das klassische neoliberale Wirtschaftsprogramm à la Thatcher & Reagan, mit einem kleinen, aber entscheidenden Unterschied: Steuersenkungen und andere Anreize soll es nicht geben. Das können sich Griechenland & Co. nämlich nicht leisten. Damit läuft die angebotsorientierte Politik aber ins Leere, zumal die Banken kaum noch Kredite geben, die Sparkonten leergeräumt sind und eine massive Kapitalflucht eingesetzt hat. 

Außerdem müssen alle Euroländer ab sofort brutal sparen – denn am Montag soll, wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, der neue Fiskalpakt verabschiedet werden. Danach werden alle auf einmal auf die Sparbremse treten, um 0,5 Prozent Budgetdefizit zu erreichen (bisher schafft das nicht einmal Deutschland). Die ursprünglich geplante Ausnahme für den Fall einer schweren Rezession wird es – wenn sich Merkel durchsetzt – nicht geben. 

Sie reden von Wachstum – doch sie fassen Beschlüsse, die die Konjunktur weiter abwürgen. Und das mitten in einer Krise, die nicht nur Europa, sondern die gesamte Weltwirtschaft bedroht. Besser wäre es, den kommenden EU-Gipfel einfach ausfallen zu lassen und gar nichts zu beschließen…