Mehr Krieg oder endlich Verhandlungen? – Scholz und Leyen in Washington
Nach Kanzler Scholz will auch EU-Chefin von der Leyen in die USA reisen und mit Präsident Biden sprechen. Bei dem Besuch am 8. März gehe es um “transatlantic relations, trade, strategic sectoral partnerships and cooperation in support of Ukraine”, heißt es in Brüssel.
Die Häufung der Reisen nach Washington lässt aufhorchen. Geht es darum, eine neue Phase des Krieges vorzubereiten – oder kommen endlich Verhandlungen? Zuletzt war von Gesprächen hinter den Kulissen die Rede – aber auch von mehr Waffenlieferungen…
P.S. Biden war erst vor zehn Tagen in Europa – erst in Kiew, dann in Warschau. Einen Abstecher nach Berlin oder Brüssel hielt er offenbar nicht für nötig. Die EU-Partner müssen sich schon nach Washington bemühen, wenn sie was vom mächtigsten Mann der Welt wollen – was viel über die Hackordnung aussagt…
Update hier
KK
3. März 2023 @ 14:38
@ Kleopatra:
„von der Aufnahme wurde aus Rücksicht auf russische Sicherheitsinteressen abgesehen.“
Nein, die Aufnahme ist am französischen und deutschen VETO gescheitert, und dafür ausschlaggebend waren in erster Linie die Interessen Frankreichs und Deutschlands. Eben weil dies nicht nur in diesen beiden Ländern damals schon als „rote Linie“ galt, die zu unkalkulierbarer Eskalation führen und den Frieden in EUropa massiv efährden könne, und ein Krieg auf eigenem Territorium entsprach zumindest damals nicht dem Interesse der Regierungen Deutschlands und Frankreichs (heute bin ich mir da nicht mehr so sicher).
Die USA im Verbund mit vorrangig Polen, dem UK und den Balten haben aber nie aufgehört, immer weiter zu zündeln – bis zur Unterstützung des Putschs gegen die gewählte Regierung in Kiew 2013/14, der Verweigerung jeder Verhandlung in 2021 und der Boykottierung der Friedensgespräche unter Moderation u.a. von Bennett.
KK
3. März 2023 @ 12:29
@ Kleopatra:
“Es ist Russland, das Verhandlungsvorschläge nur so konzipiert, dass sie von vornherein unakzeptabel sind und also nur als Vorwand für Angriffskriege dienen können.”
Immerhin kamen von dieser Seite Verhandlungsvorschläge, trotz des Minsk-Desasters. Und so ist das bei Verhandlungen eben auch üblich, dass erst mal beide Seiten ihre Maximalforderungen auf den Tisch legen (nennt man dann gern auch VHB – Verhandlungsbasis), um sich dann irgendwo in der Mitte zu treffen – ist die eigene Forderung zu nah an der Mitte, verschiebt die sich schnell in einen Bereich, den man dann selbst nicht mehr akzeptieren kann.
Nie “Life of Brian” gesehen? “Du musst feilschen!” – das ist im menschlichen Genom spätestens seit der Sesshaftigkeit fest angelegt.
Und was ist an der grundsätzlichen Forderung, russische Sicherheitsinteressen nicht völlig aussen vor zu lassen, unakzeptabel? Denn deren Nichtakzeptanz ist der Kern der westlichen Verweigerungshaltung, schon in 2021! Und die ist für Russland dann mindestens ebenso inakzeptabel!
Ich sehe eher, dass die USA unbedingt vermeiden wollten, einmal mehr selber als Aggressor dazustehen wie schon allzu oft nach dem WW2, und daher die Provokationsschraube immer weiter anzuziehen (seit 2008 mit dem ersten NAhTOd-Beitrittsangebot an die Ukraine und Georgeien), damit diesmal ausnahmsweise mal jemand anders den ersten Schuß abgibt. Ist ja nicht so, als seien die Neocons seit 2003 nicht lernfähig gewesen, nicht wahr?
Kleopatra
3. März 2023 @ 14:07
@KK: Beim Feilschen auf dem Markt können beide davon ausgehen, dass der andere an eine Abschluss interessiert ist; anders als in der internationalen Politik. Auf russische Sicherheitsinteressen wurde weitgehend Rücksicht genommen; der Beweis dafür ist, dass die Ukraine nicht bereits seit 2008 (als es erstmals diskutiert wurde) NATO-Mitglied ist; von der Aufnahme wurde aus Rücksicht auf russische Sicherheitsinteressen abgesehen. Aber das setzt als Gegenleistung voraus, dass man sich darauf verlassen kann, dass Russland sich kein „Recht zur jederzeitigen Intervention“ anmaßt.
ebo
3. März 2023 @ 14:10
Die Ukraine erfüllte 2008 nicht annähernd die Voraussetzungen für eine Nato Mitgliedschaft. Selbst Bushs Berater haben abgeraten
european
3. März 2023 @ 08:56
“Stimmungsumschwung in den USA. Biden’s Wiederwahl ist gefährdet.”
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9182
Das war absehbar. Interessant ist jedoch, dass auf einmal die Zahl der Opfer eine Rolle spielen. Wenn Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und viele andere darauf hinweisen, werden sie “von Putin bezahlt.” Schlimmer noch hat sich der Standard-Journalist Kreil auf Twitter mit Worten geäußert, die ich hier nicht wiederholen will.
Alexander
3. März 2023 @ 08:41
> oder kommen endlich Verhandlungen?
Weshalb? Es sterben doch Russen!
An besonders schlechten Tagen denke ich, dass sogar diese Einschätzung nicht völlig abwegig ist:
“Every dead Ukrainian and Russian is a win for the West. The West is not there to defend Ukraine but to defeat Russia. It is very clear that Ukraine will fall and that all human potential in Ukraine will be a future Russian potential and a solider in Russia’s army. Therefore, the West is doing everything it can to bring as much harm to Russian/Ukrainian people, infrastructure, industry and economics as possible. Moreover, every dead Ukrainian is another family that will hate Russia for decades.”
(Quelle: ‘Black Mountain Analysis’, Substack)
Russland erobert nur noch Trümmerhaufen! Eine völlig kaputte Ukraine, die irgendwie halbwegs versorgt werden muss, dürfte eine große Belastung darstellen?
Ich lese gerade bei “T”:
“Moreover, the vast majority of Western politicians have fully invested their political capital in support of Ukraine, the failure of Ukraine will be their political failure, and on an unprecedented scale. With such a unity of the elites, the position of the majority of the population does not matter much and is easily determined by the media and opinion leaders.”
> the failure of Ukraine will be their political failure
Na und? Wer hinter dem (ökonomisch) größten Anschlag der Weltgeschichte steckt, interessiert in diesem Land doch kaum jemanden? Oder kann hier jemand von nennenwerter Empörung in seinem Bekanntenkreis berichten?
Solange TINA bei Wahlen 80%+ erhält, wird sich nichts ändern.
Kleopatra
3. März 2023 @ 08:24
Es ist Russland, das Verhandlungsvorschläge nur so konzipiert, dass sie von vornherein unakzeptabel sind und also nur als Vorwand für Angriffskriege dienen können. Daher geht die Kritik an „mangelnder Verhandlungsbereitschaft“ ins Leere. Biden kam wegen des Ukrainekrieges nach Europa und insofern ist klar, warum er nach Kyiv und Warschau gereist ist.
KK
3. März 2023 @ 00:33
Eine Art “Reise-nach-Jerusalem”: Nur hat hier verloren, wer als letzter keinen freien Stuhl, sondern kein offenes Ohr von Biden mehr erwischt.
Offenbar sorgt sich vdL, dass unser Bundespanzler Scholz, der es offenbar alles ein wenig mehr durch die hanseatisch-pragmatische Brille sieht als unsere kriegsbegeisterten Damen vdL, Baerbock und Flack-Zimmermann, doch etwas zu wenig bellizistisch sein könnte, als ihr selbst es vorschwebt. Und eilt ihm daher unverzüglich hinterher zum alten Mann übers Meer, um notfalls wieder gegen einen vielleicht langsam ja doch absehbaren Verhandlungsstrich zu bürsten…
Alexander
3. März 2023 @ 10:10
@KK:
1. Flak: Flugabwehrkanone
2. It takes two to tango! Welches attraktive Angebot könnte das Imperium Russland denn machen? Die Ukraine plus die baltischen Giftzwerge? Eher nicht, oder? Außerdem sind westliche Zusagen nichts wert.
Arthur Dent
2. März 2023 @ 23:51
Da müssen sie alle sicherlich den Treueschwur erneuern:
„I pledge allegiance to the Flag of the United States of America, and to the Republic for which it stands, one nation under God, indivisible, with liberty and justice for all.“
(„Ich gelobe die Treue zur Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika und der Republik, für die sie steht, eine Nation unter Gott, unteilbar, mit Freiheit und Gerechtigkeit für alle.“) – so, oder ähnlich stelle ich es mir vor (uaahh) – oder wie der selige Frank Zappa einst sagte: Die Regierung ist schließlich die Entertainment-Abteilung für den militärisch-industriellen Komplex.