Macron, Scholz, von der Leyen und die schizophrene China-Politik
Ein Treffen, drei Politiker, drei Diskurse: Beim Besuch von Präsident Xi Jinping in Frankreich hat die EU mit mehreren Zungen gesprochen – und ihre ganze Schizophrenie offenbart.
China versucht, die EU zu spalten. Diese These zieht sich durch fast alle Artikel zum Besuch von Präsident Xi Jinping in EUropa. “Xi sucht Bruchstellen in EU und Nato”, heißt es z.B. in der “FT”.
Doch sie ist falsch. Xi besucht zwar auch Serbien und Ungarn, die regelmäßig aus der gemeinsamen EU-Außenpolitik ausscheren. Doch deren Einfluß in Brüssel tendiert gegen Null.
Für eine “Spaltung” der EU muß Xi (so er sie denn will, wofür wenig spricht) nichts tun – das schaffen unsere Politiker schon selbst. Dies haben Macron, von der Leyen und Scholz eindrucksvoll gezeigt.
Gastgeber Macron legte den Akzent auf Geopolitik. Er versuchte, Xi zu umgarnen, hat jedoch nicht viel erreicht. So schlug Xi eine Teilnahme am “Friedensgipfel” für die Ukraine in der Schweiz aus.
EU-Kommissionschefin von der Leyen verlegte sich auf den Handel – und drohte China wegen angeblicher Überproduktion. Dabei beträgt der Marktanteil chinesischer EU-Autos gerade mal 2,5 Prozent!
Kanzler Scholz schlug das Angebot aus, Xi in Paris zu treffen. Er hofft vor allem auf eine Öffnung des Marktes für den deutschen Export – und auf Konjunkturimpulse durch chinesische Nachfrage…
Gegen europäische Interessen
Umgarnen, drohen, hoffen: Jeder verfolgt seine eigene China-Politik. Der kleinste gemeinsame Nenner ist das “De-Risking”, also der Abbau von Risiken. Dabei birgt es selbst ein Risiko – die schleichende Abkoppelung.
Genau in diese Richtung arbeiten die USA mit immer neuen und immer härteren China-Sanktionen. Zugleich bürden sie (sogar unter Präsident Biden) der EU immer größere Lasten aus dem Krieg um die Ukraine auf.
Es ist eine Zangenbewegung – vor allem für Deutschland, das am meisten für die Ukraine leistet, aber auch besonders vom chinesischen Markt abhängig ist. Die USA arbeiten gegen deutsche und europäische Interessen.
Doch weder Scholz noch Macron oder VDL schaffen es, sich aus diesem Dilemma zu befreien. Stattdessen verfolgen sie eine schizophrene China-Politik, die sie am Gängelband der USA in einen weiteren Krieg führen könnte…
Mehr zur China-Politik hier
P.S. Noch während Xi in Paris war, sind zwei Schiffe der deutschen Marine in den Indopazifik aufgebrochen. Außenministerin Baerbock sagte, sie könne sich vorstellen, dass ein Schiff die Straße von Taiwan durchquere – für China eine Provokation. Deutsche Kanonenboot-Politik im 21. Jahrhundert – was soll das?
Arthur Dent
9. Mai 2024 @ 08:45
Was Uschi zum Besten gibt (die europäische Gesellschaft, die nicht gespalten werden darf) ist politischer Kitsch. Die Vorstellung der EU als Sehnsuchtsort einer heilen Welt, in der es intern keine Konflikte gibt. Ich dachte bislang, dass liberale Demokratien sich dadurch auszeichnen, dass nicht immer alle das gleiche denken müssen und jeder so leben kann, wie er will.
Deutschland hat 2023 einen Exportüberschuss von fast 210 Milliarden Euro erwirtschaftet – das zeigt schon, wie hirnrissig das Gerede von der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit ist. Wie immer ist „das Jammern“ der Gruß der Kaufleute – es kann nach Ansicht der Wirtschaft gar nicht genug Subventionen und Steuerleichterungen geben.
Durch die unverbrüchliche deutsch-amerikanische Freundschaft wurde Deutschland zum Partner einer habituell friedensunfähigen Imperialmacht. Militärisch wandeln wir wieder auf den Spuren von Kaiser Wilhelm zwo. Die Entsendung zweier Kriegsschiffe in den Indopazifik diene der Sicherung von Handelswegen, meint Kriegsertüchtiger Pistolerius. Eine Äußerung, für die Horst Köhler noch seinen Hut nehmen musste. Andere Zeiten, andere Sitten.
Monika
8. Mai 2024 @ 13:43
Es ist die Lebenslüge der ehemaligen BRD, dieser “felsenfeste
Glaube”, dass die USA der “Schutzpatron der freien Welt”
sei, der die psychologische Abnabelung von Unkle Sam schier unmöglich
macht. Der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter sprach gar von einer “nach dem Krieg umgepolten Hörigkeit”, der beidseitige totalitäre Antikommunismus erleichterte die Anschlußfähigkeit. Bei der Wiedervereinigung wurde diese einseitige “Überzeugung” ganz Deutschland verordnet.
Als nach der Befreiung vom Nationalsozialismus durch die Aliierten (Hauptlast trug damals die Rote Armee, was heutzutage am liebsten dem Vergessen anheim fallen soll..) die Menschen in allen Sektoren einer Verstaatlichung der NS-belasteten Großindustrie zuneigten, wußten das die Amerikaner fix zu verhindern. (Dafür mussten die BRD keine Reparationen zahlen und erhielt den Marshall-Plan). Erinnert sich noch jemand an die (den RAF-Nachfolgern untergeschobene) Ermordung von Detlev Rohwedder, der nach der Wiedervereinigung mit der Treuhand eine 2. Chance sah für mehr Gemeinwohlökonomie? Zack, weg vom Fenster…
Deutsche Politik handelt wie unter Hypnose, da ist man sogar gern bereit zum eigenen Schaden “mehr Verantwortung zu übernehmen”. Selbst krasse Rechtsverstöße gegen das Völkerrecht, Kriegsverbrechen und Erpressung bringen uns von dieser hündischen Treue nicht ab: Endlich auf Seiten der SIEGER!
Wir sind aufs Hinterherdackeln konditioniert.
Leseempfehlung: (Spiegelbestseller) Im Krieg verlieren auch die Sieger von Daniela Dahn.
european
8. Mai 2024 @ 09:57
Kann man sich eigentlich noch laecherlicher machen?
Diese Frage sollte man sich stellen. Bisher dachte ich immer, dass das nicht geht, muss mich aber eines besseren belehren lassen. Von der Leyen ist Deutsche und kommt aus dem Land, dass die “Ueberproduktion” quasi erfunden hat und damit regelmaessig in Europa und weltweiten Aerger ausloest. Nicht zuletzt bei “unseren Freunden”, den USA.
Wenn wir also die Welt mit unseren Exporten zuschuetten, dann ist das nicht nur toll, sondern wir bruesten uns damit. Seht alle her. So toll sind wir. Exportweltmeister, Exporteuropameister. Wir bezeichnen uns sogar als die Lokomotive Europa’s, obwohl das nicht geht, weil unsere Ueberschuesse der anderen Defizite sind. Wir bremsen also die Entwicklung der anderen und zerstoeren langfristig unseren Absatzmarkt.
Wenn nun die Chinesen das gleiche tun, dann ist diese “Ueberproduktion” natuerlich zu verurteilen. Empoerung, Entruestung, De-Coupling, Sanktionen. Man stelle sich mal vor, die Defizitlaender der EU wuerden Deutschland sanktionieren und ein Decoupling anstreben. Das waere doch mal ein Spass.
Wir brauchen uns wirklich nicht zu wundern, dass uns keiner mehr ernst nimmt.
ebo
8. Mai 2024 @ 10:02
Danke für diese Einschätzung – der Bogen zu von der Leyen und dem deutschen Exportweltmeister ist ebenso zutreffend wie köstlich!
Stef
8. Mai 2024 @ 09:11
@ebo, vielen Dank dafür:
“Es ist eine Zangenbewegung – vor allem für Deutschland, das am meisten
für die Ukraine leistet, und zugleich besonders vom chinesischen Markt
abhängig ist. Die USA arbeiten gegen deutsche und europäische
Interessen.”
Das sollte in goldenen Lettern über den Eingang zum Reichstag festgehalten werden. Gefolgt vom Nachsatz:
“… und unsere Bundesregierung arbeitet im Interesse der USA.”