Extra-territoriale Sanktionen, in Diplomatie verpackt
Mit dem elften Sanktionspaket gegen Russland will die EU vor allem Schlupflöcher schließen und Drittstaaten treffen. Damit begibt sie sich auf das gefährliche Terrain der extra-territorialen Sanktionen – doch sie werden in Diplomatie verpackt.
Die Europäische Union betritt Neuland: Mit ihrem elften Sanktionspaket gegen Russland nimmt sie erstmals auch Drittstaaten ins Visier, die die bisher erlassenen europäischen Sanktionen umgehen. Sie führt also extra-territoriale Sanktionen ein, wenn auch auf Umwegen.
Betroffen sind vor allem Kasachstan, Armenien, die Vereinigten Arabischen Emirate und China. Die EU könnte Exporte in diese Länder einschränken, hieß es nach der Einigung in Brüssel.
Fast acht Wochen hat es gedauert, bis die Einigung zustande kam waren – ein neuer Negativ-Rekord. Neben den üblichen Verdächtigen – Ungarn und Griechenland – stand auch Deutschland auf der Bremse.
Das Ergebnis ist mager: Im Gegensatz zu den zehn vorherigen Sanktionspaketen werden diesmal keine weiteren russischen Wirtschaftsbereiche mit Sanktionen belegt.
Auch das eigentliche Novum, die Schließung von Schlupflöchern, fällt bescheiden aus. Gelistet werden sollen Firmen und Drittstaaten nur dann, wenn es einen direkten Bezug zu Gütern aus der EU gibt, die Russland für seinen Krieg braucht.
Es brauche eine klare Abgrenzung zu extra-territorialen Sanktionen, die die EU bisher als illegal ablehnt, erklärten Deutschland und andere Mitgliedstaat.
Keine Strafen gegen China
Dem neuen Instrument wurden deshalb die Zähne gezogen. Mehr noch: Am Beispiel China zeigt sich, dass es womöglich gar nicht erst zum Einsatz kommt.
Die EU-Kommission wollte ursprünglich acht chinesische Firmen mit Sanktionen belegen, weil sie angeblich kriegswichtiges Material nach Russland liefern. Peking intervenierte, nun werden nur drei russische Firmen mit Sitz in Hong Kong mit Strafen belegt.
Die europäischen Bedenken seien „adressiert“ worden, heißt es in Brüssel, dies sei ein diplomatischer Erfolg. Kritiker sehen darin jedoch einen bedenklichen Präzedenzfall. Denn das neue EU-Instrument soll nur in letzter Instanz genutzt werden.
Mit dem Latein am Ende
Erst wenn alle anderen Bemühungen scheitern, soll es Export-Verbote für sensible Waren und Technologien geben. Die EU-Kommission muß sogar eigens nachweisen, dass dies nötig ist…
Fazit: Die EU ist mit ihrem Latein am Ende. Die “klassischen” Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind ausgereizt, nun begibt sie sich auf das gefährliche Terrain der extra-territorialen Sanktionen.
Doch um dies zu verschleiern, werden sie in Diplomatie verpackt…
Mehr zum Wirtschaftskrieg hier
Towanda
24. Juni 2023 @ 08:54
Baerbock hat es nötig, arrogant zu sein.
Dazu fällt mir nur ein Zitat von Hans Dieter Hüsch ein.
“Wo Hochmut sich mit Grazie paart, beginnt manch Edelmannes+innen Pfad.”
Oder so ähnlich.
Arthur Dent
23. Juni 2023 @ 22:52
Nun, wer anderen eine Grube gräbt… – das ist ja das Problem mit der Weltwirtschaft. Kein System funktioniert linear (aus a folgt b). Jedes Glied eines Systems steht mit jedem anderen Glied des Systems in vielfältigen Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Man läuft also immer Gefahr, sich den eigenen Ast abzusägen auf dem man sitzt.
KK
23. Juni 2023 @ 16:39
@ Hekla:
„Damit sanktioniert sich die EU selbst aus wesentlichen Teilen der Weltwirtschaft raus…“
Ja, die USA sind da pragmatischer – sanktionieren Russland zwar, aber das, was sie brauchen, importieren sie nach wie vor, wie zB angereichertes Uran. Und bzgl. Export werden sie sicher auch Wege gefunden haben, entweder diese zu begründen oder auf Umnwegen die Sanktionen zu umgehen…
Wenn es danach ginge, müssten nahezu alle Länder, die uns Rohstoffe liefern, aus irgendwelchen Gründen auf irgendeiner Sanktionsliste stehen. Aber dem Emir von Katar zB wird von unserem Wirtschaftsminister mit einem unterwürfigen Diener die Kralle geschleckt.
Hekla
23. Juni 2023 @ 16:03
Zähneknirschend zwar, aber langsam kann ich nur noch lachen. Mal abgesehen vom völkerrechtlichen Aspekt der Sanktionen ( hier von Pjotr angesprochen) können wir ja davon ausgehen, dass es solche bösen Drittstaaten immer geben wird. Wird man auf alle Staaten entsprechend reagieren? Damit sanktioniert sich die EU selbst aus wesentlichen Teilen der Weltwirtschaft raus…
Und am Rande: was ist z. B. mit Viertstaaten, die mit aus politischen Gründen doch nicht sanktionierten Drittstaaten weiterhin fröhlich Geschäfte machen? z.B. Katar, das riesige, langfristige Öldeals mit China abschliesst?
Pjotr
23. Juni 2023 @ 12:01
Inwiefern ist das 11. Sanktionspaket denn durch die UN-Charta gedeckt? 1-10 waren es nach meinen Informationen nicht. Egal. Die EU ist in der derzeitigen Konfiguration eh ein Saustall*. Ich hoffe, dass die BRICS+ in den kommenden Jahrzehnten dabei helfen ihn aufzuräumen.
*Mit dem Begriff will ich nichts gegen die Sauen sagen. Unter artgerechten Bedingungen geht es in deren Ställen zivilisierter zu, als in dieser durch und durch korrupten EU.
Off-topic: Wir vergessen nicht! Aktion zum 82. Jahrestag des faschistischen deutschen Überfalls auf die UdSSR
https://www.youtube.com/watch?v=9LVSARS6bjE
KK
23. Juni 2023 @ 11:37
Wenn ich das richtig verstehe, ist das Sanktionspaket weitgehend ein Paket mit lauwarmer Luft? In dem vollmundig Massnahmen angedroht werden, die man selbst als illegal betrachtet, weswegen die Hürden für deren Inkraftsetzung wiederum fast unerreichbar hoch gelegt wurden?
Sacht mal, habt Ihr sonst nix zu tun in Brüssel? Gibts nicht genug andere Probleme, die die EUropäischen Bürger umtreiben (und nicht in erster Linie die ukrainischen)?
“Doch um dies zu verschleiern, werden sie in Diplomatie verpackt…”
Seit Baerbock ist “Diplomatie” hierzulande doch nur noch ein anderes Wort für arrogante Überheblichkeit. Das Wort hat seine ursprüngliche Bedeutung weitgehend eingebüsst.