Renten kürzen, Löhne deckeln: Was Brüssel so alles fordert
Seit 2011 versucht die EU-Kommisson, die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euroländer zu steuern. Doch sozial ausgewogen geht es beim “Europäischen Semester” nicht zu, wie ein neuer Bericht aufdeckt.
Die Studie hat der linke Europaabgeordnete M. Schirdewan vorgelegt. Unter dem Titel „Überwachen und bestrafen: Das Ende des Wegs für den Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU“ dokumentiert er zahlreiche Eingriffe in die Tarifautonomie und die Sozialpolitik der EU-Staaten.
Hier die Zusammenfassung (Zitat):
Seit Einführung des Europäischen Semesters im Jahr 2011 bis 2018 forderte die Kommission die einzelnen Mitgliedstaaten auf, das gesetzliche Renteneintrittsalter anzuheben und/oder die öffentlichen Ausgaben für Renten und Altersvorsorge zu senken. Es gab seither:
– 63 Aufforderungen, dass die Regierungen die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung und/oder die Auslagerung oder Privatisierung von Gesundheitsdienstleistungen kürzen.
– An die Mitgliedstaaten wurde 50 Mal die Aufforderung gerichtet, das Lohnwachstum zu unterbinden, während Anweisungen zur Verringerung der Arbeitsplatzsicherheit, des Beschäftigungsschutzes vor Entlassungen und der Rechte von Arbeitnehmern und Gewerkschaften auf Tarifverhandlungen 38 Mal erteilt wurden.
– Zusätzlich zu den routinemäßigen Forderungen, die Staatsausgaben für Sozialdienstleistungen generell zu senken, hat die Kommission 45 spezifische Forderungen gestellt, die darauf abzielen, die Leistungen für Arbeitslose, schutzbedürftige Menschen und Menschen mit Behinderungen zu verringern oder zu streichen, unter anderem durch Strafmaßnahmen, um diese Personen in den Arbeitsmarkt zu zwingen.
Die Empfehlungen werden zwar in der Regel nicht umgesetzt – das “Europäische Semester” ist ein Schlag ins Wasser, genau wie die immer zahlreicheren EU-Regeln für die Währungsunion.
Dennoch zeigt der Bericht, dass es mit der neuerdings oft beschworenen sozialen Ausgewogenheit der EU-Kommission und ihrer Empfehlungen nicht weit her ist…
Der Bericht steht hier (externe Website der Linken), mehr hier
Stef
6. Februar 2020 @ 06:44
Genau umgekehrt ist es richtig: Die letzte Erhöhung des Renteneintrittsalters kam von der Linken, seitdem bleibt der Zulauf aus. Im Übrigen ist dies genau so wenig eine Frage der Vernunft wie die Schuldenbremse. Beides sind Steuerungsmaßnahmen, die alleine Kapitalinteressen dienen.
Peter Nemschak
5. Februar 2020 @ 17:31
Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist angesichts der demografischen Entwicklung (steigende Lebenserwartung) ein Gebot der Vernunft. Vernunft scheint bei den Linken Mangelware zu sein. Deshalb hält sich ihr Zulauf in Grenzen.
ebo
6. Februar 2020 @ 09:16
Es gibt nicht nur die Demographie, sondern auch die Produktivität. Und die wächst potentiell schneller als die Lebenserwartung, die z.B in den USA wieder sinkt.
Musil
8. Februar 2020 @ 15:07
Außerdem darf man nicht vergessen, dass es auch auf die Erwerbstätigenquote ankommt. Und die ist auf einem Höchststand.
Außerdem, lautet die Devise vieler Unternehmen bezüglich Personal: „Je jünger desto besser.“ Wenn man mit Mitte 40 schon keinen halbwegs anständigen Job findet, wie soll das mit Mitte 50 oder Mitte 60 gelingen?
Mit Ihrer Logik wäre Sterbehilfe ab 50 (sinkende Lebenserwartung) „ein Gebot der Vernunft“.
ebo
8. Februar 2020 @ 18:01
Es geht um die so genannte A1-Bescheinigung, die Sie für Dienstreisen ins EU-Ausland brauchen. Das steht auch im Text…