Selenskyj will nie mehr mit Putin verhandeln
Neue Kehrtwende in Kiew: Nachdem Präsident Selenskyj wieder in die Nato drängt, schließt er nun auch noch Verhandlungen mit Kremlchef Putin aus. Früher war das mal sein größter Wunsch. Will er Putins Sturz abwarten?
Erinnert sich noch jemand an das Frühjahr? Da zog Selenskyj über die Nato her, bot die Neutralität seines Landes an – und wünschte sich Verhandlungen mit Putin auf Augenhöhe, von Mann zu Mann.
Sechs Monate und zwei verpasste Friedenschancen später (im April und im August gab es ein “Window of opportunity”, das die USA und das UK zerschossen haben) ist der frühere Komiker völlig anderer Meinung.
Angesichts der Eskalation auf dem Schlachtfeld, die von ukrainischen Rückeroberungen und russischen Atomdrohungen geprägt wird, will er nun gar nicht mehr mit Putin reden.
In einem präsidialen Erlass hieißt es, Verhandlungen mit Putin seien nach der russischen Annexion von vier ukrainischen Regionen unmöglich geworden.
“Er weiß nicht, was Würde und Ehrlichkeit sind. Deshalb sind wir zu einem Dialog mit Russland bereit, aber mit einem anderen russischen Präsidenten”, so Selenskyj.
Ist er nun persönlich beleidigt? Vom ukrainischen Vormarsch berauscht? Oder will er so lange warten, bis Putin gestürzt oder gestorben ist? Wie eine rationale Reaktion sieht das nicht aus.
Umso wichtiger wäre es nun, dass Deutschland oder die EU sich für Verhandlungen stark machen. Denn ohne direkte Gespräche, so viel steht fest, wird der Krieg nie enden.
Dummerweise haben Berlin und Brüssel aber immer wieder erklärt, dass die Ukraine selbst entscheiden müsse, wann sie Verhandlungen anberaumen will – und unter welchen Bedingungen.
Die EU hat sich damit selbst aus dem Spiel genommen und der Diplomatie den Weg verbaut. Sollen wir jetzt so lange warten, bis der Kremlchef weg ist, ist das vielleicht sogar das neue Ziel?
Siehe auch “Die Ukraine stellt die Nato bloß”
P.S. Offenbar will die Ukraine überhaupt keine Verhandlungslösung. Darauf deuten jedenfalls die empörten Reaktionen aus Kiew auf den Friedensplan von E. Musk hin. Der Tesla-Gründer und Starlinks-Helfer wird regelrecht gemobbt...
KK
5. Oktober 2022 @ 15:24
@ Stef:
1. Die Bundeswehr wird bald dafür da sein, im Inland gegen Proteste vorzugehen. Der rechtliche Rahmen und das Einsatzkommando in Berlin wurde gerade erst geschaffen.
2. Die Bundersregierung wird die ungeschminkte Wahrheit über die Anschläge auf NS1 und NS2 kennen – sonst würde sie nicht so beredt dazu schweigen!
3. Scholz balanciert auf einem ganz dünnen Seil: Sobald er die Wünsche (insbesondere zur immer weiteren Aufrüstung der Ukraine im tatsächlichen wie die der EU im Wirtschaftskrieg) seiner beiden kleinen Koalitionspartner ignoriert, holen die sich den Merz ins Boot und es ist sofort aus mit seiner Kanzlerschaft. Stichwort: Konstruktives Misstrauensvotum wie 1982.
Scholz bestimmt keineswegs die Richtlinien der Politik, die bestimmen die kleinen Koalitionspartner. Und die E**r zu einem BASTA wie einst Genosse Schröder hat er offenbar nicht!
Stef
5. Oktober 2022 @ 13:50
Scholz ist eine tragische Figur. Was nicht bedeutet, dass ich Mitleid mit ihm hätte. Er wollte unbedingt Kanzler werden, jetzt muss er dem auch gewachsen sein. Was er nicht ist.
Tragisch finde ich, dass er offensichtlich viele handwerkliche Möglichkeiten hatte, die Position Deutschlands und auch seine eigene als Bundeskanzler zu stärken. Z.B. indem er mit Stolz auf die Ostpolitik Brandts verweist, statt diese zu widerrufen. Z.B. indem er Konsequent auf die Mitverantwortung des Westens und der USA an dem Krieg verweist. Z.B. indem er vor einer Freigabe von zusätzlichem Geld für Rüstung eine konsistente Militärdoktrin für Deutschland setzt (derzeit haben wir so etwas nicht, oder kann mir jemand beantworten, wofür die Bundeswehr denn jetzt eigentlich da ist?). Z.B. indem er bei sämtlichen Sanktionswünschen gegen Russland von vornherein zur Bedingung macht, dass sie Deutschlands Gesellschaft und Wirtschaft nicht schaden dürfen. Z.B. indem er nach den Anschlägen auf die Pipelines vernehmbar verkündet, dass Deutschland unbedingt die ungeschminkte Wahrheit über die Täter wissen will, auch wenn es wehtut, statt den absurden Spekulationen Raum zu geben, Russland verhalte sich so wie das Selbstmordkommando der Volksfront von Judäa.
Tragisch ist mit anderen Worten, dass Scholz sein Heil alleine mit Anpassungen an die Erwartungen Anderer gesucht hat, statt einen eigenen Standpunkt zu kultivieren und zu verteidigen. Er ist damit ein typisches Kind dieser Politikergeneration, die angeblich den Ideologien abgeschworen hat und dem vermeintlich ideologiefreien Pragmatismus huldigt.
Eigentlich bleiben für Scholzens Verhalten als Bundeskanzler nur zwei Erklärungen, beide gleichermaßen tragisch wie inakzeptabel: Er ist überfordert oder er ist korrumpiert.
Robby
5. Oktober 2022 @ 08:50
Verhandelt wird wenn die EU , zuvorderst Deutschland , auf den Knien ist. Vorher nicht.
Erinnert sei, dass die ersten beiden Verhandlungen im Frühjahr die EU mit Waffenlieferungen von je einer halben Milliarde Euro gestoppt hat.
Obervolta mit Atomraketen kickt im Vorbeigehen die zweitgrößte Wirtschaftsmacht vom geopolitischen Schachbrett.
Wenn das keine Zeichen sind?
Holly01
5. Oktober 2022 @ 07:55
Die Trauer der USA über die Zerstörung von NS1 und NS2 hält sich in Grenzen:
” https://www.nachdenkseiten.de/?p=88813 ”
Wer da Parallelen zwischen Ukraine und Syrien sieht (1 Mrd. pro Jahr für Ausbildung von Partisanen usw.), darf sie behalten:
” https://www.youtube.com/watch?v=zSubuPm_TpE ”
Wo bilden die USA denn die Partisanen aus, die in Deutschland aktiv werden sollen?
Ich frage ja nur, damit “man” weiß wo man hinschauen muss.
KK
4. Oktober 2022 @ 23:25
Die Richtlinien deutscher Politik bestimmt nicht Kanzler Scholz, sondern werden in Washiungton DC, Kiev und Brüssel – v. d. Leyen und Stoltenberg – bestimmt. Mit tatkräftiger Unterstützung von Baerbock, Habeck, Strack-Zimmermann und Lindner. Die SPD als Kanzlerpartei steht daneben und guckt mehrheitlich blöd (Klingbeil und Co), völlig vergessend, was ihre Ostpolitik alles vorteilhaftes bewirkt hat – oder schweigt (Mützenich – irgendwie aber auch verständlich, wenn man auf Todeslisten der ukrainischen Regierung auftaucht).
european
4. Oktober 2022 @ 21:34
Naja,
er hat das Versprechen des Wertewestens, dass bis zum letzten Ukrainer gekämpft wird. Er hat die carte blanche der deutschen Bundesregierung, die ihm ohne Einschränkung alles verspricht, was er haben will. Er hat im Prinzip alles, was er braucht. Niemand weist ihn in die Schranken, niemand übt Kritik. Da kann er solche Töne spucken und sich des Applauses sicher sein.
Scholz merkt nicht, dass ihm die ganze Situation entglitten ist. Was für ein elender Versager. Wenn ein Leader versagt, dann rettet ihn manchmal gutes Personal, aber das hat er auch nicht. Lauter kriegsgeile Politiker, die selber nicht mal bei der Bundeswehr in der Schreibstube Dienst geschoben haben. Null Ahnung von Militär und Kriegsführung, aber die größte Klappe aller Zeiten, allen voran Baerbock und Hofreiter. Man muss sich nur mal die vernichtenden Kommentare von Erich Vad dazu anhören. Es ist mehr als blamabel.
Die große Preisfrage ist eigentlich: Was ist, wenn ein potenzieller Nachfolger Putins noch viel schlimmer ist? Der geplante Regimechange ist definitiv gescheitert. Putin hat übrigens gute Zustimmungswerte. Auch das wird im Westen niemand verstehen, einfach weil sie zu blöd sind. Es gibt viele Wahrheiten auf der Welt und die westliche “Werteorientierung” ist nur eine davon, die von sehr vielen NICHT geteilt wird. Auf der Welt gibt es kein richtig oder falsch. Es gibt einfach nur verschiedene Denkmodelle, die ihre Historie haben und auf ihrer eigenen Wahrheit beruhen.
Es sind die Planlosigkeit und die fehlenden Leadership-Qualitäten Europas, die gerade den ganzen europäischen Teil des Kontinents selbst und eigenhändig versenken. Wer glaubt, die Verdummung des Volkes hätte erst mit Facebook und Co. begonnen, der irrt gewaltig. Die Verdummung hat die Regierungsebene bereits erreicht und gestartet ist das lange bevor social media überhaupt online ging.
Was bleibt, ist die Hoffnungslosigkeit in Europa und gleichzeitig Aufschwung und Stärkebewusstsein in aufstrebenden Ländern. Man ist sich einig im Widerstand gegen den “Wertewesten”. Schluss mit der Hegemonialmacht einzelner weniger.
ebo
4. Oktober 2022 @ 21:51
Scholz ist ein Getriebener. Er könnte der Treibjagd morgen ein Ende setzen, indem er verkündet, dass er keine Waffen mehr freigibt, solange er öffentlich unter Druck gesetzt wird. Doch das wagt er nicht. Denn ihm sitzen nicht nur die Ukrainer und die Amerikaner im Nacken, sondern auch die Grünen und die Liberalen. Er ist nicht zu beneiden.
european
4. Oktober 2022 @ 22:02
Wahre Leader sind nie zu beneiden, aber wahre Leader halten auch Gegenwind aus. Leadership ist nichts für Sonnentage. Leadership zeigt sich in den schwierigen Zeiten, denn da wird sie gebraucht.
Scholz wollte den Job. Er hat ihn. No mercy.
Sein Problem ist nicht Selenskyj. Er selbst ist das Problem, weil er im Anflug von Selbstüberschätzung Parameter gesetzt hat, die er nicht halten kann. „Kein Diktatfrieden“ – was immer das auch heißen soll. Die USA als Freund und Helfer, die gerade N1 und N2 gesprengt haben und einfach nur abkassieren wollen. Europa ist denen sch…egal. Und jetzt?
Es braucht Rückgrat und Stehvermögen in dieser Situation. Beides hat er nicht. Ich finde nicht, dass er nicht zu beneiden ist. Er hat einfach kein Stehvermögen. Ein Schönwetterkanzler, der den Job auf seinem CV haben wollte. So wie von der Leyen. Es ist die gleiche Kategorie.
Was bleibt, ist tiefe Verachtung.
Kleopatra
5. Oktober 2022 @ 07:25
Welchen Sinn sollte eine solche Selbstbindung „solange ich öffentlich unter Druck gesetzt werde, A zu tun, werde ich A nie tun“ haben? Vernünftigerweise macht man die eigenen Entscheidungen nie von dem abhängig, was andere tun oder sagen.
Sie gehen offenbar davon aus, dass Scholz A (Waffen an die Ukraine liefern) eigentlich nicht will. Als demokratischer Politiker sollte er zu seinen eigenen Entscheidungen stehen und sich nicht hinter verlogenen vereisen auf Andere verstecken.
Grüne und Liberale haben für ihre Position gute Gründe und vertreten diese öffentlich. Solange die SPD in einer Koalition mit ihnen regiert, muss sie entweder darauf eingehen (Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine wird ja auch von einer Mehrheit des Bundestages befürwortet) oder klar Nein sagen; in welchem Fall sie den Bruch der Koalition und die Ersetzung von Scholz durch Merz riskieren würde.
ebo
5. Oktober 2022 @ 12:42
Genau deshalb. Scholz wird ständig unter Druck gesetzt, auf unflätigste Weise. Kein anderer westlicher Politiker lässt sich so vorführen. Biden, Macron und Co. würden es ablehnen, unter solchen Umständen zu liefern. In anderen Ländern gibt es auch keine öffentliche Waffendebatte wie in Deutschland.
european
5. Oktober 2022 @ 10:44
@ebo
Ich bin auch deshalb so entsetzt, weil ich mir von einer progressiven Regierung erhofft hatte, dass sie das Leben vieler Menschen in Deutschland endlich verbessert. Der Nachholbedarf ist riesig. Statt dessen machen sie Politik gegen die Bevölkerung und Scholz hat sich als Luftnummer enttarnt. Von den Grünen will ich gar nicht erst anfangen. Das sind die kriegstrommelnden Wehrdienstverweigerer, die ich schon erwähnt habe. Leuten wie Hofreiter kann man nicht mal mehr zuhören.
Die Rechnung für das milliardenschwere Kriegsgerät wird die Ukraine noch bekommen. Auch das werden die Europäer wohl zahlen, so wie es aussieht. Und dann werden die Konservativen bzw. Liberalen wieder ankommen und Sparprogramme auflegen. Eben so wie immer.
Man muss nur mal Marco Bülow in seinem podcast Lobbyland zuhören. So wird die Demokratie vor aller Augen missbraucht.
KK
4. Oktober 2022 @ 17:17
“…der frühere Komiker…”?
Selenskyi ist doch immer noch ein Komiker (und Schauspieler) in seinem dauernden Khaki-Shirt, mit seinen Phrasen und 180-Grad-Meinungswechseln – nur ist er eben überhaupt nicht mehr lustig! Und opfert so tausende seiner Landsleute, und nicht nur die:
Auf der ganzen Welt wird es hunderttausende “Kollateralschäden” geben, wenn in ärmeren Ländern die Menschen an Hunger und Krankheiten sterben, weil die reichen Länder ihnen im Mangel und eigener Verblendung, Putin und Russland unbedingt “ruinieren” zu wollen, alles wegkaufen bzw. die russischen Waren “einfrieren”.
Nein, das ist alles überhaupt nicht mehr lustig!
Inana
4. Oktober 2022 @ 19:13
Dass Regime Change im Kreml das Ziel ist, wissen wir seit Bidens Rede in Warschau. Und jetzt wird es noch mal bestätigt, denn Selenskyj wird nichts machen, was nicht mit den USA abgestimmt ist.
Seltsamerweise ist die Berichterstattung in den USA trotzdem kritischer als bei uns, wo ja nur noch Kriegsrausch herrscht. Dass die EU sich als Verhandlungsmacht rausgenommen hat stimmt. Allerdings hat man auch nicht den Eindruck, dass sie es sein wollte.