Rechtsstaat, Schulden, Migration: Die EU geht zerstritten in den Wende-Herbst
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? – Der Streit um den Rechtsstaat in Polen eskaliert. Die EU-Schulden werden zum Wahlkampf-Thema in Deutschland. Und der frühere “Mr. Brexit” aus Frankreich provoziert mit Bemerkungen zur Migration.
Es sollte ein ruhiger Start nach der Sommerpause werden. Die EU-Kommission legte ihre Planung für die nächsten Monate vor und versprach mehr “strategische Autonomie”.
Afghanistan habe gezeigt, dass Europa unabhängiger von den USA werden müsse, hieß es in Brüssel. Das hören wir schon seit Jahren, auch jetzt dürfte sich nicht viel ändern
Die EU-Staaten ziehen nicht am selben Strang – und dass nicht nur bei der Verteidigung. Auch in anderen zentralen Fragen sind die EUropäer nicht auf einer Linie.
Die vergangene Woche hat gezeigt, wie uneinig und gespalten die EU in zentralen Fragen ist. Schon am Dienstag brach der alte Streit über den Rechtsstaat in Polen wieder auf.
Die EU-Kommission forderte das höchste EU-Gericht auf, Geldstrafen gegen die Regierung in Warschau zu verhängen, weil die ihre Justizreform nicht schnell genug korrigiert.
Die PiS-Regierung zeigte sich empört, Oppositionsführer Tusk (früher EU-Ratspräsident) malte einen möglichen “Polexit” an die Wand. Die Zeichen stehen auf Sturm.
Ärger gibt es auch um die Schulden, die die Mitgliedsstaaten und die EU seit der Coronakrise anhäufen. Sie sind zum Wahlkampf-Thema in Deutschland geworden – und sie spalten die Finanzminister.
Bei einem Treffen in Slowenien forderte Frankreich eine Reform des Stabilitätspakts, der die Schulden begrenzen soll. Deutschland, Österreich und die Niederlande lehnen das ab.
Bemerkenswert ist, dass auch SPD-Kanzlerkandidat Scholz “Nein” sagt. Die Regeln seien flexibel genug, behauptet er. Dabei mußten sie komplett ausgesetzt werden, damit die EU-Staaten überhaupt noch finanziellen Spielraum haben!
Last but not least gibt es neuen Streit um die Migration. Ausgerechnet der ehemalige “Mr. Brexit” der EU, der Franzose M. Barnier, will mehr “Beinfreiheit” – europäische Gerichte sollen nicht mehr die Regeln bestimmen.
Barnier redet fast wie die Brexiter – oder wie die AfD, die sich über den Einwurf aus Paris freute. Die EU geht zerstritten in den Wende-Herbst, nach Deutschland im September wählt Frankreich im Mai…
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