Rekord-Inflation und Übergewinne: Wie EU und EZB versagen
Trotz steigender Zinsen bleibt die Inflation in der Eurozone auf Rekordhöhe. Und trotz einer Übergewinn-Steuer melden viele Energiekonzerne Rekordgewinne. Die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank haben auf ganzer Linie versagt – Besserung ist nicht in Sicht.
Im Februar kletterten die Verbraucherpreise um 8,5 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte. Die sog. Kerninflation, die um externe Einflüsse wie Energie bereinigt ist, stieg sogar von 5,3 auf 5,6 Prozent. Die Hoffnung auf Entspannung hat sich nicht erfüllt.
Damit geht der Verlust von Kaufkraft und Realeinkommen weiter. Das EU-Versprechen auf steigenden Wohlstand ist gebrochen. Viele Bürger müssen den Gürtel enger schnallen. Nicht nur Energie, auch Lebensmittel und Mieten werden unbezahlbar.
Gleichzeitig explodieren die Unternehmensgewinne. Vor allem Energieriesen haben massiv profitiert. Die Öl-Konzerne Exxon, Chevron, BP, Shell und Total haben im vergangenen Jahr zusammen einen Profit von rund 190 Mrd. Dollar gemacht.
Und was macht die EU? Zu wenig! Sie hat zwar eine Übergewinn-Steuer versprochen. Doch davon ist immer noch nichts zu sehen. Auch das Gaspreis-Deckelchen, das nach monatelangem Nichtstun zum Jahresende eingezogen wurde, bringt für die Bürger nichts.
Die Gas- und Strompreise sind zwar gefallen, doch das kommt kaum in den Haushalten an – denn die meisten Verträge beruhen noch auf den Mondpreisen der letzten Monate. Nur nationale Maßnahmen wie der deutsche “Doppel-Wumms” beginnen langsam zu wirken.
Doch selbst das ist der Europäischen Zentralbank ein Dorn im Auge. EZB-Chefin Lagarde hat die EU-Staaten aufgefordert, die Hilfen zurückzufahren – angeblich heizen sie die Inflation an. Ein Appell zur Unzeit; in Deutschland beginnt gerade die Auszahlung!
Nur für Rüstung ist noch Geld da
Völlig aus der Zeit gefallen wirkt auch die Geldpolitik. Erst im letzten Sommer hat die EZB begonnen, auf die Rekordinflation zu reagieren. Da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Nun will sie die Zinsschraube anziehen – und riskiert so eine Rezession!
Gleichzeitig zieht die Eurogruppe wieder die Zügel an. Die EU-Staaten sollen sparen, ab 2024 sollen wieder die strikten Schuldenregeln des Stabilitätspaktes gelten. Auch dies dämpft die Konjunktur; die Bürger müssen den Gürtel noch enger schnallen…
In normalen Zeiten würde man von bedauerlichen Zielkonflikten sprechen. Doch die Zeiten sind nicht normal, in Europa herrscht Krieg. Dieselbe EU, die die Regierungen zum Sparen drängt und die Konzerne schont, fordert nun höhere Rüstungsausgaben.
Austerität vor der Europawahl?
Wenn das so weiter geht, droht eine harte Austeritätspolitik mit Nullwachstum, Rekord-Inflation und Rekord-Gewinnen für Rheinmetall & Co. Ich bin mir nicht sicher, ob die Bürger dies kurz vor der Europawahl 2024 goutieren werden…
Siehe auch “Mit vereinten Kräften: EZB und EU würgen die Konjunktur ab“. Mehr zur Inflation hier
P.S. Während die EU-Staaten auf die Schuldenbremse treten und Hilfsprogramme für die Bürger kürzen sollen, diskutiert man in Brüssel über eine Ausnahme für Rüstungsausgaben. Es wird immer verrückter!
Thomas Damrau
3. März 2023 @ 10:33
@ebo
Das ist eben der Kollateralnutzen des Ukraine-Kriegs: Alle reden über Panzer + Flugzeuge.
Vor dem Hintergrund der Mammutaufgaben “Putin von Lissabon fernhalten” und “China am Katzentisch festbinden” verblassen Trivialitäten wie Inflation, Kinderarmut und Umverteilung von unten nach oben, die mittelfristigen Themen Klimaüberhitzung, Plastikmüll und Artenschwund, die Probleme an der Peripherie, wie Dürre, Sturm, Flut und Trinkwassermangel ( https://www.spektrum.de/news/duerre-in-suedeuropa-letzte-hoffnung-regen/2115330 ).
Alles Wurscht – Hauptsache, Biden bekommt seine NATO-Erweiterung.
ebo
3. März 2023 @ 11:29
Es ist sogar noch krasser. Jetzt erwägen die EU-Finanzminister allen Ernstes, Rüstungsausgaben aus der Defizit-Berechnung auszuklammern, Klimaschutz und Sozialsugaben hingegen nicht. Wir sind auf dem direkten Weg in eine neoliberale Kriegswirtschaft…
Thomas Damrau
3. März 2023 @ 09:21
Die FAZ hat vor einigen Tagen schon die Melodie vorgegeben:
– Prio 1: Rüstung
– (mit Abstand) Prio 2: Investitionen in die Energie-Infrastruktur
– … alles andere läuft unter Gedöns
Und diese Vorhersagen scheinen mir realistisch zu sein. Und die Narrative sind ja bekannt:
– Steuererhöhungen würgen die Wirtschaft ab und verringern den Leistungswillen der Eliten.
– Wir dürfen den nachfolgenden Generationen keinen Schuldenberg hinterlassen.
– Der Russe und der Chinese wollen uns an den Kragen.
– Es ist schwierig zu definieren, was ein Übergewinn ist.
Wenn Steuererhöhungen und Schulden tabu sind, wenn man sich bei Rüstungsausgaben in einen Erhöhungsrausch redet, wird es halt eng.
Carsten Linnemann hat den Ton schon vorgegeben ( https://www.deutschlandfunk.de/interview-mit-carsten-linnemann-cdu-vize-zu-ampelzoff-was-kann-cdu-besser-dlf-d7044b4a-100.html ):
– mehr Geld für Rüstung
– weniger Vorschriften
– Abwanderung der Industrie ins Ausland verhindern (was ja meist impliziert: weniger Steuern, weniger Reglementierung, mehr Subventionen)
– sparen, um die Inflation zu dämpfen
– Deckel auf Sozialausgaben
(Um das Interview korrekt zusammen zu fassen: Zwischendurch gab es auch einige wenige konstruktive Punkte.)
Ich vermute mal, dass wir ähnliche Töne in der näheren Zukunft häufiger hören werden – auch auf EU-Ebene: Insbesondere dem Süden werden wieder die Vorzüge von sozialen Einschnitten und Privatisierung aufgedrängt werden.
ebo
3. März 2023 @ 09:46
Mir fällt auf, dass sich kaum jemand für Inflation und Rekordprofite interessiert. Auch dieser Beitrag wird kaum gelesen. Dabei ist die Verteilungsfrage zentral, gerade bei Wahlen. Und die Einführung einer Kriegs-Ökonomie mit hoher Armut und massivem Kaufkraftverlust sollte die Menschen auf die Barrikaden treiben!?
pitiplatsch
3. März 2023 @ 13:30
Ordentliche Schützenhilfe für das Vertuschen der Grundfrage Verteilung leisten auch alle Link-Grünen mit ihren intensiven Gender- und Identitätsdebatten.
KK
2. März 2023 @ 17:53
„Ich bin mir nicht sicher, ob die Bürger dies kurz vor der Europawahl 2024 goutieren werden…“
Spässle g’macht?
Wahlen sind den Verantwortlichen doch völlig egal, weil alle auf dem Wahlzettel, die Aussicht haben, überhaupt über wie auch immer geartete Hürden in die Parlamente zu springen, doch erstmal an denm Trögen der Macht im Kern für den Bürger dieselbe verheerende Politik machen.
Dabei ist denen inzwischen auch völlig egal, was sie mal vor Wahlen versprochen hatten – am schlimmsten treiben den Betrug am Wähler noch die GRÜNEN, aber auch die anderen Parteien stehen denen kaum nach (am ehrlichsten ist eigentlöich noch die FDP, die sagen wenigstens unverhohlen, für wen sie Politik machen).
Und die EU-Wahlen sind doch sowieso eine völlige Farce:
Das Parlament, das gewählt wird, hat kaum Rechte, und die, die es hat, nutzt es nicht, weil die alle von ihren Parteien abhängig sind, die die Bedingungen für eine (aussichtsreiche) Aufstellung zu den Wahlen festlegen und Quertreiber nach spätestens einer Legislatur den Stuhl vor die Tür stellen.
Und die Regierung aka EUCO wird doch eh ausgekungelt – völlig egal, wer auf dem Wahlzettel stand. Da werden dann so Schranzen wie vdL und Michel, die im Netzwerk ihrer Eltern schon darauf dressiert wurden, über die Köpfe der Wähler und der Abgeordneten einfach installiert. Aussenbeauftragter wird dann ein korrupter Vorbestrafter, der mit seiner Vita in Deutschland wohl noch nicht mal im mittleren Dienst verbeamtet würde. Die Zustimmung des Parlaments wird dann mit noch mal reichlich lukrativen Pöstchen (wie war das, allein 19 Vizepräsidenten samt Einkommen und Privilegien?) gekauft.
Wenn Wahlen wirklich etwas ändern würden, wären sie längst verboten.